Freitagmittag am Stuttgarter Hauptbahnhof. Auf den Bahnsteigen herrscht geschäftiges Kommen und Gehen. Familien mit kleinen Kindern stehen neben Geschäftsreisenden mit Laptop-Taschen, Studierende sind auf dem Weg ins Wochenende. Züge fahren ein, Reisende steigen aus und ein, Lautsprecherdurchsagen mischen sich mit dem Klackern von Rollkoffern und dem Murmeln von Gesprächen. Der Beginn der Sommermonate ist spürbar – für viele beginnt jetzt die Reisezeit.

Doch für Familien mit Kindern ändert sich ab diesem Wochenende bei Bahnreisen etwas Grundlegendes. Die Deutsche Bahn streicht das sogenannte Familienticket – eine Regelung, die bislang das kostenlose Mitreisen und die Sitzplatzreservierung für Kinder ermöglichte. Was bisher für viele Familien eine kleine, aber wichtige Erleichterung war, entfällt nun. Künftig müssen Eltern für ihre Kinder nicht nur Tickets buchen, sondern auch für jeden Sitzplatz zusätzlich zahlen.

Lohnt sich das Bahnfahren als Familie noch?

Für viele Familien bedeutet das eine spürbare Mehrbelastung – nicht nur organisatorisch, sondern auch finanziell. Vor allem bei längeren Reisen summieren sich die Kosten schnell, und das Bahnfahren wird zu einer teureren Angelegenheit.

„Das finde ich sehr familienunfreundlich“, meint Christine Keller, die mit ihrer kleinen Tochter am Bahnhof unterwegs ist. Sie hat vier Kinder. „Dass das jetzt wieder teurer wird, ist wirklich schade.“ Sie hat Verwandtschaft in Berlin und überlege sich künftig zweimal, ob sich die Reise mit der Bahn überhaupt noch lohnt, sagt sie.

Auch Stefan Irslinger verstehe die Entscheidung der Bahn nicht. „Finde ich schade, gerade für Familien mit zwei, drei Kindern. Da wäre es schöner gewesen, man hätte diese Pauschale beibehalten.“ Er glaube zwar, dass Familien weiter Bahn fahren werden – aber eben mit spürbar höheren Kosten.

„Da kommt schnell viel Geld zusammen“

Während die Reaktionen bei den einen noch zurückhaltend sind, fällt die Kritik bei anderen umso deutlicher aus. „Ich finde es nicht in Ordnung“, sagt Sybille Österle-Beckert, die mit ihrem Sohn gerade auf dem Weg zur Bahn ist. „Gerade Familien sollen doch den Zug benutzen. Aber wenn jetzt jedes Kind extra kostet – hin und zurück –, kommt schnell viel Geld zusammen.“ Und das sei nicht für alle tragbar. „Wir fahren immer mit den Öffentlichen. Aber es gibt Menschen, die müssen viel mehr auf ihr Geld achten als ich. Die sollen doch auch Zug fahren können.“

Angelika Franco sieht die Änderung etwas entspannter – aber auch sie verstehe die Kritik. „Für Familien mit weniger Einkommen ist das natürlich blöd“, sagt sie. „Aber ich bin grundsätzlich offen für Veränderungen. Man zahlt ja sowieso gerade überall mehr. Da kommt’s dann auf die fünf, sechs Euro auch nicht mehr an.“ Trotzdem: Auch sie findet, dass die Bahn familienfreundlicher denken müsste.

Unpünktlich und teuer

„Mir ist das völlig wurscht“, sagt hingegen Alex Emminger. Er nutze die Bahn im Grunde nie, nur seine Kinder fahren damit zur Schule. Die Bahn sei – so seine Ansicht – ohnehin kein geeignetes Mittel für die grüne Wende. „Unpünktlich und günstig ist es eh auch nicht.“

Am Gleis fährt der nächste ICE ein. Familien, Rucksäcke, Kinderwagen, Stimmengewirr. Noch rollen sie mit – mit altem Ticket, alter Regelung. Wie viele von ihnen sich beim nächsten Mal für den Zug entscheiden werden, ist ungewiss.