Die spanische Regierung hat ihre Untersuchung zu den Ursachen des verheerenden Stromausfalls vom 28. April abgeschlossen. Grund für den stundenlangen Blackout in Spanien und Portugal sei „eine zu hohe Spannung im Netz“ gewesen, sagte Sara Aagesen, Ministerin für den ökologischen Wandel, am Dienstag in Madrid.

Zum einen habe der Netzbetreiber nicht genügend Anlagen eingeplant, die Überspannungen im Netz besser abfedern können als die meisten Solar- oder Windkraftwerke. Doch auch die neun konventionellen Kraftwerke, die in Betrieb waren, hätten „allesamt“ nur unzureichend funktioniert.

Auch hierzulande sind die Stromnetze oft überlastet, weil sie die installierte Power aus Wind und Sonne noch nicht aufnehmen können – vor allem in Ostdeutschland. Die Berliner Zeitung hatte zuletzt berichtet, dass die Netze am glühen sind. Ist hier ein Blackout also wahrscheinlicher als im Rest von Deutschland?

Deutsches Stromnetz eines der sichersten auf der Welt

Unterbrechungen seien in Deutschland in der Regel nur von sehr kurzer Dauer, sagt die Sprecherin des Versorgers Sachsen Energie, Nora Weinhold, der Berliner Zeitung auf Anfrage. „Das deutsche Stromversorgungssystem zählt zu den sichersten und zuverlässigsten weltweit.“ Außerdem sei es im Vergleich zu Spanien und Portugal „enger vermascht“ und es gebe hohe Leitungskapazitäten in die angrenzenden Nachbarländern, die das System gegenseitig stützen würden. „All das reduziert die Wahrscheinlichkeit enorm, dass das gesamte Übertragungsnetz oder große Teile davon wie bei einem Blackout zusammenbrechen.“

Auch der Versorger Mitnetz Strom, dessen Netze sich über Teile der Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen erstrecken, teilt auf Anfrage mit, dass es sehr unwahrscheinlich sei, dass es in Deutschland „zu diesem Extremszenario“ kommen könnte. In Spanien und Portugal handelte es sich um einen lang anhaltenden überregionalen Stromausfall, bei dem eine schnelle Wiederversorgung über angrenzende Stromnetze nicht mehr möglich war. Das nennt man: „Blackout“. Kurze Ausfälle werden lediglich Stromausfälle genannt. Dennoch hat Deutschland ein Stromnetzproblem.

Sachsen Energie warnt vor „zunehmender Einspeisung von Solarstrom“

Sachsen Energie-Vorstandsvorsitzender Frank Brinkmann sagte kurz nach dem Blackout in Spanien und Portugal: „Wir beobachten, dass die zunehmende Einspeisung von Solarstrom die Netze in bestimmten Regionen besonders stark belastet.“ Die Investitionen in den Netzausbau, den man konsequent vorantreibe, seien zwingend notwendig – aber selbst diese würden das zunehmende Problem ungebremster Einspeisung weiterer Photovoltaikanlagen nicht lösen. Ostdeutschland ist führend beim Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere in den Bereichen Windkraft und Solarenergie.

In Madrid war nach dem flächendeckenden Blackout ein regelrechtes Verkehrschaos ausgebrochen.

In Madrid war nach dem flächendeckenden Blackout ein regelrechtes Verkehrschaos ausgebrochen.David Cruz Sanz/IMAGO

Allerdings hinkt der Ausbau der Stromnetze hinterher. Der Netzentwicklungsplan 2023 sieht vor, bis 2045 rund 4.800 Kilometer neue Leitungen zu bauen und etwa 2.500 Kilometer bestehende Verbindungen zu verstärken. Doch einige bedeutende Projekte wurden mehrfach verschoben und sollen nun erst später in Betrieb gehen. Und obwohl die EEG-starken Bundesländer einen Großteil des erzeugten Stroms exportieren, tragen die dortigen Verbraucher überproportional hohe Netzentgelte. Dies liegt an der dünneren Besiedlung und den damit verbundenen höheren Kosten pro Kunde für die Netzbetreiber.

„Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien muss mit dem Ausbau der Netze synchronisiert werden“, sagt ein Sprecher von Mitnetz Strom auf Anfrage. Zudem brauche es Anreize für netzdienliche Anschlüsse industrieller Verbraucher in Ostdeutschland, auch für Batteriespeicher sowie netzdienliche Anschlüsse von Einspeisern. Des Weiteren müssten Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Netzausbau weiter beschleunigt und digitalisiert werden.

Netzausbau wird für Ostdeutschland teuer

Der Netzausbau in Ostdeutschland wird teuer. Allein Mitnetz Strom will bis 2030 rund drei Milliarden Euro dafür investieren. Sachsen Energie plant bis 2027 mit dem Netzbetreiber Sachsen Netze Investitionen von rund 730 Millionen Euro in den Ausbau des ostsächsischen Stromnetzes. Die Bundesnetzagentur prognostiziert für den Verteilernetzausbau in ganz Deutschland bis 2032 Kosten von rund 42 Milliarden Euro. Eine andere Studie kommt zu noch viel höheren Zahlen: Für Deutschland würden demnach über alle Netze und Bundesländer hinweg rund 730 Milliarden Euro anfallen.

Der Realitätscheck der Energiewende von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) scheint bislang vor allem zugunsten der west- und süddeutschen Großindustrie zu verlaufen. Ostdeutschland wird offenbar bei den insgesamt 40 von Reiche geplanten Gaskraftwerken abgehängt. Mit einem sogenannten Süd-Bonus, einer Bevorzugung bei der Ausschreibung, will Reiche die Kraftwerke vor allem dahin bauen, wo viel Industrie sitzt, nämlich in Baden-Württemberg oder Bayern. Und die Kraftwerke bräuchte Ostdeutschland dringend, damit nicht das passiert, was in Spanien und Portugal passiert ist. Hier waren nämlich nicht genügend Kraftwerke am Netz.

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