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Angesichts der Entwicklungen in Russland und den USA rückt für Europa die eigene Aufrüstung immer mehr ins Visier. Die USA ziehen sich zurück, gleichzeitig wissen die Europäer, dass sie bei ihrer Verteidigung auf amerikanische Militärhilfe angewiesen sind. In einem Bereich jedoch hat Europa ein gewisses Maß an Autonomie: Bei den Panzern.

Zusammengerechnet verfügen die Armeen der EU laut Global Firepower-Daten über insgesamt 4.262 Panzer, also etwas weniger als die 4.640 Panzer in den USA.

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Die Situation in den einzelnen Mitgliedsländern ist jedoch sehr unterschiedlich. Griechenland steht mit 1.344 Fahrzeugen an der Spitze vor Polen mit 614 und Rumänien mit 328. Zum Vergleich: Deutschland und Frankreich verfügen über 296 bzw. 215 Panzer.

Während sich Griechenland aufgrund der historischen Spannungen mit der Türkei hervorhebt, hat Polen sein Arsenal als Antwort auf die russische Bedrohung aufgestockt.

Experten zufolge ist die technische Leistungsfähigkeit der europäischen und amerikanischen Ausrüstung gleichwertig: „Man muss den Gedanken im Keim ersticken, dass wir hinter den Amerikanern zurück sein könnten. Wir haben in Europa sowohl das Know-how als auch die Konstruktionsbüros, wir haben die Technologien und die wissenschaftliche Forschung, die es uns ermöglichen, Geräte anzubieten, die auf dem gleichen Niveau wie die der USA sind“, betont Alain De Neve, Forscher am Institut Royal Supérieur de Défense.

Allerdings verschafft die Beschaffung von Waffen aus den USA den Vereinigten Staaten dennoch einen Vorteil: „Von dem Moment an, in dem man Panzerfahrzeuge erwirbt, gibt es alle Subsysteme, die damit einhergehen, die Munition, die Wartung, die Logistik“, so De Neve, „man könnte sagen, dass die Europäer Waffensysteme entwickeln, während die Amerikaner die dazugehörigen Ökosysteme anbieten.“

Die amerikanischen Geräte sind Teil einer Architektur aus Netzwerken, Software und taktischen Verbindungen, die die Koordination der verschiedenen Streitkräfte erleichtern und somit in einem internationalen Rahmen wie der NATO optimal agieren können.

Industrielle Problematik: Viele Unternehmen, viele Modelle

Der Fall der Panzer auf dem Alten Kontinent spiegelt die Problematik der Verteidigungsindustrie in Europa wider. Der Markt ist stark fragmentiert mit mehreren Unternehmen und zahlreichen Modellen wie z. B. dem französischen Leclerc-Panzer, dem deutschen Leopard-Panzer oder dem italienischen Ariete und somit unterschiedlichen Systemen, was die industriellen Absatzmöglichkeiten einschränkt.

Der Leopard ist ein massiver Panzer, der so konstruiert ist, dass er einem massiven Landangriff standhalten kann und in der Lage ist, eine große Feuerkraft aufzubringen. Ziel war es, die an diesem Modell interessierten Streitkräfte schnell zu beliefern.

Sein französisches Pendant stellt sich eher als ein „hypertechnologischer“ Panzer dar, der unter anderem in der Lage ist, während der Fahrt präzise zu schießen. Zwischen seiner Konzeption und seiner Herstellung wurden jedoch neue Technologien hinzugefügt, was zu Mehrkosten für den Leclerc-Panzer führte.

„Wenn man die Gesamtheit der europäischen gepanzerten Kapazitäten, über die die europäischen Länder verfügen, betrachtet, haben wir derzeit tatsächlich ein Dutzend, ja sogar mehr als ein Dutzend Modelle dort, wo die Amerikaner drei oder vier Modelle ähnlicher Art herstellen“, fasst Alain De Neve zusammen.

Dutzende von europäischen Modellen bedeuten unterschiedliche Ausbildung, unterschiedliche Einzelteile und somit eine auf jedes Gerät zugeschnittene Wartung. Die Frage nach einer Standardisierung der Ausrüstung steht seit vielen Jahren im Raum. Doch hinter dieser Produktionsvielfalt verbergen sich wirtschaftliche Interessen.

„Das ist eine der Schwierigkeiten auf der Ebene der Rüstungsindustrie. Es ist so, dass die Unternehmen, die in Nationalstaaten angesiedelt sind, von den politischen Behörden unterstützt werden, die ein Interesse daran haben, aus wirtschaftlichen Gründen, eventuell aus Gründen der Beschäftigung, zahlreiche Unternehmen aufrechtzuerhalten, die unterschiedliche Modelle produzieren“, erklärt Christophe Wasinski, Professor für internationale Politik an der Freien Universität Brüssel.

In ihrem im letzten Monat vorgestellten Weißbuch für eine europäische Verteidigung bis 2030schlägt die Europäische Kommission den 27 Mitgliedstaaten vor, gemeinsame Beschaffungen durchzuführen. Diese gemeinsamen Bestellungen würden dazu beitragen, die Interoperabilität von militärischer Ausrüstung zwischen den Mitgliedsstaaten zu stärken. Zwischen den Zeilen versucht die Kommission somit, die nationalen Regierungen dazu zu bewegen, die Fragmentierung des Marktes zu mindern.

Dieses europäische Vorgehen soll auch die industrielle Basis stärken, da die Aufträge an Unternehmen vergeben werden müssen, die in der EU niedergelassen sind oder ihren Sitz in der Union haben. Auch hierbei handelt es sich um ein Instrument zur Förderung des „Made in Europe“.