Herr Wemhoff, sind Sie weiterhin in Feierlaune angesichts der Sorgen, von denen die Kulturwelt wegen der Sparmaßnahmen gerade erfasst ist?
Uns ist trotzdem zum Feiern zumute. Wir haben uns neu aufgestellt, die Reformen vorangebracht und nun ein eigenes Museumsteam für die Insel. Wir arbeiten stärker zusammen – die Archäologie, die Kunst, die Numismatik und verstehen uns als Gemeinschaft, die wir auch nach außen zeigen wollen. Natürlich ist es schwierig. Aber wenn ich darauf schaue, was die Insel in 200 Jahren Geschichte erlebt hat, dann leben wir in einer ziemlich glücklichen Zeit. Vieles ist fertig oder geht seiner Vollendung entgegen. Das ist der richtige Zeitpunkt, um darauf aufmerksam zu machen, dass wir uns auf einem guten Weg befinden.
Sie feiern über fünf Jahre hinweg. Ist das nicht Etikettenschwindel für ein Ausstellungsprogramm, das ohnehin laufen würde?
Vor zwei Jahrhunderten dauerte es ebenfalls fünf Jahre von der Grundsteinlegung bis zur Eröffnung des Alten Museums. In unserem Jahrfünft justieren wir jedes Jahr den Fokus neu: 2025 steht das Alte Museum im Mittelpunkt, ein Jahr später die Alte Nationalgalerie. 2027 ist die Pergamon-Eröffnung der Dreh- und Angelpunkt, 2028 das Neue Museum und 2029 das Bode-Museum.
Mit der Kolonnadenbar wollen wir die Insel stärker in den Herzen der Berliner verankern.
Matthias Wemhoff, Sprecher der Museumsinsel
Stecken nicht eher finanzielle Gründe hinter der Streckung?
Wir möchten die Museumsinsel als Marke stärken, als Ziel Nummer eins für Berlin-Besucher. Die Touristiker haben uns gesagt: So etwas braucht Zeit, wenn es kein Strohfeuer sein soll. Zuletzt ließen uns die vielen Baustellen ins Hintertreffen geraten. Durch die missglückte Kommunikation bei der Pergamon-Schließung dachten alle, dass wir erst 2037 wiedereröffnen, obwohl der Abschluss des ersten Bauabschnitts unmittelbar bevorsteht.
Schmerzt es nicht, dass ausgerechnet zum Jubiläumsstart das populärste Haus geschlossen ist?
Nein, wir haben eine schöne Staffelung mit der Pergamon-Wiedereröffnung in der Mitte, sodass die Aufmerksamkeit auch auf die anderen Häuser gelenkt wird. Das Alte Museum hat viel Potenzial durch seine Entstehungsgeschichte und das damalige Bild von Museum, das sich zehn Jahre später in der Konzeption des Neuen Museums ganz anders darstellte. Während im Alten Museum hoch qualitätvolle Kunst gezeigt wurde, nämliche antike Skulpturen und Gemälde, hatte das Neue Museum ab 1840 die Vermittlung einer umfassenden Kulturgeschichte zum Ziel. Diese Aspekte können wir nun herausarbeiten und die Fülle der Museumsinsel nach vorne bringen.
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Sie investieren viel in Programm und Werbung, an 50 Abenden öffnet die Kolonnadenbar. Gleichzeitig ist der freie Museumssonntag gestrichen und wurden die Öffnungszeiten reduziert. Wäre dort nicht eher ein Investment nötig?
Die Streichung des Museumssonntags ist ein schwerer Einschnitt. Andererseits haben wir immer noch viele Besucher, die Zahlen steigen. Der Unterhalt eines Weltkulturerbes kostet, und die meisten sind bereit, dafür zu zahlen. Gerade zum Jubiläum gibt es für Berliner günstige Angebote. Mit der Kolonnadenbar wollen wir die Insel stärker in den Herzen der Berliner verankern als einen Ort, an dem sich Spree-Athen spüren lässt. In den ersten Jahren nach der Wende fanden hier Festivals statt, der Garten vor der Alten Nationalgalerie war damals noch nicht gestaltet und von den Touristen übernommen. Wir möchten ihn zurückgeben im Sinne einer Freistätte für Kunst und Wissenschaft, wo sich auch die Berliner erholen und auf neue Gedanken kommen können. Deshalb werben wir mir dem Inselmotiv: Raus aus dem Alltag, rauf auf die Insel als Kraftort mitten in Berlin.
Start für die Museumsinsel war vor 200 Jahren mit der Grundsteinlegung für das Alte Museum. Die große Jubiläumsausstellung wird dort am 9. Juli eröffnet.
© SPK / Stefan Müchler
Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner wünscht sich, dass in den nächsten fünf Jahren jede Berliner Schulklasse einmal die Insel besucht. Halten Sie das für realistisch?
Wir gehen offensiv auf die Schulen zu und laden sie ein. Für viele Klassen ist es eine Herausforderung angesichts der dichten Lehrpläne, sich Zeit dafür zu nehmen. Aber wir organisieren für die Schulen eigene Tage oder für ganze Jahrgangsstufen etwa den Besuch der Afrika-Ausstellung.
Raus aus dem Alltag, rauf auf die Insel
Motto zum Jubiläum der Museumsinsel
Für das Jubiläum mussten Sie auf Sponsorensuche gehen. War das schwierig?
Die Museumsinsel ist eine Marke, die nachgefragt wird. So haben wir mit Flix einen Vertrag geschlossen, inzwischen fahren Busse mit einer Abbildung der Nofretete auf der Rückseite durch Deutschland. Auch die Tickets sollen mit einem Hinweis auf die Insel versehen werden. Diese Kooperation ist für uns doppelt interessant, denn dadurch erreichen wir ein anderes Publikum. Das sind nicht die klassischen Kultur-Touristen, die mit der Bahn kommen, sondern ein jüngeres Publikum. Außerdem starten wir eine Aktion mit DHL. Zum Inseljubiläum eröffnen wir ein Kinderpostamt. Kartenschreiben kommt wieder in Mode. Gleichzeitig fragen immer mehr Unternehmen nach, ob sie ein Mitarbeiterevent bei uns machen können.
Stimmen Sie also Ex-Kultursenator Joe Chialo zu, der den Institutionen empfahl, sich selber um die Finanzierung zu kümmern?
Das Problem der Unterfinanzierung lässt sich auf diese Weise gewiss nicht lösen. Trotzdem brauchen wir weiterhin ein intensives Kultursponsoring. Wir waren schon vorher auf das Inselkuratorium und ähnliche Einrichtungen für die Realisierung von Ausstellungen angewiesen. In Berlin ist es schwierig, Förderer zu finden. Hier gibt es weniger mittelständische Unternehmen als in Westfalen, woher ich komme. Die hier eher ansässigen Aktiengesellschaften haben feste Vorgaben, die sie einhalten müssen, bevor sie überhaupt in Kultur investieren dürfen. Ich würde vor zu hohen Erwartungen warnen.
Sie wünschen sich mehr Events. Gibt es da eine Grenze für Sie?
Die Formate müssen mit der Insel verträglich sein, ein riesiges Rockkonzert geht bei einer gestalteten Anlage nicht. Aber in den Kolonnaden innezuhalten, sich auszutauschen und zu tanzen, das passt. Die Bertelsmann-Stummfilm-Nächte erweitern sich außerdem; wir werden noch viele andere Kulturinstitutionen präsentieren, die unterschiedlichen Sparten vernetzen: das Theater, Staatsballett, die Rundfunkchöre. Und das nicht nur im Sommer, auch im Winter. Aber wir schaffen uns dafür gerade erst die Strukturen, um solche Veranstaltungen zu managen und brauchen Verstärkung.
Flaggschiff Pergamon-Museum: Ausgerechnet zum Jubiläum ist das bekannteste Haus der Museumsinsel noch Baustelle und geschlossen. 2027 wird der erste Teilabschnitt wiedereröffnet.
© dpa/Jens Kalaene
Woran fehlt es?
Unsere bisherigen Kräfte sind nicht ansatzweise vergleichbar mit anderen Teams für solch große Veranstaltungen. Daher muss die Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz weitergehen. Zum Beispiel fließen die Mehreinnahmen aus dem Ticketverkauf nicht direkt an uns zurück, die wir eigentlich gut für den Besucherservice nutzen könnten.
In Berlin ist es schwierig, Förderer zu finden.
Matthias Wemhoff, Sprecher der Museumsinsel
Wie bekommen Sie das wachsende Müllproblem auf der Insel in den Griff?
Erst gestern haben wir deswegen wieder zusammengesessen. Seit Corona hat der Respekt vieler Leute gegenüber ihrer Umwelt abgenommen. Inzwischen laufen mehrere Sicherheitsleute die ganze Nacht Streife, um die größte Vermüllung zu verhindern. Die Reinigungsdienste sind permanent unterwegs. Während der Laufzeit der Kolonnadenbar ist alles geregelt, die Menschen verhalten sich ordentlich – bis der Getränkeverkauf eingestellt ist, die Toiletten geschlossen sind. Hinterher sieht es oft verwahrlost aus, wie in Berlins Parks. Ich weiß auch nicht, wie wir damit auf Dauer verfahren.
Zur Person Matthias Wemhoff
© SPK / Photothek / Sebastian Rau
Matthias Wemhoff (1964 in Münster geboren) ist Sprecher der Museumsinsel und Mitglied des Interimsvorstandes der Staatlichen Museen zu Berlin. Der Mittelalter-Archäologe leitet als Direktor das Museum für Vor- und Frühgeschichte und ist Berlins Landesarchäologe. Außerdem lehrt er am Institut für Prähistorische Archäologie der Freien Universität.
Andere Museen schließen die Zäune um ihre Einrichtung.
Das wollen wir eigentlich nicht. Früher gab es die Vorstellung, man müsse auch nachts rund ums Pergamonmuseum spazieren können. Wegen der vielen dunklen Ecken geht das heute aus Sicherheitsgründen nicht mehr. Wir müssen deshalb unser Sicherheitskonzept entsprechend anpassen.
Wo stehen Sie im Vergleich mit anderen Weltkulturerbestätten: dem Louvre oder dem British Museum?
Die Insel ist viel interessanter als die anderen, denn sie vermittelt einen anderen Zugang zu musealer Geschichte. Durch die fünf Gebäude aus fünf verschiedenen Epochen zeigt sich, wie abhängig die Wahrnehmung vom jeweiligen Zeitempfinden ist. Beim Louvre wurden praktisch nur die Schlosssäle umgenutzt. Beim British Museum ist es ebenfalls ein großer architektonischer Wurf, nun mit verändertem Eingangsbereich. Bei uns lassen sich die Objekte in unterschiedlichen Architekturen erleben, was für die Besucher viel angenehmer ist. Diese Vielfalt an Räumlichkeiten führt zu einer anderen Aufnahmefähigkeit, einer anderen Erfahrung als bei Saalfluchten.
Die Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz „Wir wollen aus den Häusern das Beste rausholen“
Und wie sieht es bei den Besucherzahlen aus?
Wir befinden uns im einstelligen Prozentbereich, verglichen mit dem Louvre oder British Museum. Wir können uns nicht ansatzweise mit diesen Institutionen messen, allein durch die geringeren Anflüge am BER. In Paris oder London landen Flüge in großer Zahl aus aller Welt, in Berlin starten vielleicht drei am Tag nach Übersee. Etwa 70 Prozent unserer Besucher kommen mit der Bahn; wir haben letztlich einen deutschen, ansatzweise europäischen Tourismus und sind mit zwei, drei Millionen Besuchern schon gut aufgestellt. Mehr internationales Publikum hätte Konsequenzen für die Erschließung der Museen. Dann gäbe es eine Fastline zu den drei Höhepunkten, und schon sind die Besucher wieder raus wegen der begrenzten Zeit. Bisher ist der Weg zur Nofretete noch entspannt.
Das Jubiläum soll durch Events und Ausstellungen Glanz erzeugen. Aber wie erglänzen die Gebäude? Was bleibt nach dem Fest?
Tatsächlich gibt es ein Anliegen. Wir feiern in diesem Jahr das Alte Museum, das Haus ist ein Sanierungsfall mit den Insel-typischen Problemen: schlechte Fundamente und sinkende Baumasse. Die Planung für die Sanierung müsste endlich beginnen, Konzepte liegen schon vor. Es wäre gut, wenn im Laufe dieses Jubiläumsjahres die Entscheidung fällt. Dann wären alle fünf Häuser der Insel saniert. Wir beseitigen immer noch die Kriegsfolgen.
Das Insel-Jubiläum
Mit einem Auftaktwochenende rund um den UNESCO-Welterbetag startet die Museumsinsel in das Jubiläumsjahrfünft. Das Inselfest vom 30. Mai bis 1. Juni findet in den Museen und rund um die Häuser bis in die Abendstunden hinein statt. Die Veranstaltungen im Außenbereich sind kostenfrei. Für das Jubiläum wurden eigens Tickets neu aufgelegt: Während das Tagesticket (14 Euro, ermäßigt 7 Euro) normalerweise nur für ein Museum gilt, können am Festwochenende damit alle sechs Häuser, das Alte Museum, das Neue Museum, die Alte Nationalgalerie, das Bode-Museum, das Panorama Pergamonmuseum und die James-Simon-Galerie, besucht werden.
Der Welterbetag am Sonntag, den 1. Juni, wird mit einem Festakt um 11 Uhr gefeiert, den die neue Stiftungspräsidentin Marion Ackermann an ihrem ersten Arbeitstag eröffnet. Anfänge der Insel und Anfänge der Menschheit sind die Schwerpunkte des ersten Jahres im Jubiläumsjahrfünft. Die Hauptausstellung im Alten Museum als Keimzelle der Museumsinsel wird am 9. Juli eröffnet, an dem vor 200 Jahren der Grundstein für das von Karl Friedrich Schinkel entworfene Museum im Berliner Lustgarten gelegt wurde. Aber schon jetzt zeigen James-Simon-Galerie, das Neue Museum und das Bode-Museum Sonderausstellungen. Mehr Informationen zum Programm unter: www.mi200.de
Die Museumsinsel soll Ort „gelebter Toleranz“ sein. Wie lässt sich dies umsetzen?
Beim Multaka-Programm im Museum für Islamische Kunst bieten Menschen aus den Herkunftscommunitys Führungen an und erklären, was ihnen bestimmte Objekte bedeuten. Das Angebot wird mit der Pergamon-Wiedereröffnung weiter ausgebaut.
Wir beseitigen immer noch die Kriegsfolgen.
Matthias Wemhoff, Sprecher der Museumsinsel
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Werden Sie mit Ausläufern des Nahost-Konflikts konfrontiert?
Das ist bei uns noch nicht so ausgeprägt. Aber es herrscht eine gewisse Vorsicht, denn unsere Museen arbeiten direkt mit den Ländern zusammen. Bisher mussten wir unser Programm nicht groß einschränken.