Es sei nicht so, dass er mit einem fertigen Programm nach Dresden komme oder mit einer politischen Agenda, die er durchsetzen wolle, betonte der Schriftsteller Alexander Estis vor seiner Antrittslesung als Dresdner Stadtschreiber im Gespräch mit MDR KULTUR: „Das wäre auch ein bisschen vermessen, wenn man für ein halbes Jahr in einer Stadt zu Besuch ist.“
Was passiert hier? Was hat es mit diesem Rechtsdrift, besonders im Osten, auf sich?
Schriftsteller Alexander Estis
Der Autor mit jüdisch-russischen Wurzeln sagte zugleich: „Natürlich habe ich einen bestimmten Hintergrund und bestimmte Ansichten, mit denen ich nicht hinterm Berg halten will.“ Ihm gehe es einerseits darum, zu lernen, erläuterte Estis und umriss einige Fragen: „Was passiert hier? Was hat es mit diesem ominösen Rechtsdrift, besonders im Osten, auf sich?“ Andererseits wolle er sich auch bei Themen wie Antisemitismus und der Russland-Affinität mit ihren problematischen Aspekten einbringen.
Lesungen und Gespräche in Dresden geplant
In Dresden will sich Alexander Estis bei Lesungen und Gesprächen äußern, aber auch mit einer Kolumne, die er für die „Sächsische Zeitung“ schreibt. In der Stadt lebt er seit Anfang Juni und weiß die Vorzüge eines Stadtschreiber-Stipendiums zu schätzen. „Ich genieße es sehr, mich für eine beschränkte Zeit in einer Stadt aufzuhalten“, erläuterte Estis bei MDR KULTUR. „Man ist kein richtiger Bürger der Stadt, man ist aber auch nicht ganz fremd und taucht ein in dieses Leben.“ Das sei eine sehr gute Bedingung für literarisches Arbeiten insgesamt – eine teilnehmende Beobachtung, so der Schriftsteller.
Schwerpunkt auf den Themen Osteuropa und Antisemitismus
Alexander Estis wurde 1986 in eine jüdische Künstlerfamilie in Moskau geboren. 1996 siedelte er nach Hamburg über und lehrte nach Abschluss des Studiums an verschiedenen Universitäten. Bislang hat Estis sieben Bücher veröffentlicht. 2022 erschien der Prosaband „Fluchten“ in der Edition Mosaik.
Estis schätzt nach eigener Aussage die kurze literarische Form. Die eigenen Texte bezeichnet er als „Miniaturen“ und sagt: „Es sind sehr kurze Texte, die nicht wie Kurzgeschichten eine abgeschlossene Handlung haben müssen, sondern auch sehr experimentell sein können.“ Das sei eine Form, die ihm sehr gemäß sei und die er vorwiegend im literarischen Bereich verwende, so der Autor.
Alexander Estis schreibt darüber hinaus Kolumnen, Essays und Reportagen für Zeitungen. Zu seinen Schwerpunktthemen gehören Osteuropa, Antisemitismus und Kultur. In Dresden folgt Estis auf Charlotte Gneuß, die im vergangenen Jahr das Amt der Stadtschreiberin innehatte.