Kommentar | Handball

Die Art und Weise des ersten Füchse-Meistertitels imponiert

So. 08.06.25 | 16:59 Uhr | Von Nikolaus Hillmann

Mathias Gidsel jubelt über einen Treffer bei den Rhein-Neckar Löwen. Quelle: imago images/foto2press

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Audio: rbb24 Inforadio | 08.06.25 | Nikolaus Hillmann | Bild: imago images/foto2press

Die Füchse Berlin sind Deutscher Handball-Meister. Nicht nur die Tatsache, dass es der erste Bundesliga-Titel der Vereinsgeschichte ist, sondern vor allem die Entstehung des Triumphs macht ihn so besonders, kommentiert Nikolaus Hillmann.

Zwanzig Jahre hat diese Reise der Füchse Berlin gedauert, die nun in einem bemerkenswerten Meistertitel ihren vorläufigen Höhepunkt findet. Das Besondere daran ist nicht, dass die Berliner Handballer zum ersten Mal Deutscher Meister geworden sind, sondern wie sie das geschafft haben in der stärksten Liga der Welt.

Das Geheimnis des Erfolges klingt simpel, steckt aber voller Mühen: Man nehme ein paar großartige Ideen und verfolge deren Umsetzung mit viel Geduld und noch mehr Zielstrebigkeit.


Alles begann mit einem Schuhkarton voller Rechnungen

Genau diesen Weg beschritt Bob Hanning im Jahr 2005 als neuer Geschäftsführer eines bedeutungslosen Zweitligisten namens Reinickendorfer Füchse mit nichts in der Hand als dem berühmten Schuhkarton voller unbezahlter Rechnungen.

Seine Träume bestanden darin, vernünftig hauszuhalten, die beste Nachwuchsabteilung Deutschlands aufzubauen und sich mit schönem Handball in die Herzen der Sportfans zu spielen.


Füchse spielen den schönsten Handball weit und breit

Diese Träume hat Bob Hanning dank seiner schier unerschöpflichen Energie wahr werden lassen. Bei der Frage, wer das dickste Portemonnaie hat, reihen sich die Füchse immer noch brav hinter den Platzhirschen Kiel, Flensburg, Melsungen und Magdeburg ein. Aus der Nachwuchsabteilung im Trainingszentrum „Füchse Town“ stammen stolze acht Spieler und der Trainer des neuen deutschen Meisters. Und so nebenbei spielen die Füchse ganz ohne Zweifel den schönsten und modernsten Handball weit und breit.

Ein Mann alleine schafft das natürlich nicht. Am Anfang besorgte Hanning das Geld, überzeugte Spieler, nach Berlin zu kommen und trainierte auch noch die Junioren. Inzwischen ist daraus Teamwork geworden. Den sportlichen Bereich verantwortet jetzt mit Stefan Kretzschmar ein ehemaliger Weltklassespieler, der in Vertragsverhandlungen auch sehr überzeugend sein kann.


Gidsel der „Unfassbare“

So hat er einen gewissen Mathias Gidsel dazu gebracht, nach Berlin zu kommen. Ihn als Lionel Messi oder Michael Jordan des Handballs zu bezeichnen, ist keineswegs übertrieben. Er ist nicht besonders groß, nicht kräftig, dafür wahnsinnig schnell, sozusagen „der Unfassbare“. Seine Gegner können ihn nicht stoppen und die Fans in der Halle staunen und raunen über seine überraschenden Aktionen, Blitz-Pässe und Tore, von denen niemand weiß, wie er das nun wieder gemacht hat. Er verändert das Spiel der Füchse und den Handballsport. Alleine für so einen Spieler lohnt es sich, in die Max-Schmeling-Halle zu kommen.

Doch auch Gidsel ist nichts ohne ein funktionierendes Team. Die beste Offensive der Liga kann es nur geben, wenn eine stabile Abwehr als Fundament dient mit einem faszinierenden Dejan Milosavljev im Tor. Es ist mir ein Rätsel, wie schnell und geschickt diese Pummelfee auf den Beinen ist, mit Gummimensch-Paraden die Gegner verzweifeln lässt und mit Köpfchen spielt, so wie seine Vorderleute.


Der „Berliner Weg“ kann funktionieren

Diese Mannschaft konnte über mehrere Jahre reifen, sie durfte Fehler machen, sie hat gelernt. Spieler wie Niels Lichtlein, Tim Freihöfer, Lasse Ludwig, Matthes Langhoff und Max Beneke: alle aus der eigenen Jugend, U-21-Weltmeister, inzwischen Nationalspieler und keineswegs Bankdrücker. Angeleitet vom jüngsten Trainer der Liga, Jaron Siewert, erst 31 Jahre alt, seit fünf Jahren Cheftrainer, ausgebildet natürlich bei den Füchsen. Ein eher untypischer Handballcoach: ruhig, sachlich, analytisch, der seinem Team in den vergangenen Jahren diesen modernen und betörenden Tempohandball vermittelt hat.

Das zeigt: Der sogenannte Berliner Weg, den die Fußballer von Hertha BSC gerne predigen, kann funktionieren. Und die Reise ist noch nicht zu Ende. Am kommenden Wochenende können sich die Füchse die nächste Krone aufsetzen, beim Final Four der Champions League in Köln.

Sendung: rbb24 Inforadio, 08.06.25, 18:15 Uhr

Beitrag von Nikolaus Hillmann