2005: Traum vom Erstliga-Handball in Berlin

Rückblick ins Jahr 2005: Als Bob Hanning zu den Füchsen Berlin kam, war der Hauptstadtklub nicht mehr als eine sehr graue Maus mit Erstliga-Vergangenheit. Platz 12 in der damals noch zweigleisigen 2. Bundesliga Nord mit 31:37 Zählern. „Wir sind nicht weit weg von der Bundesliga. Wenn Berlin Erstliga-Handball will, dann bekommt Berlin Erstliga-Handball“, hatte Hanning damals formuliert.

Einer der Bausteine war der Umzug vom beschaulichen Horst-Korber-Sportzentrum am westlichen Ende der Stadt in die Max-Schmeling-Halle ins Zentrum, die sich mittlerweile als Fuchsbau etabliert hat. „Wir reden ja im Moment von mittelmäßigem Zweitliga-Handball, von einer Mannschaft fast ohne große Namen. Wenn die Medien die Sache nicht mit aufbauen, ist das Projekt sofort tot“, so Hanning damals.

Aufstiegshelden wie Ohle, Matz oder Schücke

„Meine Philosophie einer Mannschaft ist die: Es wird ein paar internationale Top-Stars, einige deutsche Nationalspieler und dazu Berliner Jungs im Team geben. Wir wollen, dass sich die Leute mit dem Team identifizieren können. Das braucht aber ein wenig Zeit“, hatte der Manager gleich zu Beginn seiner Amtszeit im Jahr 2005 gesagt, nachdem mit dem damaligen Nationalspieler Christian Rose der erste personelle Aufschlag schon vollzogen war.

Im Anschluss kam dann Jörn-Uwe Lommel. „Ich brauche einen starken Trainer, eine richtige Persönlichkeit, mit der ich mich auf Augenhöhe unterhalten kann. Das kann ich zum Beispiel mit Jörn-Uwe Lommel. Er ist als Spieler Meister geworden, hat über hundert Länderspiele, über zehn Jahre Aufbauarbeit in Niederwürzbach geleistet, war in Essen. Dann ist er nach Ägypten gegangen und ist Afrikameister geworden.“

Zur Saisoneröffnung kam damals die SG Flensburg-Handewitt mit Spielern wie Lars Christiansen, Glenn Solberg, Joachim Boldsen oder Marcin Lijewski, siegte locker mit 38:23. An Spieler wie Torhüter Carsten Ohle, Stefan Matz oder Christian Schücke werden sich nur noch die eingefleischten Berliner Fans erinnern.

Zweitliga-Meisterschaft mit 17 Dauerkarten

Nach einer Saison, die mit Platz 13 und 36:40 Zählern eher durchwachsen war, starteten die Füchse durch, stiegen 2007 mit 64:4 Zählern in die 1. Handball-Bundesliga auf. „In der letzten Saison haben wir nur 17 Dauerkarten verkaufen können – eigentlich waren es sogar nur 15, weil ich meinen Eltern gesagt habe, dass sie hier nicht einfach umsonst reinkommen“, blickt der Füchse-Macher nach dem Aufstieg schmunzelnd zurück. „Für die kommende Saison haben die Berliner Handball-Fans bereits über tausendmal bei den Dauerkarten zugegriffen.“

„Für uns beginnt die Bundesliga ab Platz 9/10“, hatte Hanning erklärt, am Ende schlossen die Füchse die Debütspielzeit mit 25:43 Zählern als Zwölfte ab – oder in Hannings Rechnung als Dritter bzw. Vierter. „Den Klassenerhalt in der zweiten Liga haben wir ebenso geschafft wie den Aufstieg in die erste Liga und nun im dritten Jahr dort den Klassenerhalt. Diese Phase ist nun vorbei, es sind noch viele Baustellen da, bis hier ein festes Konstrukt auf gesicherten Füßen steht“, so Hanning.

Der Manager betonte damals in seinem Zwischenfazit: „Unsere Ziele haben wir in ´goldenen Regeln´ zusammengefasst, die die Entwicklung der nächsten Jahre bestimmen werden. Dazu gehören der Aufbau eines langfristigen Jugendkonzeptes mit dem wir jedes Jahr das Jugendzertifikat der HBL erhalten, die Integration Berliner Spieler in das Team und dabei soll solides Wirtschaften dem sportlichen Erfolg vorgehen.“

„Die wichtigsten Sponsoren sind unter anderem unsere Zuschauer, im Schnitt kommen über 6.000 Zuschauer in den Fuchsbau. Das zeigt uns, dass der Handball in der Stadt adaptiert wird. Die Neuzugänge in der Winterpause waren quasi die Dividende für die Fans“, hatte der Füchse-Manager damals betont und den Aufstieg in die nationale Spitze langfristig mit einem neuen Fünf-Jahres-Vertrag geplant.

Dann gibt es das „Gehalt in der Heimatwährung“

Die Füchse waren damals eine Multi-Kulti-Truppe, mit Spielern aus Frankreich, Polen, Norwegen und Ägypten. „Andere Mannschaften setzen da auf Spieler aus einer Nation, das hat sicherlich seinen Charme. Es wird mir bei den Füchsen auch noch zu viel englisch gesprochen. Jeder Spieler bekommt bei uns aber die volle Unterstützung um Deutsch zu lernen“, so Bob Hanning.

Der Geschäftsführer der Füchse Berlin lieferte auch vor dem Start der zweiten Spielzeit in der Handball Bundesliga unterdessen Stofff für Schlagzeilen in der gerade im Sportbereich umkämpften Medienlandschaft in der Hauptstadt: „Ich habe der Mannschaft kürzlich gesagt, dass ab September nur noch Deutsch gesprochen wird. Sonst gibt es das Gehalt statt in Euro in der Heimatwährung.“

Nach vier Jahren wurde unterdessen Trainer Jörn-Uwe Lommel durch Dagur Sigurdsson ersetzt, auch personell gelangen in den Folgejahren Transfercoups wie von Silvio Heinevetter (2009), Iker Romero (2011), Hans Lindberg (2016) oder zuletzt Mathias Gidsel (2022).

Hanning auch der Star-Architekt

Andere wurden in Berlin zu Stars: Wie der Österreicher Konrad Wilczynski, der 2006 in die Hauptstadt kam und 2008 Torschützenkönig der HBL wurde. Oder auch Spieler wie Paul Drux, Fabian Wiede, Nils Lichtlein oder Tim Freihöfer, die alle aus dem eigenen Nachwuchs den Sprung in die Erstligamannschaft und ins Nationalteam schafften.

„Wir haben in Berlin eine Sportart etabliert, die viele Jahre gar nicht mehr existent war“, so Hanning im Jahr 2011 nach der ersten Qualifikation für die EHF Champions League zu einem bedeutenden Schritt in der Entwicklung des Vereins zu einem der Spitzenteams in der Bundesliga. Auch wenn der Geschäftsführer der Füchse Berlin mit Blick auf die finanziellen Möglichkeiten seinerzeit relativierte: „Wir sind ein Klub, der mit einem Budget spielt, dass für die Plätze sieben bis neun ausreicht.“

Doch in den Folgejahren etablierten sich die Berliner nicht nur sportlich in der nationalen Spitze, sie entwickelten sich auch wirtschaftlich neben dem Partkett – und füllten den Trophäenschrank: 2014 mit dem DHB-Pokal den ersten nationalen Titel, anschließend auch den EHF-Pokal bzw. die EHF European League dreimal (2015, 2018, 2023) und wurden zweimal Vereinsweltmeister (2015, 2016). Hinzu kamen zahlreiche Titel im Jugendbereich.

Selbst der Trainer ist ein Eigengewächs

Wie langfristig der Erfolg bei den Füchsen geplant wurde, zeigt vor allem eine Personalie – die von Trainer Jaron Siewert. Bob Hanning schickte das Eigengewächs, das gemeinsam mit Paul Drux mit den Füchsen Meister in der Jugend geworden war, 2017 zur „Lehre“ zu seinem Ex-Verein TUSEM Essen, um dort Erfahrung zu sammeln.

Berlin überbrückte die Zeit nach dem Abgang von Sigurdsson und der nicht geglückten isländischen Kontinuität durch Erlingur Richardsson mit den Engagements von Velimir Petkovic und kurzzeitig auch Michael Roth. Doch seit 2020 ist mit Siewert mittlerweile in der Hauptstadt auch ein Eigengewächs an der Seitenlinie.

Die 2020 gestartete Kooperation mit dem 1. VfL Potsdam ist ein weiterer Meilenstein. „Mit der Kaderplanung und den damit einhergehenden professionalisierten Strukturen ist die Wahrscheinlichkeit eines Aufstiegs des VfL in die zweite Liga deutlich gestiegen. Neben anderen guten Kooperationen ist es für uns von großer Bedeutung, einen solchen Verein vor der Haustüre zu haben, um unseren Talenten noch mehr Flexibilität in ihrer Entwicklung geben zu können“, so Bob Hanning.

Potsdam spielte damals ebenso wie die Reserve der Füchse Berlin in der 3. Liga. Bob Hanning übernahm als Trainer, führte den Klub in die 2. Bundesliga – und so bot sich Berlin die Chance der eigenen Jugend in drei unterschiedlichen Klassen Spielpraxis geben zu können. Die nächsten Talente wie Tim Freihöfer oder Max Beneke schafften so den Sprung ins Nationalteam –  und feierten mit Potsdam sogar den Aufstieg in die 1. Bundesliga.

Trainer Hanning sprach von einem Betriebsunfall, der aber genutzt wurde, um weitere Bundesliga-Spieler reifen zu lassen. Für den Klassenverbleib reichte es am Ende nicht, aber nächste Saison bietet sich wieder die Option über die verschiedene Ligen hinweg auszubilden. Und, vielleicht reicht es nicht nur für die Champions League – vielleicht sind die Füchse Berlin in der nächsten Saison ein „Meister-Betrieb“.