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Das Universum könnte aus einem kollabierten schwarzen Loch hervorgegangen sein, sagt ein Forschungsteam. Das stellt die Urknall-Theorie auf den Kopf.

Portsmouth – Seit Jahrzehnten geht die Wissenschaft davon aus, dass der Urknall die Geburtsstunde des Universums ist. Auf einen Schlag war beispielsweise die Materie da, aus der in der folgenden Zeit Galaxien, Sterne, Planeten und auch Wasser entstanden. Ein Forschungsteam hat nun jedoch ein alternatives Modell entwickelt, das das Verständnis vom Universum grundlegend verändern könnte. Wenn es sich als wahr erweist, müsste die Entstehungsgeschichte des Universums neu geschrieben werden.

Die klassische Urknall-Theorie beschreibt, wie vor etwa 13,8 Milliarden Jahren in einem einzigen explosiven Moment Raum, Zeit und Materie entstanden sind. Dieses Modell gilt in der Astrophysik als weitgehend akzeptiert. Dennoch weist es erhebliche Erklärungslücken auf, wie Enrique Gaztanaga von der University of Portsmouth betont. „Sie lässt einige der grundlegendsten Fragen unbeantwortet,“ kritisiert der Wissenschaftler in einem Gastbeitrag auf The Conversation.

Kritik an Urknall-Theorie: Forscher führten neues Konzept dunkle Energie ein

Um bestimmte kosmische Phänomene zu erklären, mussten Forscher Konzepte wie dunkle Energie einführen – ohne diese jemals direkt beobachtet zu haben. Gaztanaga fasst prägnant zusammen: „In Kürze: Das Standardmodell der Kosmologie funktioniert gut, aber nur, indem Zutaten hinzugefügt werden, die wir nie direkt beobachtet haben.“ Deshalb stellt Gaztanaga eine provokante Frage: „Was, wenn der Urknall gar nicht der Anfang war? Was wäre, wenn unser Universum aus etwas anderem entstanden wäre – etwas Vertrauterem und gleichzeitig radikalem?“

Blick in die Tiefen des Universums – So sieht „Hubble“ das WeltallDiese Aufnahme der elliptischen Radiogalaxie Hercules A stammt ebenfalls vom „Hubble“-Weltraumteleskop der Nasa. Die Galaxie ist 2,1 Milliarden Lichtjahre entfernt und befindet sich im Sternbild Herkules. Zu sehen sind riesige Plasma-Jets, die vermutlich von einem supermassereichen schwarzen Loch im Innern der Galaxie angetrieben werden.Fotostrecke ansehen

Die Antwort könnte in einem revolutionären Konzept liegen, das Gaztanaga mit seinem Team entwickelt hat. Die im Fachjournal Physical Review D veröffentlichten Forschungsergebnisse präsentieren eine radikale Alternative zur Urknall-Theorie. „Unsere Berechnungen deuten darauf hin, dass der Urknall nicht der Anfang von allem war, sondern eher das Ergebnis eines Gravitationsknalls oder -kollapses, der ein sehr massives schwarzes Loch bildete – gefolgt von einem Aufprall in dessen Inneren,“ erklärt Gaztanaga. Dieses als „Schwarzes-Loch-Universum“ bezeichnete Modell basiert nach seinen Worten „vollständig auf bekannten physikalischen Grundlagen und Beobachtungen“.

Forscher präsentieren Alternative zur gängigen Urknall-Theorie

Das Team einen anderen Ansatz als die Urknall-Theorie: „Statt mit einem expandierenden Universum zu beginnen und zurückzuverfolgen, wie es begann, überlegen wir, was passiert, wenn eine überdichte Sammlung von Materie unter ihrer Schwerkraft zusammenbricht“, so der Forscher. Dieser Ansatz nutzt bekannte kosmische Prozesse als Grundlage – beispielsweise die Entstehung eines schwarzen Lochs.

Ist unser Universum im Inneren eines schwarzen Lochs entstanden? (Symbolbild)Ist unser Universum im Inneren eines schwarzen Lochs entstanden? (Symbolbild) © Montage

Während die Vorgänge im Inneren schwarzer Löcher bis heute rätselhaft bleiben, schlägt das Team eine „einfache mathematische Lösung“ vor. Diese beschreibt, wie kollabierende Materie einen Zustand extremer Dichte erreichen kann, um dann abzuprallen und in eine neue Expansionsphase überzugehen. Das Bemerkenswerte: „Auf der anderen Seite des Abpralls entsteht ein Universum, das dem unseren bemerkenswert ähnlich ist“, so Gaztanaga. Dies geschehe „komplett innerhalb der Relativitätstheorie – keine exotischen Felder, Extradimensionen oder spekulative Physik werden benötigt.“

Alternative zur Urknall-Theorie kann im Weltall getestet werden

Ein entscheidender Vorteil des neuen Modells liegt in seiner Testbarkeit. Das „Euclid“-Weltraumteleskop der Europäischen Weltraumorganisation könnte Hinweise liefern, die diese Theorie stützen oder widerlegen. Das Modell verspricht nicht nur, technische Probleme der Standardkosmologie zu beheben, sondern könnte auch neue Erkenntnisse zu anderen kosmischen Rätseln liefern – von supermassereichen schwarzen Löchern bis zur Natur der dunklen Materie und der Entstehung von Galaxien.

Die neue Theorie könnte die menschliche Sicht auf das Universum und unseren Platz darin fundamental ändern. Gaztanaga beschreibt diese Perspektivverschiebung eindrucksvoll: „In diesem Rahmen liegt unser gesamtes beobachtbares Universum im Inneren eines schwarzen Lochs, das in einem größeren ‚Mutteruniversum‘ entstanden ist. Wir sind nichts Besonderes. Wir sind nicht Zeuge der Geburt von allem aus dem Nichts, sondern vielmehr der Fortsetzung eines kosmischen Zyklus, der von der Schwerkraft, der Quantenmechanik und den tiefgreifenden Zusammenhängen zwischen ihnen geprägt ist.“ (tab)