Eine der größten Evakuierungsaktionen nach dem Krieg in Dortmund endete frühzeitig. Es wurden zwar Blindgänger entdeckt – mussten aber nicht entschärft werden. Eine Zusammenfassung der Ereignisse.

Das ging schnell. Schon um kurz vor 12 Uhr am Sonntagmittag (6.4.) gab es die Entwarnung in Dortmund. Man hatte an zwei von vier Verdachtspunkten zwar Bomben- Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Die waren allerdings ungefährlich. Früher als gedacht konnten alle Sperrungen in der südlichen Innenstadt wieder aufgehoben werden, noch bevor die Evakuierungsaktion komplett beendet war.

Die hat nach wochenlangem Vorlauf um 8 Uhr am frühen Morgen begonnen. Neben der Märkischen Straße war auch die B1 zwischen B54 und 2362 komplett gesperrt worden. 200 Mitarbeiter und Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamtes und weitere 200 Freiwillige aus anderen Ämtern waren unterwegs, um rund 8500 Anwohner im Evakuierungsgebiet rund um die vier Verdachtspunkte aus ihren Häusern zu klingeln und zu kontrollieren, ob wirklich alle Wohnungen verlassen waren.

Der Einsatzleiter des städtischen Ordnungsamtes Mario Niedzialkowski auf der autofreien B1.Komplettsperrung: Der Einsatzleiter des städtischen Ordnungsamtes Mario Niedzialkowski auf der autofreien B1.© Oliver Volmerich

Es bestand der Verdacht, dass an vier Punkten in der südlichen Dortmunder Innenstadt – zwei im Umfeld der Märkischen Straße und zwei im beziehungsweise am Westfalenpark – Bomben-Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg im Boden liegen. Nach der Auswertung von Luftbildern und Sondierungen vor Ort hatte man Anomalien im Boden festgestellt.

Dass es sich dabei um Bomben-Blindgänger handelte, bestätigte sich an der Baugrube Märkische Straße/Wenkerstraße und auch zu Füßen des Florianturms im Westfalenpark nicht. Hier waren es eine nicht verzeichnete alte Leitung aus Metall beziehungsweise ein großer Nagel im Boden, die für Irritationen gesorgt hatten.

Am Kaiserhain-Teich nahe der B1 fand man eine inzwischen ungefährliche Brandbombe aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.

Am Kaiserhain-Teich am Westfalenpark fand man ungefährliche Überreste einer Brandbombe. Am Kaiserhain-Teich am Westfalenpark fand man ungefährliche Überreste einer Brandbombe.© Oliver Volmerich

Am Parkplatz an der Friedrich-Uhde-Straße war es in der Tat eine dicke 500 Kilo Bombe. „Sie steckte senkrecht in der Erde“, berichtete der städtische Ordnungsdezernent Norbert Dahmen vor Ort. „Eine solche Bombe hätte auch 80 Jahre nach Kriegsende noch ganz gewaltigen Schaden anrichten können.“

Allerdings: Die Bombe hatte keinen Zünder mehr und war damit ebenfalls ungefährlich. Anderenfalls hätte sie nach dem kompletten Abschluss der Evakuierung entschärft werden müssen.

Eine 500-Kilo-Bombe ohne Zünder fanden die Experten in der Grube auf einem Parkplatz an der Friedrich-Uhde-Straße. Eine 500-Kilo-Bombe ohne Zünder fanden die Experten in der Grube auf einem Parkplatz an der Friedrich-Uhde-Straße.© Oliver Volmerich

Doch so konnte die Evakuierungsaktion, die schon zu mehr als 80 Prozent abgeschlossen war, vorzeitig abgebrochen werden. Die betroffenen Anwohner konnten in ihre Wohnungen zurück, ebenso die Bewohner aus zwei Seniorenheimen.

Viele frühzeitig unterwegs

Einige erfuhren davon im Evakuierungszentrum, das die Stadt im Goethe- Gymnasium in Hörde eingerichtet hatte, viele aber auch auf einem Sonntagsausflug oder weiter entfernt der Heimat. Augenscheinlich hatte sich ein großer Teil der Betroffenen entschieden, das Gebiet sehr frühzeitig zu verlassen. „Die jungen Leute aus unserem Haus sind alle zu ihren Eltern gefahren“, berichtete ein Ehepaar in der Betreuungsstelle im Goethe-Gymnasium.

Andere haben sich in einem Hotel einquartiert – wie das Ehepaar Wolf, das ihr Zuhause an der Märkischen Straße gegen 9.15 Uhr mit gepackten Koffern verlassen hatte. „Das Ordnungsamt war schon bei uns, aber wir haben uns Zeit gelassen“, erzählte die Frau unserem Reporter. Das Paar wollte sich nicht darauf verlassen, dass eine mögliche Entschärfung schnell über die Bühne geht. Deshalb ging es bis zum nächsten Morgen ins Hotel. „Man weiß ja nicht, wie lange so etwas dauern kann.“ Die Betreuungsstelle in der Schule war trotz der Hotelkosten keine Alternative für das Ehepaar.

Eine Ehepaar mit einem Koffer in DortmundDie Eheleute Wolf haben ihr Zuhause an der Märkischen Straße gegen 9.15 Uhr mit gepackten Koffern verlassen – sicherheitshalber ging es für eine Nacht ins Hotel.© Tim Schulze

Ebenfalls am frühen Sonntagmorgen hatte die Evakuierung des Wohnstifts auf der Kronenburg und Pflegezentrums am Westfalentor begonnen. Nach und nach wurden die pflegebedürftigen Senioren aus dem Gebäude gebracht und mit Transportern weggefahren. Das dauerte. Selbst als bekannt wurde, dass die Sperrungen aufgehoben werden und die Leute wieder nach Hause können, war die Einrichtung noch nicht komplett evakuiert.

Die Anwohner in der Betreuungsstelle – das waren in der Spitze nicht mehr als 130 Leute – waren in Gruppen in verschiedenen Klassenräumen des Goethe-Gymnasiums untergebracht. Fast alle waren ältere Semester. Viele von ihnen hatten niemanden, der sie sonst aufgenommen hätte. Für sie waren die Evakuierungsbusse nach Hörde eine gute Option. Allerdings waren so viele Busse eingesetzt worden, dass die meisten leer oder mit sehr wenigen Fahrgästen fuhren.

Ludmilla Rockel (83) saß in einem der ersten Evakuierungsbusse, die von der Markgrafenstraße in Richtung Hörde starteten. Bei ihr war die Erleichterung groß, dass sie schon am Mittag wieder nach Hause konnte. Die Zeit in der Betreuungsstelle empfand die Seniorin als angenehm. „Der Service und die Betreuung waren gut“, sagte sie. Für die Betreuung und Versorgung sorgten Mitarbeiter verschiedener Hilfsdienste.

Frau Ludmilla Rockel sitzt in einer Evakuierungsstelle in DortmundLudmilla Rockel (83) fühlte sich in der Evakuierungsstelle in Hörde gut aufgehoben – war aber dennoch erleichtert, dass sie schon am Mittag wieder nach Hause konnte.© Tim Schulze

Ein Ehepaar, das anonym bleiben möchte, sagte, es habe sich für die Betreuungsstelle entschieden, weil dies die einfachste Möglichkeit gewesen sei. Eine weite Fahrt zu Verwandten sei zu aufwendig gewesen. Zumal das Paar auch erleben wollte, wie es denn so ist, sich über einige Stunden in der Betreuungsstelle aufzuhalten. Die Unterbringung in den Klassenzimmern gefiel dem Paar. „Ich dachte schon, wir müssen hier in einer Turnhalle ausharren“, sagte der Mann.

Das galt für die Bewohner der Seniorenheime, die in einer Sporthalle des Schulzentrums eine separate Unterkunft hatten. Hier waren sogar Betten aufgebaut worden. Am Mittag begann dann der Rücktransport, der – so die Schätzung eines Helfers – bis zum Abend dauern sollte.

Den ganzen Tag über geschlossen blieb auch der Westfalenpark. Und die Märkische Straße bleibt stadteintwärts sogar noch mehr als eine Woche gesperrt. Dort muss nun erst einmal das Bauloch nahe der Wenkerstraße verfüllt werden, danach wird am kommenden Wochenende (12./13.4.) die Fahrbahn saniert. Freie Fahrt ist dann wieder ab dem 14. April.