Eine Straßenbahnlinie ist schnell mal eingestellt, eine Gleisinstandhaltung leicht unterlassen, wenn dafür einfach die Gelder fehlen. Das Gegenteil ist schwerer: Neue Gleisstrecken zu bauen. Das spüren die Leipziger auch bei den durch die LVB geplanten Netzerweiterungen: Allein schon der Planungsvorlauf braucht Jahre. Und da ist noch nicht geklärt, ob dann auch das Geld zum Bauen da ist. Und was ist eigentlich mit den Gleisstrecken, die immer wieder diskutiert wurden, aber nicht geplant? Es war die BSW-Fraktion im Stadtrat, die sich für dieses Thema jetzt interessierte.

Beschlossen sind tatsächlich bislang nur drei Netzerweiterungen. „Auf Grundlage erster umfangreicher Untersuchungen hat der Stadtrat 2020 mit der Vorlage VII-DS-00547-NF-01-DS-01 den sofortigen Planungsbeginn für drei prioritäre Netzerweiterungen beschlossen“, erklärt das Mobilitäts- und Tiefbauamt (MTA) in seiner Antwort auf die BSW-Anfrage. Das sind: die Südsehne inklusive begleitender Einbindungstrassen, die Anbindung zum S-Bahnhof Wahren und die Verlängerung Thekla-Süd.

„Darüber hinaus wurde die Verwaltung beauftragt, in einem nächsten Schritt die weiteren Umsetzungsprioritäten (‚zweite Priorität‘) inkl. Öffentlichkeitsbeteiligung zu untersuchen. Die möglichen weiteren Netzerweiterungen, u.a. auch zum Herzzentrum und nach Markkleeberg-West, werden derzeit im Rahmen der zweiten Umsetzungspriorität geprüft“, so das MTA.

„Ziel ist es, anhand eines einheitlichen Kriterienkatalogs potenzielle Neubaustrecken mit realistischem Nutzen-Kosten-Potenzial herauszufiltern. Anschließend erfolgt eine grobe technische und verkehrliche Abschätzung zur Validierung der aussichtsreichsten Korridore. Dies ersetzt jedoch noch keine konkrete Machbarkeitsstudie.

Nach Abschluss der Untersuchung sollen dem Stadtrat mehrere Korridore für eine detailliertere Planung zur Beschlussfassung vorgeschlagen werden. Sollte sich dabei ein hoher verkehrlicher und volkswirtschaftlich sinnvoller Nutzen für die Strecken zum Herzzentrum und in Richtung Markkleeberg ergeben, werden auch diese in die prioritären weiteren Planungen aufgenommen.“

Aber die dabei aufkommenden Zeithorizonte dürften selbst jüngere Stadträte verblüffen, denn gerade bei diesen Projekten ist an eine Umsetzung nicht vor den 2040er Jahren zu denken: „Dabei lässt sich allgemein für Netzerweiterungen im Straßenbahnnetz konstatieren, dass vom Beginn erster Untersuchungen bis zur Inbetriebnahme einer neuen Straßenbahnstrecke, abhängig vom Umfang der Maßnahme und den Rahmenbedingungen, 10 bis 15 Jahre vergehen können. Umwelt-, Denkmal- und Naturschutz, bauliche Anforderungen sowie dringend notwendige Bürgerbeteiligung und -information machen langfristige und gut vorbereitete Planungen erforderlich.“

Die Anbindung des Herzzentrums

„Für die Strecke zum Herzzentrum gibt es daher noch keine Entscheidung, ob diese Strecke in absehbarer Zeit planerisch begonnen wird und es liegt entsprechend kein Zeitplan zur Umsetzung vor“, stellt das MTA fest. „Eine mögliche Erschließung aus zwei Richtungen wird im Rahmen der Bewertung berücksichtigt. Diese würde u.a. Vorteile wie:

• bessere Erreichbarkeit des Herzzentrums,

• Nutzung als Umleitungsstrecke im Straßenbahnnetz und

• mögliche städtebauliche Entwicklung nördlich des Herzzentrums

mit sich bringen. Gleichzeitig entstehen durch mehr Gleislänge aber auch höhere Investitions- und Folgekosten. Die Abwägung der Trassenvarianten erfolgt auf Grundlage einer wirtschaftlichen Bewertung im Rahmen der NKU.

Auf Grundlage der seinerzeit erfolgten ersten Abschätzung der Förderwürdigkeit des Vorhabens kann ein volkswirtschaftlich und verkehrlich sinnvoller Nutzen voraussichtlich erst mit der weiteren Entwicklung des Klinikstandortes sowie mit einer weiteren städtebaulichen Entwicklung des Umfeldes erreicht werden.“

Also wird hier vor einer möglichen Erweiterung des Klinikstandorts wohl nichts passieren.

Die Netzerweiterung „Südsehne inkl. begleitende Einbindungstrassen“

Wesentlich weiter ist die Stadt bei der Netzerweiterung Südsehne, die eine leistungsfähige Verbindung zwischen Grünau und Schleußig, der Südvorstadt und dem Leipziger Osten schaffen soll. Die Trasse soll neue Wohn- und Arbeitsgebiete anbinden und die kapazitiv hoch ausgelasteten Innenstadtstrecken entlasten. Nach einer positiven Machbarkeitsstudie hat der Stadtrat 2024 mit der Beschlussvorlage VII-DS-07403 die Ergebnisse zur Kenntnis genommen, den vorgestellten Streckenverlauf bestätigt und die weiterführende Planung bis zum Abschluss der Phase Null beschlossen.

Aber selbst die aktuell laufenden Untersuchungen sind aufwendig. Aber genau hier wird der Sinn der Streckenführung erst konkret, so bei der konkreten Trassenführung im Bereich Grünau (Teilprojekt „Brünner T“), der Trassenführung im Zentrum-Südost (Teilprojekt „Straße des 18. Oktober“), einer möglichen Weiterführung der Trasse bis in den Nordosten der Stadt inklusive der Verknüpfung im Stadtteilzentrum Reudnitz im Bereich der Haltestelle „Reudnitz, Koehlerstraße“ (Teilprojekt „Hermann-Liebmann-Straße“).

„Erst nach Vorliegen dieser vertiefenden Untersuchungen und der sich daraus ergebenden weiteren Trassengrundlagen kann eine Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) durchgeführt werden“, geht das MTA auf den entscheidenden Zeitpunkt ein, wenn es um eine mögliche Finanzierung des Riesenprojekts geht.

„Diese ist Voraussetzung zur Feststellung einer für eine Umsetzung relevanten Förderwürdigkeit durch Bund und Land und somit für eine Entscheidung über die Realisierung. Der Abschluss dieser Planungsphase samt NKU ist für Ende 2026 vorgesehen. Bei positivem Ergebnis kann dann in eine konkrete technische Planung eingestiegen werden.

Neben den planerischen Themen, die im Rahmen der genannten Untersuchungen vertiefend betrachtet werden, liegen die aktuellen Herausforderungen vor allem im aktuellen Haushaltsansatz, der deutlich hinter den Bedarfen zurückbleibt und wodurch entsprechende Fördermittel – mit bisher unklarem Ausgang – akquiriert werden müssen. Auch die ausgelasteten personellen Kapazitäten stellen immer wieder eine Herausforderung dar.“

In der Informationsvorlage von 2024 hatte das MTA auch erste Schätzungen für die Projektkosten angegeben: „Die Gesamtkosten der Hauptvariante 1 belaufen sich auf 168,8 Mio. € für eine Führung im separaten Bahnkörper bzw. 178,8 Mio. € für eine Führung im Mischverkehr. In Kombination mit den weiteren Kosten gemäß der Variante mit separatem Bahnkörper ergeben sich für die gesamte Variante 2 Gesamtkosten von 184,4 Mio. €. Bei Kombination mit der Variante straßenbündige Führung ab Antonienstraße resultieren voraussichtliche Gesamtkosten von 192,9 Mio. €.“

Mit einem Baubeginn rechnete das Mobilitäts- und Tiefbauamt ab 2029.

Netzerweiterung Markkleeberg-West/Cospudener See

Für heftige Diskussionen sorgte 2015 die Einstellung der Linie 9 vom Connewitzer Kreuz nach Markkleeberg. Diese Stecke übernahm die verlängerte Buslinie 70. Aber schon damals wurden Forderungen laut, eine neue Straßenbahnlinie bis zum Cospudener See zu projektieren. Aber auch dafür gibt es noch keine Planungen, betont das MTA: „Auch für eine mögliche Trasse nach Markkleeberg-West gibt es noch keine Entscheidung, ob diese Strecke in absehbarer Zeit planerisch begonnen wird und es liegt entsprechend noch kein Zeitplan zur Umsetzung vor.

Es werden derzeit mehrere Trassenvarianten untersucht, u.a. auch eine Verbindung über die Koburger Straße zum Cospudener See. Dies entspricht den Prüfaufträgen in den Nahverkehrsplänen der Stadt sowie des Landkreises Leipzig als zuständigem Aufgabenträger für den ÖPNV in Markkleeberg. Für eine Trasse zum Cospudener See ist neben dem notwendigen verkehrlichen Potenzial insbesondere die Lage im sensiblen Naturraum für eine eventuelle spätere Umsetzung zu beachten.“

Stattdessen empfiehlt das MTA hier die Nutzung der Buslinien: „Der Cospudener See ist aktuell im Nordbereich mit mehreren Haltestellen durch die Buslinie 65 im Halbstundentakt angebunden. Zusätzlich fährt von Mai bis September die Buslinie 79 an Wochenenden verlängert ab S-Bahnhof Connewitz zum Cospudener See, sowie täglich während der Sommerferien.

Beide Linien haben an mehreren Punkten attraktive Übergangsmöglichkeiten zu Straßenbahn und S-Bahn aus/in Richtung Innenstadt. Zudem stellt auch die Buslinie 70 ab der Endstelle Markkleeberg-West mit einem Fußweg zum Oststrand des Cospudener Sees eine attraktive Verbindung für Badegäste dar.“

Fazit: Lediglich die „Südsehne“ zeichnet sich in Konturen ab und ein Baubeginn ab 2029 scheint zumindest auf Teilabschnitten möglich.