Gravelines (Frankreich) – Am Strand von Gravelines sieht man Silhouetten durch den feuchten Sand huschen. Männer, Frauen und Kinder mit leuchtend orangen Rettungswesten – einige barfuß, andere mit hastig geschnürten Rucksäcken. Ihre Gesichter sind von der Nacht gezeichnet, ihre Blicke leer oder entschlossen. Doch alle teilen dasselbe Ziel: das andere Ufer des Ärmelkanals, Großbritannien.

Die Migranten kommen aus Ländern wie Syrien, Afghanistan oder dem Sudan. Sie haben alles hinter sich gelassen – nicht selten Krieg, Folter, Hunger durchlitten. Vielen erscheint die Überfahrt über den Ärmelkanal als einziger Weg, dem Elend ihrer Heimatländer zu entfliehen.

Eine Gruppe von Flüchtlingen kauert in den Dünen

Eine Gruppe von Flüchtlingen kauert in den Dünen

Foto: SAMEER AL-DOUMY/AFP

Die Flüchtlinge hasten über den Strand, um die wartenden Schlauchboote zu erreichen

Die Flüchtlinge hasten über den Strand, um die wartenden Schlauchboote zu erreichen

Foto: SAMEER AL-DOUMY/AFP

15 Menschen sind seit Jahresbeginn ertrunken

Seit 2018 hat die Zahl der Überquerungen des Ärmelkanals mit Booten massiv zugenommen, da die Lkw-Kontrollen immer weiter verschärft wurden. Bei dem bislang schlimmsten Unglück im November 2021 kamen 27 Menschen ums Leben. Seit Jahresbeginn sind mindestens 15 Menschen im Ärmelkanal ertrunken, wie eine Zählung der Nachrichtenagentur AFP auf der Grundlage offizieller Zahlen ergab.

Mit Kindern auf den Schultern, die keine Schwimmwesten tragen, begeben sich die Menschen in große Gefahr

Mit Kindern auf den Schultern, die keine Schwimmwesten tragen, begeben sich die Menschen in große Gefahr

Foto: SAMEER AL-DOUMY/AFP

Französische Bereitschaftspolizisten sichern den Strand, oftmals vergeblich

Französische Bereitschaftspolizisten sichern den Strand, oftmals vergeblich

Foto: SAMEER AL-DOUMY/AFP

Französische Bereitschaftspolizei stoppt eine Gruppe von Migranten

Französische Bereitschaftspolizei stoppt eine Gruppe von Migranten

Foto: SAMEER AL-DOUMY/AFP

Die Fluchtroute birgt enorme Risiken. Dutzende CRS-Beamte (französische Bereitschaftspolizei) patrouillieren am Strand. Doch trotz der massiven Präsenz gelingt es einigen Gruppen, Boote zu Wasser zu lassen. Andere werden abgefangen – sie kauern später erschöpft im Sand, weinend, fluchend, stumm.

Mehr als 900 Menschen auf 14 Booten

Zwischen Donnerstagabend und Freitagabend vergangener Woche seien insgesamt 99 Menschen bei mehreren Rettungsaktionen geborgen worden, erklärten die französischen Behörden. Nach Angaben britischer Behörden gelangten allein am Freitag 919 Migranten auf 14 Booten über den Ärmelkanal nach Großbritannien.

Ein Mann mit Kind begibt sich auf ein Schmugglerboot

Ein Mann mit Kind begibt sich auf ein Schmugglerboot

Foto: SAMEER AL-DOUMY/AFP

Ein völlig überfülltes Flüchtlingsboot auf dem Weg über den Ärmelkanal

Ein völlig überfülltes Flüchtlingsboot auf dem Weg über den Ärmelkanal

Foto: SAMEER AL-DOUMY/AFP

Aus der Not der Menschen schlagen andere ihren Profit. Für die riskante Tour nach England verlangen Schleuser bis zu 3000 Euro. Dafür werden die Migranten in billige Schlauchboote gepfercht, oft überladen, ohne Motor, manchmal gibt es nicht einmal Schwimmwesten. Viele kentern oder werden auf halber Strecke aufgegriffen.

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▶︎ Seit Montag stehen neun mutmaßliche Schleuser, die meisten von ihnen aus Afghanistan, in Lille (Nordfrankreich) vor Gericht. Sie müssen sich wegen des Todes von mindestens vier Migranten im Ärmelkanal verantworten. Die Opfer gehörten zu einer Gruppe von knapp 50 Migranten, die im Dezember 2022 die gefährliche Überfahrt von Frankreich nach Großbritannien gewagt hatten. Sie stammten aus Afghanistan, Albanien, Senegal und Indien.

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