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Martin Soester vom Aktionskreis (links) und Heimatforscher Stefan Klönne zeigen die gebundenen Heimatbriefe aus den Jahren 1940 bis 1943. © Andreas Rother
80 Jahre nach Kriegsende ist ein einzigartiges Buch mit Dutzenden NSDAP-Heimatbriefen aufgetaucht. Darin: heimatkundliche Texte aus Hamm-Bockum-Hövel.
Hamm – Mithilfe des Aktionskreises Bockum-Hövel Plus konnten jetzt Dutzende heimatkundliche Texte des früheren Ortsheimatpflegers Arthur Schauerte gesichert werden. Sie stehen in sogenannten Heimatbriefen, die in den 1940er-Jahren an die Frontsoldaten verschickt wurden.
Herausgeber und Absender waren die damaligen NSDAP-Ortsgruppen Bockum und Hövel, die sich in den letzten Kriegsjahren noch zusammenschlossen haben. Die bis zu 16-seitigen Briefe sollten die kämpfenden Männer mit Informationen von zu Hause versorgen, Unterhaltung bieten und zuvorderst Verbindung zu den Parteigliederungen schaffen. Unter anderem wurden Neuigkeiten von der Zeche Radbod mitgeteilt, standesamtliche Nachrichten, Zeitgeschichtliches sowie Sportergebnisse – und dann noch in Worte gefasste Entwicklungen und Eindrücke aus der damaligen Stadt.
„Das war der Zeit geschuldet“
Arthur Schauerte ist in Bockum-Hövel ein Weg gewidmet. Doch war er ein Nationalsozialist, wenn er in den Publikationen der Partei veröffentlichte und darin auch mal mit „Heil Hitler“ unterschrieb? Davon geht Heimatforscher Stefan Klönne nicht aus. „Das war der Zeit geschuldet“, sagt der 52-jährige Bockum-Höveler. Außerdem: „Schauerte formulierte nicht im typischen Nazi-Jargon, der alles verherrlichte, sondern eher neutral und beschreibend.“ Aber ja: Natürlich müsse die Quelle in die Wertung der Zeilen einfließen.
Klönne ist Erdkunde- und Deutschlehrer an der hiesigen Realschule, spätestens seit dem Erstellen seiner Examensarbeit zu den Zechen in Hamm geschichtsinteressiert, Sammler alter Ansichtskarten und Autor. Er war es auch, der an den Aktionskreis herantrat, denn zum Ankauf der historischen Schriften brauchte es Geld.
Letzte Seiten: Ganz am Ende des Buchs findet sich ein in Sütterlin verfasster Text, der offenbar nicht mehr veröffentlicht wurde. © Andreas Rother
Einzelne Heimatbriefe würden derzeit für rund 20 Euro gehandelt, sagt Klönne. In diesem Fall lägen 45 vor, aus den Jahren 1940 bis 1943. Sie wurden überdies aufwendig zu einem Buch gebunden. In dem befindet sich am Ende auch noch ein weiterer, von Schauerte handschriftlich in Sütterlin verfasster Text – für einen nächsten Brief, der dann aber wohl nicht mehr erschien. „Das Buch ist ein Unikat und für die Geschichtsaufarbeitung Bockum-Hövels von großem Wert“, schwärmt der Ortshistoriker.
Entdeckung war ein „Glücksfall“
Und wie hat es das Werk zu ihm geschafft? „Über einen Bekannten aus Heessen, der ungenannt bleiben möchte“, schildert Klönne. Dieser habe es zusammen mit anderen historischen Stücken von einem Antiquariat in Köln erworben. Dorthin wiederum sei es vor einigen Jahren gelangt, nachdem eine Witwe aus Bockum-Hövel die Sammlung ihres verstorbenen Mannes veräußert hatte. „Letztlich war das alles ein Glücksfall, eine Aneinanderreihung von Zufällen“, so Klönne.
In einem der Heimatbriefe, die am Ende jeweils mit einem Foto versehen sind, ist Klönne auch auf die eigene Familiengeschichte gestoßen. Es hieß da in Frakturschrift, dass sein Großvater 1941 eine Tochter bekommen habe. „Das war meine Mutter.“ Adressiert worden waren die Heftchen damals an einen gewissen Karl-Helmut Lorenz, der offenbar der Marine angehörte. Ob dieser die Sendungen gesammelt und gebunden hat oder ein anderer Zeitzeuge dahintersteckt, wird man wohl nie in Erfahrung bringen können.
Replikate für Heimatstube und Stadtarchiv
Der Aktionskreis kümmert sich vornehmlich um das Hier und Heute, betreibt aber auch die Heimatstube im Rathaus-Keller, wo gerne Geschichtliches thematisiert wird. „Wir waren begeistert von der Idee, das Buch für Bockum-Hövel zu bewahren“, schildert Vorstandsmitglied Martin Soester. Zwar existierten in den Archiven der aktuellen Ortsheimatpfleger einzelne Heimatbriefe, aber das jetzt entdeckte Sammelwerk sei einzigartig.
Klönne hat mittlerweile alle Seiten eingescannt und will nun hochwertige Replikate erstellen lassen: eines für die Heimatstube und eines für das Stadtarchiv. Das Original, so ist es mit dem Aktionskreis als Eigentümer abgesprochen, wird an anderer Stelle sicher verwahrt.
1000 Gefangenen kamen in Bockum-Hövel während des Krieges um. Peter Hertel recherchierte ihr Schicksal.