Ein packender Spionagethriller von Nick Harkaway, ein ausgesprochen eleganter Roman über die Kargheit des Lebens und völliges Verschwinden von Christian Kracht, verpasste Chancen zwischen luxuriösen Dinnerpartys in Nigeria in „Dream Count“ von Chimamanda Ngozi Adichie oder die faszinierende Familiengeschichte des Ost-Berliner Stararchitekten Henselmann als Roman verpackt. Die tip-Redaktion empfiehlt 15 Bücher, die man 2025 gelesen haben sollte.

1. „Smiley“ von Nick Harkaway

„Smiley“ von Nick Harkaway ist ein packender Spionagethriller, der tief in die Welt der Geheimdienste eintaucht. Der Roman folgt dem ehemaligen Agenten Spads, der nach einem verpfuschten Einsatz aus dem Dienst entlassen wurde. Doch als eine rätselhafte Mordserie beginnt, die auf eine alte Verschwörung hindeutet, wird er erneut hineingezogen. Harkaway verbindet gekonnt klassische Spionageelemente mit Gesellschaftskritik, Humor und rasanter Action. Der Roman thematisiert Überwachung, Korruption und die Schattenseiten der Macht, während er mit einem scharfzüngigen Stil und komplexen Charakteren überzeugt. (LuG)

  • Ullstein Verlag, 368 S., 24,99 €

2. „Air“ von Christian Kracht

Ein Inneneinrichter auf der Suche nach dem perfekten Weiß, auf dem Weg von seinem Wohnort auf den Orkney-Inseln Richtung Stavanger, Redaktionssitz der wohl stilvollsten Zeitschrift auf dem Planeten: Was zunächst so typisch Kracht’sche Reflexionen über vollendete Ästhetik andeutet, bricht dieses vermeintliche Versprechen schnell und wird zu einem großen, ausgesprochen eleganten Roman über die Kargheit des Lebens und völliges Verschwinden. (CHW)

  • Kiepenheuer & Witsch, 2025, 224 S., 25 €

3. „Hundert Wörter für Schnee“ von Franzobel

Der österreichische Schriftsteller karikiert in seinem vergnüglichen Roman die Großmannssucht hinter Polarexpeditionen im Zeitalter des Kolonialismus – am Beispiel von Robert Edwin Peary. Er entfaltet eine fast schon popliterarische Groteske, die den besessenen Forscher und seine Handlanger in ein fragwürdiges Verhältnis zu den Inuits auf Grönland setzt. Leser können sich dabei historisches Wissen über das unwirtliche Eiland aneignen. Angesichts der jüngsten Eroberungsfantasien Donald Trumps ein tagesaktueller Mitnahme-Effekt. (WU)

4. „Das Narrenschiff“ von Christoph Hein

Mit seinem neuen, 750 Seiten mächtigen Roman schreibt Christoph Hein seinen durch Werke wie „Der Tangospieler“ (1989), „Willenbrock“ (2000) oder „Landnahme“  (2004) längst beglaubigten Ruf als präziser wie durchdringender Chronist der ostdeutschen Nachkriegsgeschichte mit geduldiger Wucht und schnörkelarmer Ausführlichkeit weiter. Die Geschichte von Kathinka, die Hein im Buch erzählt, ist die seiner langjährigen, 2002 verstorbenen Ehefrau Christiane Hein, einer Filmregisseurin. Durch seine Hauptfiguren spiegelt Hein viele bekannte historische Wegemarken der DDR. Staatsgründung, 17. Juni 1953, SED-Kulturkahlschlagsplenum, Mauerbau, Mauerfall, Abwicklung des Landes. Und es scheint, dass das Narrenschiff eigentlich schon leck geschlagen war, als es mit Elan und Wagemut in See stach. (RIK)

5. „Dream Count“ von Chimamanda Ngozi Adichie

Ihr Durchbruch gelang Adichie mit dem beeindruckenden „Americanah”: Die Figuren waren so vielschichtig, dass die Messlatte für ihren neuen Roman hoch ist. In ihren Büchern thematisiert sie Rassismus und Sexismus, ohne belehrend oder vorwurfsvoll zu schreiben. Stattdessen gelingt es ihr, Missstände allein durch präzise Beobachtung aufzudecken. „Dream Count“ hinterfragt verpasste Chancen zwischen luxuriösen Dinnerpartys in Nigeria und unbeholfenen Schwangerschaftstests im WC: Adichie schafft es oft, die Momente ausfindig zu machen, die ein ganzes Leben verändern – hoffentlich auch diesmal. (DR)

  • S. Fischer Verlag, 528 Seiten, 28 €

6. „bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann” von Oliver Lovrenski

2003 geboren, in Oslo aufgewachsen, kroatische Mutter, norwegischer Vater: Oliver Lovrenski ist einer der Shooting Stars Norwegen, Gastland der Leipziger Buchmesse 2025. Diese Prosa pulsiert so unmittelbar wie Rap-Lyrics. Seinen neuen Roman „bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann” (Hanser Berlin, übersetzt von Karoline Hippe) textete er teils ins Handy. Kurze, kraftvolle, splitterhafte Kapitel über Kumpels, Labern, Scheiße bauen, Träume, Trümmer, Drogen, Knast, Panik, Bullen: „ich verlier mich, mit jedem tag der vergeht verschwinde ich wie der sand aus deiner hand”. (RIK)

  • Hanser Berlin, 256 S., 22 €

7. „Wiederholung“ von Vigdis Hjorth

Vigdis Hjorth ist eine der wichtigsten norwegischen Schriftsteller:innen der Gegenwart. Im Frühjahr ist ihr neuer Roman „Wiederholung” (S.Fischer, Übersetzung: Gabriele Haefs) erschienen. Eine Hütte in Nordmarka, dem Waldgebiet rund um Oslo. Eine Frau läuft mit ihrem Hund durch die Nacht, versetzt sich zurück in die 16-Jährige, die sie 1975 war. Sie erinnert sich an die Angst ihrer Mutter, sie könnte trinken, mit Jungs schlafen, vor die Hunde gehen: „Ihre Angst dichtete mich zurecht, denn Angst und Dichten gehören zusammen.” Und ein Trauma, das nicht vergeht. (RIK)

  • S. Fischer Verlag, 160 S., 22 €

8. „Twist“ von Colum McCann

Der Schriftsteller und ehemalige Journalist Colum McCann ist bekannt für Prosa über Themen, die die Welt bewegen wie den Nahostkonflikt. Sein neuer Roman „Twist“ handelt von den Unterseekabeln, durch die der Großteil unserer digitalen Daten fließt. Und wenn Saboteure oder Naturkatastrophen sie zerstören, schwanken Zivilisationen. Sie müssen repariert werden, auf hoher See. Auf solch ein Reparaturschiff schickt McCann einen Reporter. Dieser eigentlich den Fakten verpflichtete Mann zeigt sich zunächst als unzuverlässiger Erzähler. Denn mehr als für Kabel und Ozeane interessiert er sich für das Privatleben von Conway, Chef der Technikcrew. Wie sich herausstellt, zu Recht. Denn Conway ist verzweifelt über Verwerfungen, die Digitalität privat wie politisch auslösen kann, und steuert in ein Desaster. „Twist“ erhellt, wie wenig Menschen trotz aller verfügbaren Informationen voneinander wissen.  (CWA)

9. „Sohn ohne Vater“ von Feridun Zaimoglu

Dieser Jahre sterben die Eltern der sogenannten geburtenstarken Jahrgänge. Auch der Held im neuen Roman des Kieler Schriftstellers Feridun Zaimoglu hat seinen Vater verloren. Nun will er zu seiner Mutter in die Türkei. Doch er hat Flugangst. Also begleiten wir ihn auf seiner langen Autofahrt in den Süden: „Sohn ohne Vater“ ist ein postmigrantischer Reise-, Schelmen- und Familienroman. Erneut erzählt Zaimoglu sprachgewaltig, doch demütiger als sonst. Denn die abenteuerliche Fahrt bietet Gelegenheiten für große Gedanken – und für kleine wie: „Was hat Vater mir als Kind gesagt? Wenn du aus dem Haus gehst, zieh die Schuhbänder fest und streich die Hose an den Knien glatt. Ich halte mich daran.“ So ist es, wenn einer trauert. (CWA)

  • Kiepenheuer & Witsch, 280 S., 24 €

10. „Der Fall Brooklyn“ von Jonathan Lethem

Der grandiose amerikanische Erzähler Jonathan Lethem kehrt mit seinem neuen Roman „Der Fall Brooklyn” zurück in das Viertel seiner Kindheit. Hauptdarsteller ist die Dean Street, auf der sich die Ganoven und Gangster, die rich kids und die Jungs aus der Hood wie auf einer großen Bühne versammeln. Dort, wo die großen Träume aufgeführt werden. Träume, die sich vielleicht erfüllen, aber wahrscheinlich platzen, wie Seifenblasen im Wind.

  • Klett-Cotta, 448 S., 26 €

11. „Striker“ von Helene Hegemann

Fast sieben Jahre nach ihrem letzten, für den Deutschen Buchpreis nominierten Roman „Bungalow” legt die multitalentierte Berliner Schriftstellerin, Filmemacherin, Regisseurin und seit vergangenem Jahr auf Literatursendungs-Host Helene Hegemann einen neuen, rasanten Berlin-Roman vor. Eine Kampfsportlerin, die sich mit aller Gewalt auf einen neuen Fight vorbereitet und mit einer Politikerin schläft, findet rätselhafte Tags eines im Netz bekannten Sprayers an der Wand vor ihrem Fenster vor. Und vor ihrer Tür steht eine ebenso rätselhafte Frau an der Schwelle zur Obdachlosigkeit. Hegemann setzt in ihrem fesselnden Roman „Striker” eine Kette von seltsamen Ereignissen in Gang. Unser Interview mit Helene Hegemann lest ihr hier.

  • Kiepenheuer & Witsch, 192 S., 23 €

12. „Schwebende Lasten“ von Annett Gröschner

Die aus Magdeburg stammende Berliner Schriftstellerin ist immer noch eine von drei ostdeutschen Frauen, die sich betrinken und dabei den idealen Staat erfinden, wie ihre vorherige Buchveröffentlichung gemeinsam mit Wenke Seemann und Peggy Mädler verhieß. Im Frühjahr erschien ihr neuer Roman „Schwebende Lasten”, mit dem sie präzise eine Frau aus Magdeburg porträtiert, deren Figurenzeichnung auf ihre eigene Mutter zurückgreift. Hanna Krause betreibt einen Blumenladen und heiratet 1932 einen Kommunisten, der im Lager ein Bein verliert. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches wird aus der Blumenbinderin eine Kranführerin. Aber sie bleibt: eine Frau mit Prinzipien.

  • C.H. Beck, 282 S., 26 €

13. „Good Girl“ von Aria Aber

Nila ist keine 19, sie will Fotografin werden, taucht in Berlins Clubszene ein. Drogen, Sex, Techno. Der bekannteste Berliner Club der Welt heißt hier Bunker. Und niemand darf wissen, dass ihre Familie in Gropiusstadt nicht aus Griechenland stammt, sondern aus Kabul. Mit „Good Girl” hat die in Los Angeles lebende Dichterin Aria Aber einen fiebrigen, rauschhaften, furios funkelnden Berlin-Roman vorgelegt, der mit virtuoser, an Lyrik geschulter Sprachphantasie die komplexen Biografien von Familien im Exil und von Weggefährtinnen im Ausnahmezustand nachzeichnet. Ein wildes Panorama von Gestrandeten und Gezeichneten in einer Stadt, in der die Träume im Sterben liegen. 

14. „Toyboy“ von Jonas Theresia

Zwei sehr verschiedene Brüder stellt der Berliner Autor Jonas Theresia in den Mittelpunkt seines Debütromans „Toyboy”. Levin scheiterte als Model in Los Angeles, jetzt jobbt er als Escort, Pornodarsteller oder kassiert sabbernde Kommentare von Camsex-Kunden. Sein Bruder Gregor verbringt die Zeit an seinem PC mit Ego-Shooter-Games hat 3.000 Euro an eine Frau gezahlt, die er nie getroffen hat. Und Levin will ihm das Geld wieder beschaffen, die frühere Nähe zum Bruder zurückholen. Und hat dafür eine irre Idee, die sich als sehr gefährlich erweist, für alle. 

  • Kein & Aber, 224 S., 24 €

15. „Die Allee“ von Florentine Anders

Florentine Anders ist die Enkelin des DDR-Stararchitekten Hermann Henselmann. In ihrem Debütroman „Die Allee“ blättert die Berliner Journalistin fesselnd die Biografien der großen, weit verzweigten Familie Henselmann auf, die auf verblüffende Weise nicht nur eng mit der Architekturgeschichte Berlins und Deutschlands verwoben ist, sondern mit der deutschen Historie seit der Weimarer Republik. Von der Teilung über den Kalten Krieg und Honeckers Kultur-Kahlschlag-Plenum des Zentralkomitees der SED von 1968 bis weit nach dem Mauerfall. Und natürlich erzählt sie auch von Henselmanns wichtiger Rolle bei der Gestaltung der Stalinallee – für die Henselmann eigentlich ganz andere Pläne hatte.

  • Galiani Berlin, 352 S., 24 €

Mehr Literatur aus und über Berlin

Ein Familienroman mit viel deutscher Geschichte über den Stalinallee-Architekten: Florentine Anders spricht über ihren Roman „Die Allee“. DJ-Legende, Clubbetreiber, Techno-Papst: Sven Väths neuer Bildband zeigt vier Jahrzehnte Technokultur. Wo man sich das Gastland der Leipziger Buchmesse Norwegen erlesen kann: Berliner Buchhandlung Pankebuch mit Fokus auf Skandinavien. Fontane, Kästner, Herrndorf: Unsere Liste zeigt euch, wo berühmte Berliner Schriftsteller:innen lebten. Noch mehr Lesestoff gefällig? Weitere sehr schöne Buchhandlungen in Berlin empfehlen wir euch hier.