zum zweiten Mal in dieser Woche hat die Ukraine von Russland die sterblichen Überreste von weiteren 1200 Soldaten erhalten (mehr dazu in unserem Nachrichtenüberblick). Im Laufe des Krieges hatte es dies immer wieder gegeben – meist übergab Kiew im Austausch die Leichen russischer Soldaten. Was bei den Meldungen darüber oft untergeht, sind die damit verbundenen menschlichen Schicksale.
Denn viele Ukrainer, aber auch Russen, wissen nicht, was mit ihren Angehörigen geschehen ist. Wurden sie an der Front getötet? Kamen sie in Gefangenschaft und starben vielleicht sogar dort? Über das Bangen und Hoffen der Angehörigen hat nun die Nachrichtenagentur Reuters geschrieben (Quelle hier).
Die Reporter sprachen mit Wolodymyr Umanets, einem 69-jährigen Wachmann in Butscha, der seinen Sohn vermisst. Dieser hatte sich kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine freiwillig als Soldat gemeldet. Befindet er sich unter den ausgetauschten Kriegsgefangenen? Oder finden sich seine Überreste in den von Moskau übergebenen Leichensäcken? Oder geht das Bangen weiter? „Man sagt mir, ich solle warten. Was soll ich denn sonst tun?“, sagte der Mann mit Tränen in den Augen.
Die Hoffnung, dass sein Sohn noch lebt, ist nach wie vor da. Den Behörden hat er trotzdem eine DNA-Probe von Sergiy übergeben, damit er im Fall der Fälle identifiziert werden kann. Denn das Warten ist das Schlimmste. Er wünschte, er hätte überhaupt irgendwelche Informationen, sagte Umanets den Reportern.
Aber die Identifizierung der Leichen kann sich ebenfalls hinziehen, denn nur im besten Fall werden die sterblichen Überreste mit Dokumenten zurückgegeben. Und im schlimmsten Fall kamen die Männer bei Explosionen ums Leben, was die Identifizierung noch erschwert.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages
- Ungeachtet der Sanktionspakete der EU gegen Russland hat das Land nach einem „Spiegel“-Bericht im vergangenen Jahr seinen Export um fast 20 Prozent gesteigert. Das Magazin berichtet unter Berufung auf eine Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft, dass die Kriegskasse für die Ukraine-Invasion mit Exporterlösen 2024 von rund 330 Milliarden US-Dollar „gut gefüllt“ bleibe. Mehr hier.
- In der SPD wird heftig über Verteidigung und den Russland-Kurs gestritten. Der ehemalige SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kritisiert den Ton in der Kontroverse um das auch von ihm unterzeichnete „Manifest“. „Ich würde mir eine ernsthaftere und respektvollere Debatte über die Inhalte des Papiers wünschen“, sagte er der „Rheinischen Post“. Mehr hier.
- Die EU-Mitgliedsstaaten haben eine Grundsatzeinigung über die Verlängerung des vorübergehenden Schutzes für Flüchtlinge aus der Ukraine um ein weiteres Jahr erreicht. Damit erhielten die Betroffenen weiterhin Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Sozialleistungen und zur medizinischen Versorgung, ohne ein Asylverfahren durchlaufen zu müssen. Mehr in unserem Newsblog.
- Die Ukraine hat die sterblichen Überreste von weiteren 1200 Soldaten erhalten, die im Krieg mit Russland getötet wurden. Dies teilt das für den Gefangenenaustausch zuständige Koordinierungskomitee in Kiew auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit.
- Die von Russland besetzte Krim soll in der Nacht zum Freitag von etlichen ukrainischen Drohnen angegriffen worden sein. Das berichtete die Nachrichtenseite „KrimWind“ unter Berufung auf WhatsApp-Chatverläufe von Bewohnern aus der Region via Telegram.
- Die EU hat der von Russland angegriffenen Ukraine weitere Finanzhilfen in Höhe von einer Milliarde Euro als Teil eines großen Hilfspakets überwiesen. Das Geld ist ein Darlehen, das mit Zinserträgen aus der Verwahrung von eingefrorenem Staatsvermögen Russlands in der EU zurückgezahlt wird.
- Die russische Armee hat nach eigenen Angaben drei weitere ukrainische Dörfer im Osten unter ihre Kontrolle gebracht. Das russische Verteidigungsministerium meldet die Einnahme von Jabluniwka in der nordöstlichen Region Sumy sowie von Koptewo und Komar in der östlichen Region Donezk, wie die staatliche Nachrichtenagentur Tass berichtet.
- Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj allerdings erzielen die Streitkräfte Kiews in der Grenzregion Sumy Erfolge gegen die russischen Truppen. „Unsere Einheiten in der Region Sumy drängen die Besatzer allmählich zurück“, sagte Selenskyj in seiner nächtlichen Videoansprache.
- Im Angriffskrieg gegen die Ukraine sollen Recherchen internationaler Medien zufolge mehr als 110.000 Russen gefallen sein. Demnach seien mindestens 111.387 getötete russische Soldaten namentlich bekannt. Seit Februar 2022 sammeln der russischsprachige Dienst der BBC und das oppositionelle russische Portal Mediazona die Namen in einer Liste.
- Mitten im intensiven Krieg will Russland wie die Ukraine Drohnentruppen als eigene Waffengattung in der Armee aufbauen. Das kündigte der russische Präsident Wladimir Putin in Moskau vor Vertretern von Armee und Regierung an.
- Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs hat die EU einem Bericht zufolge für 32,7 Milliarden Euro russisches Flüssiggas importiert. Das berichtet das Magazin „stern“, dem Eurostat-Zahlen dazu vorliegen, die das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) beim Statistischen Bundesamt abgefragt hatte.
Hintergrund und Analyse Ein Monat Fronturlaub kostet 10.000 Euro Der Schwarzmarkt für russische Soldaten floriert „Verlogener, heuchlerischer, gaunerhafter Mensch“ Wer ist Putins Chefunterhändler Wladimir Medinski? Star-Historiker Christopher Clark im Gespräch „Europa leidet unter erlernter Impotenz“