Interview | Dritte Kraft im Berliner Fußball

„Was die Fans anbelangt, kommen nur BFC Dynamo und TeBe als Nummer drei in Frage“

Team und Fans des BFC Dynamo jubeln nach dem Gewinn des Berliner Landespokals 2025 (Quelle: IMAGO / Jan Huebner)Bild: IMAGO / Jan Huebner

Gibt es hinter dem 1. FC Union und Hertha BSC eine drittstärkste Kraft im Berliner Fußball? Horst Bläsig, Herausgeber der „Fußball-Woche“, spricht im Interview über gescheiterte Vereine, marode Sportstätten und „Sportverhinderer in den Behörden“.

rbb|24: In den vergangenen Jahrzehnten haben diverse Berliner Vereine versucht, sich im Profifußball zu etablieren. Nachhaltig ist das – als dritte Kraft neben Hertha BSC und dem 1. FC Union Berlin – keinem Klub gelungen. Wie ist das zu erklären, Herr Bläsig?

Horst Bläsig: Wenn wir über eine dritte Kraft im Berliner Fußball reden, dann müssen wir über die dritte Liga sprechen. Sprich: einen dritten Profiklub. Aktuell ist es aber so, dass fünf Berliner Vereine in der Regionalliga spielen, von denen in der abgelaufenen Saison allerdings keiner zu den Spitzenklubs zählte, darunter die U23 von Hertha BSC, und in der Oberliga neun Vereine.

Zusammen mit Union und Hertha spielen also sechzehn Berliner Teams oberhalb der Berlin-Liga. Das heißt: Die Kräfte sind enorm zersplittert. Zumal alle Klubs im Schatten von Union und Hertha stehen, die einen unglaublichen Zuschauerzuspruch haben. Hinzu kommt der Boom im Frauenfußball, wo der 1. FC Union und FC Viktoria schon vier- bis fünfstellige Kulissen haben. Von anderen Sportarten ganz zu schweigen.

Zur Person

Horst Bläsig, langjähriger Chefredakteur und Herausgeber der "Fußball-Woche" (Quelle: privat)

privat

Horst Bläsig hat in den 1980er Jahren bei der Berliner Zeitschrift „Fußball-Woche“ volontiert, 2006 wurde er zum Chefredakteur. Inzwischen ist er Herausgeber der „FuWo“.

Also gibt es keine klare Nummer drei im Berliner Fußball?

Was die Fans anbelangt, kommen nach wie vor nur der BFC Dynamo und Tennis Borussia in Frage. TeBe spielt zurzeit aber in der fünftklassigen Oberliga und ist sportlich weit davon entfernt, die dritte Kraft zu sein. Der BFC Dynamo macht eine gute Nachwuchs- und Integrationsarbeit, ist im Kiez verankert. Immer, wenn sie im Landespokalfinale spielen, sieht man auch, dass sie hinter Hertha und Union die größte Fan-Base in Berlin haben.

Für große Teile der Fußball-Anhänger in Berlin bleibt aber der Makel des ehemaligen Stasi-Klubs. Von daher weiß ich nicht, ob der BFC Dynamo sein Zuschauerpotenzial nochmal sprunghaft erweitern könnte. Der BFC leidet auch unter einer maroden Spielstätte. Am Sportforum passiert nichts und der Jahn-Sportpark ist bis mindestens 2028 kein Thema. Insofern gibt es keine richtige Nummer drei und es ist auch keine Nummer drei in Sicht.

Der FC Viktoria hat zumindest für ein Jahr – in der Saison 2021/22 – Profifußball gespielt.

Der Schritt dorthin ist enorm groß. Seit Unions Aufstieg in der Premieren-Saison der dritten Liga 2008/09 war das keinem Berliner Verein mehr gelungen. Man darf auch nicht vergessen, dass sich viele Berliner Regionalliga- und Oberliga-Klubs mit ungenügenden, nicht drittliga-tauglichen, teilweise sogar noch nicht mal regionalliga-tauglichen Spielstätten herumplagen müssen. Das sagt eine Menge über die Zustände in Berlin aus. Mitunter hat man auch das Gefühl, dass in den Behörden nicht nur Sportförderer, sondern manchmal auch Sportverhinderer sitzen.

Bis zuletzt hat Viktoria – angetrieben durch Investorengeld – die Ambition formuliert, dritte Kraft im Berliner Fußball werden zu wollen. Das Vorhaben ist gescheitert. Die „Himmelblauen“ sind in die fünfte Liga abgestiegen und stehen vor der Insolvenz. Was hat Viktoria falsch gemacht?

Das ist nicht so einfach zu beantworten. Man muss sich nur mal anschauen, wie Viktoria in die dritte Liga gekommen ist: Aufgrund der Corona-Pandemie sind sie durch den Saisonabbruch nach elf Spieltagen direkt aufgestiegen. Was einerseits ein Glücksfall war, andererseits einige Probleme nach sich gezogen hat. Viktoria hatte kein geeignetes Stadion für die dritte Liga. Der Senat hat dann die Betriebsgenehmigung für den Jahn-Sportpark reaktiviert.

Im Grunde genommen war Viktoria ökonomisch und strukturell für diesen Sprung aber gar nicht richtig vorbereitet. Kein Stadion, keine Fan-Basis: Der Aufstieg ist vielleicht ein bisschen zu früh gelungen. Wenn dann noch überzogene und unrealistische Erwartungen hinzukommen, wird es schwierig. Außerdem hatte Viktoria in der vergangenen Saison vier Trainer, drei Sportdirektoren und zwei Geschäftsführer Sport – darauf kann man keinen Erfolg aufbauen.

Neben Viktoria hat in der Vergangenheit zum Beispiel auch Tennis Borussia versucht, sportlichen Erfolg zu erkaufen – ohne Erfolg. Warum scheinen Investoren-Modelle in Berlin zum Scheitern verurteilt zu sein?

Vielleicht sind sie nicht automatisch zum Scheitern verurteilt, man muss aber sehen, dass Investoren-Modelle ein ganz eigener Ansatz sind. Als Gegenbeispiel dient der 1. FC Union, ein Verein, der Fußball für die Menschen organisiert. Inzwischen muss Union durch Professionalisierung und Kommerzialisierung dabei natürlich auch viel Geld in die Hand nehmen. Das Ziel bleibt es aber, Fußball für die Menschen zu bieten.

Ein Investor hat andere Interessen: Er möchte mit Fußball Geld verdienen. Das ist a priori nichts Verwerfliches, das ist völlig legitim – aber ein komplett anderer Ansatz, der immer Gefahr läuft, zu schnell zu viel zu wollen. Darin liegt die Problematik. Man kann sportlichen Erfolg ohnehin nur bedingt planen – und um ihn zu haben, braucht man vor allem kontinuierliche und nachhaltige Arbeit. Seriosität und ein langer Atem sind Grundvoraussetzungen. Man kann einen Verein nur Schritt für Schritt entwickeln. Provinzvereine wie Heidenheim oder Elversberg haben das zuletzt vorgemacht.

Vor wenigen Tagen ist der BFC Preussen in die Regionalliga Nordost aufgestiegen. Was trauen Sie Preussen in den kommenden Jahren zu?

Mit dem zweiten Aufstieg in Folge hat der BFC Preussen wirklich gute Arbeit geleistet. Ich könnte mir vorstellen, dass Preussen einen besseren und nachhaltigeren Weg einschlagen wird, als es beispielsweise Viktoria getan hat. Sie haben gute Voraussetzungen, ein eigenes Vereinsgelände, das sie weiter bebauen und ausbauen wollen.

Aber auch bei Preussen muss man erstmal kleine Schritte gehen. Mit Daniel Volbert und Thorben Marx, einem erfahrenen Bundesliga-Profi, haben sie ein gutes Trainerteam. Marko Rehmer, ein weiterer ehemaliger Bundesliga- und Nationalspieler, berät sie. Sportliche Expertise ist dort also auf jeden Fall vorhanden. Das ausgerufene Ziel Klassenerhalt zeugt von einer realistischen Einschätzung. Es ist aber auch für Preussen ein langer Weg, die Nummer drei in Berlin zu werden.

Erstmal müssen sie eine Spielstätte finden. Sie müssen entweder das Preussenstadion in Lankwitz aufrüsten; denn noch fehlt ein eingezäunter Gäste-Bereich, eine überdachte Tribüne und Flutlicht. Oder sie müssen beispielsweise ins Stadion Lichterfelde umziehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Anton Fahl, rbb Sport.