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Für Peking ist klar: Der Konflikt mit den USA geht weiter, trotz Pause im Handelsstreit. China rüstet seine Wirtschaft für eine ungemütliche Zukunft.

Es ist ein reichlich brüchiger Waffenstillstand, den die Unterhändler Chinas und der USA Mitte Mai in Genf erzielt haben: Für 90 Tage wurden die Strafzölle, mit denen sich die beiden Länder gegenseitig überzogen hatten, drastisch reduziert. So solle Vertrauen für weitere Gespräche geschaffen werden, hieß es damals von den Verhandlungsführern.

Wenig später allerdings ist von gegenseitigem Vertrauen keine Rede mehr. Peking wirft den USA vor, das Abkommen zu „untergraben“ – zuvor hatten die USA Firmen weltweit davor gewarnt, KI-Chips des chinesischen Unternehmens Huawei zu nutzen. Unternehmen, die sich nicht daran hielten, würden gegen US-Ausfuhrkontrollen verstoßen. Von einem „typischen Akt einseitiger Schikane“ sprach daraufhin das Handelsministerium in Peking. Kurz danach sorgte dann die Ankündigung der US-Regierung, chinesischen Austauschstudenten ihre Visa zu entziehen, für weiteren Frust in der chinesischen Hauptstadt.

Im August läuft die 90-Tage-Frist im Handelsstreit aus, und dass der Konflikt dann beigelegt wird, glaubt auf beiden Seiten kaum jemand. Vor allem in China ist man skeptisch, noch zu einer dauerhaften Lösung zu kommen. Dort hat sich die Überzeugung breit gemacht, den USA gehe es nicht darum, faire Handelsbedingungen zu schaffen. Sondern darum, Chinas Aufstieg zur wirtschaftlichen und militärischen Weltmacht aufzuhalten. Schon vor zwei Jahren hatte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping öffentlich geklagt, die USA würden „eine umfassende Eindämmung und Unterdrückung Chinas betreiben, die die Entwicklung des Landes in nie gekanntem Maße behindert“. Jetzt dürfte er sich bestätigt fühlen.

Zeitlinie: So hat Trump den Zoll-Krieg vom Zaun gebrochenU.S President Trump Signing Ceremony On Auto TariffsFotostrecke ansehenKonflikt zwischen China und den USA: Die Volksrepublik will wirtschaftlich unabhängiger werden

Der Schluss, den China zieht: Das Land will unabhängiger werden vom Westen. Und den Westen gleichzeitig abhängiger von sich selber machen. Das Land müsse sich im Umgang mit den USA auf „Worst-Case-Szenarien“ einstellen, forderte unlängst die Parteizeitung Qiushi. China müsse sich deshalb im Inneren so aufstellen, dass es auf Konflikte nach außen besser vorbereitet sei.

Festgehalten wird diese Strategie wohl auch im neuen Fünfjahresplan, in dem China seine wirtschaftspolitischen Zielsetzungen niederschreibt. Der aktuelle 14. Plan, der auch die Wirtschaftsstrategie „Made in China 2025“ umfasst, trat 2021 in Kraft, er läuft bis Ende dieses Jahres. Mitte Mai begannen nun die öffentlichen Konsultationen zum 15. Fünfjahresplan, der den Zeitraum von 2026 bis 2030 abdecken soll. Verabschiedet wird er im kommenden Frühjahr.

Donald Trump und Xi Jinping 2019 in OsakaGehen getrennte Wege: Donald Trump und Xi Jinping 2019 in Osaka © Brendan Smialowski/AFP

Details sind zwar noch kaum bekannt, klar aber ist schon jetzt: China arbeitet an einem Schlachtplan, um für eine weitere Konfrontation mit den USA gerüstet zu sein. Die Marschrichtung dafür hatte Xi bereits im April vorgegeben, bei einem Wirtschaftstreffen in Shanghai: „In den nächsten fünf Jahren sollte Chinas Entwicklung durch technologische Innovation vorangetrieben werden, in der Realwirtschaft verankert sein und die Modernisierung traditioneller Industrien vorantreiben“, erklärte Chinas Präsident.

China ändert seine Prioritäten: Sicherheit statt Wachstum

Für den Analysten Matthew Johnson von der US-Denkfabrik Jamestown Foundation bedeutet das: Nicht mehr schnelles Wirtschaftswachstum steht für Peking im Vordergrund. Sondern langfristige Sicherheitsinteressen. „Diese Wende zielt darauf ab, die Wirtschaft gegen systemische Risiken durch die von den USA ausgehende Abkopplung und inländische Schwachstellen zu schützen“, schreibt Johnson. Der Sinologe Klaus Mühlhahn drückt es so aus: „In Peking gilt der Handels- und Technologiekonflikt mit den USA längst als struktureller Systemwettstreit, und der Plan soll deshalb ‚schwache Glieder‘ schließen, die der Zoll- und Sanktionskrieg offengelegt hat.“

Konkret plant China zweierlei. Um vom Export in die USA unabhängiger zu werden, will China, dass die eigenen Bürger mehr konsumieren; profitieren könnten davon auch deutsche Unternehmen, die für den chinesischen Markt produzieren und die schon länger über die dortige Konsumflaute klagen. Gleichzeitig sollen heimische Unternehmen weniger von ausländischem Know-how abhängig sein – und am besten derart gute und günstige Produkte herstellen, dass sie weltweit Abhängigkeiten schaffen. Das wiederum wäre für deutsche Unternehmen keine gute Nachricht, schon jetzt verlieren etwa die deutschen Autohersteller in China rasant an Marktanteil.

Als Zukunftsbranchen hat China vor allem Halbleiter, Künstliche Intelligenz, Energie und Raumfahrt ausgemacht – von „neuen Qualitäts-Produktivkräften“ ist im Parteisprech die Rede. Nicht mehr die Bau- und Immobilienbranche, die bis zum Zusammenbruch 2021 der größte Wachstumstreiber der chinesischen Wirtschaft war, soll das Land nach vorne bringen. Sondern Technologieunternehmen, die Innovation vorantreiben.

Konflikt mit den USA beschleunigt Chinas Kurswechsel

Um in diesen Bereichen führend zu werden, könnte China vorübergehen auch auf ein höheres Wirtschaftswachstum verzichten, das zuletzt bei etwa fünf Prozent im Jahr lag. China versuche nicht mehr, „seine geopolitischen Rivalen durch schiere wirtschaftliche Größe auszustechen“, so Johnson. Wichtiger sei es für die Führung in Peking, die chinesische Wirtschaft widerstandsfähiger gegen externe Schocks zu machen.

Ganz neu ist die Strategie nicht, Donald Trumps zweite Amtszeit beschleunigt die Entwicklung aber. Schwierig dürfte dabei vor allem werden, die Chinesen zu mehr Konsum anzuregen. Nach der Corona-Pandemie war der Binnenkonsum nicht in Schwung gekommen, zudem hat die schwelende Immobilienkrise die Kauflaune weiter getrübt – weil Immobilien an Wert verloren haben, halten viele Chinesen ihr Geld zusammen. Auch mehrere Maßnahmenpakete der letzten Jahre konnten daran wenig ändern.

Vorerst ist also auch China daran interessiert, im Handelsstreit mit den USA einen schnellen Deal zu erzielen. Dabei setzt Peking vor allem auf Härte – und sein vielleicht mächtigstes Instrument: Ausfuhrbeschränkungen für Seltene Erden.

Chinas nutzt Seltene Erden als Waffe

Weil China bei vielen dieser Rohstoffe quasi ein Monopol besitzt, zeigen sich die Auswirkungen der Maßnahme schon jetzt. Von einer „sehr angespannten“ Lage für europäische Unternehmen sprach jüngst im Handelsblatt Jens Eskelund, der Präsident der europäischen Handelskammer in Peking. Und in Washington schimpfte US-Finanzminister Scott Bessent: „China hält Produkte zurück, die wichtig sind für industrielle Lieferketten.“ Zwar versprach Xi Donald Trump während eines Telefonats am Donnerstag, die Exportkontrollen zu lockern. Aber lange dürfte auch diese Einigung kaum halten. Chinas wirtschaftliche Auseinandersetzung mit den USA, sie hat gerade erst begonnen.