Zum Abgang von Unions Stürmer
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Hollerbach geht und Heldt gewinnt Profil
Bild: imago images/Matthias Koch
Mit Benedict Hollerbach verliert Union Berlin seine Lebensversicherung der letzten Saison. Weil Horst Heldt ihn für viel Geld verkauft hat und Ersatz schon in Sicht ist, könnte Unions Sportgeschäftsführer trotzdem profitieren. Von Till Oppermann
Benedict Hollerbach verlässt den 1. FC Union Berlin deutlich leiser als er gekommen ist. Bei seinem Transfer vor zwei Jahren bestimmte er die Boulevard-Schlagzeilen – obwohl er aus der dritten Liga kam. Weil Hollerbach trotz Zusage den 1. FC Köln und seinen damaligen Trainer Steffen Baumgart versetzte, prophezeite ihm ebenjener öffentlich, er werde bei Union untergehen.
Weil sich dann auch noch jemand seinen Instagram-Account genauer ansah und herausfand, dass Hollerbach rechten Podcastern und diversen Nacktmodels folgte, diskutierten endgültig alle über den Blondschopf. Als Union am Sonntag mitteilte, dass der Topscorer zu Mainz 05 wechselt, ging es deutlich ruhiger zu. Zwar hatte Hollerbach schon öffentlich gesagt, dass er im Europapokal spielen wolle und einen Wechsel nicht ausschließe. Aber dass Conference-League-Teilnehmer Mainz ihn kaufen würde, konnten alle Parteien bis zum Ende geheim halten. Sicher ist auch das Teil seines Reifeprozesses, den der Mainzer Sportdirektor Nico Bungert lobte: „Bei Union hat er in den vergangenen beiden Jahren auf und neben dem Platz eine tolle Entwicklung genommen.“
Hollerbach wird eine Lücke hinterlassen
Nach 65 Spielen für Union geht der ehrgeizige Angreifer nun also den nächsten Schritt. Hollerbach will schnellstmöglich in die Nationalmannschaft. Und dafür braucht er nach zwei Jahren im Abstiegskampf eine größere Bühne. So hatte er es gegen Ende der vergangenen Saison in einigen Interviews schon angedeutet. Zu oft gab Hollerbach im Berliner Sturm den Alleinunterhalter. Bei Sprints, intensiven Läufen und der Laufdistanz gehört er zu den besten Spielern der Bundesliga. Auch weil die Eisernen mangels eines funktionierenden Offensivspiels oft auf seine Intensität angewiesen waren, um gefährlich zu werden.
Insofern ist Hollerbachs Abgang ein Risiko. Viele seiner 14 Tore in den letzten beiden Saisons sicherten wichtige Punkte, ohne die Union wahrscheinlich abgestiegen wäre. „Er ist ein Spieler, der immer mit hoher Intensität arbeitet – im Spiel wie im Training“, kommentierte Sport-Geschäftsführer Horst Heldt. Auch abgesehen von seinen Toren war Hollerbach auffällig. Es ist selten, dass ein Spieler in Interviews direkt nach dem Spiel so klar analysiert, was der Mannschaft fehlte. Mit seinem Ehrgeiz trieb der 24-Jährige auch seine Mitspieler vor sich her.
Er wird fehlen, das ist klar. Dass die Klagen über den Transfer in Unions Umfeld trotzdem eher leise ausfallen, hat verschiedene Gründe. Zuallererst wäre da eine horrende Ablösesumme. Je nach Quelle bezahlt Mainz zwischen zehn und zwölf Millionen Euro – also mindestens fünfmal so viel, wie Union vor zwei Jahren zahlte. Hollerbach ist damit außerdem der erste Erfolg einer neuen Strategie. Lange war der 1. FC Union dafür bekannt, auf erfahrene Spieler zu setzen und stellte eine der ältesten Mannschaften der Bundesliga. Mittlerweile setzen die Köpenicker verstärkt auf entwicklungsfähige Spieler, die sie im besten Fall irgendwann für viel Geld verkaufen wollen.
Hollerbachs Vorbild sollen Spieler wie Leopold Querfeld, Tom Rothe oder Livan Burcu folgen. Auch der Zeitpunkt des Wechsels spricht für Union. Der Wechsel zwei Wochen nach Saisonende ermöglicht Planungssicherheit. Das lief in den letzten beiden Jahren bei wechselwilligen Spielern wie Sheraldo Becker oder Robin Gosens anders. Sie gingen entweder gar nicht oder erst in letzter Minute und banden wichtige Ressourcen, um den Kader zu verstärken. Dass rund um Hollerbachs Abgang diverse Medien berichteten, Union habe Andrej Ilic nach seiner Leihe und den schnellen Zweitligastürmer Ilyas Ansah aus Paderborn gekauft, ist kein Zufall. Das Geld hilft, um umworbene Wunschspieler zu finanzieren, solange sie noch zu haben sind.
Die Mannschaft bekommt ein neues Gesicht
Sollte Ansah tatsächlich kommen, hat Union mit ihm, dem ablösefreien Oliver Burke und Leihrückkehrer Burcu bereits drei Spieler im Kader, die Hollerbachs Tempo teilweise sogar noch übertreffen und im Dribbling ähnlich glänzen wie ihr Vorgänger. Trainer Baumgart bekommt so noch mehr Möglichkeiten, sein Offensivspiel zu variieren. Sein Chef Heldt kann ebenfalls zufrieden sein. Schließlich steht ihm noch ein langer Sommer bevor. In der Abwehr möchte er den aussortierten Kevin Vogt loswerden. Außerdem liebäugeln Diogo Leite und Danilho Doekhi mit Wechseln zu Vereinen im Europapokal.
Sollten sie alle gehen, muss Heldt die Defensive rund um Shootingstar Querfeld komplett neu formieren. Und dann hat er noch den klaren Auftrag, den Kader zu verkleinern und dazu im besten Fall noch Geld zu sparen. Das alles auf einmal ist ziemlich kompliziert. Zumal viele Fans Heldts Wirken nach der chaotischen Stürmersuche im letzten Sommer und der schnellen Entlassung von Bo Svensson kritisch sahen. Nach seinem Umgang mit Hollerbachs Wechselwunsch ist das Vertrauen in den Sportchef gestiegen. „Wir bedanken uns bei ihm für seinen Einsatz und wünschen ihm für seinen weiteren Weg alles Gute“, sagte Heldt zu Hollerbachs Abgang. Dass er selbst bald solche trockenen Abschiedsworte zu hören bekommt, wird immer unwahrscheinlicher.
Sendung: rbb24, 01.06.2025, 22 Uhr