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Die russischen Angriffe sind bei Pokrowsk festgefahren. Wladimir Putin schickt seinen Generalstabschef. Dennoch sieht es für die Ukraine im Donbass schlecht aus.
Pokrowsk – Die Welt schaut gebannt in den Nahen Osten, wo der Iran-Israel-Konflikt militärisch heftig eskaliert. Zeitgleich geht der Ukraine-Krieg unvermindert brutal weiter. Auch mit hohen Verlusten für die sich verteidigende Ukraine, die im Osten des geschundenen Landes nach wie vor schwer unter Druck steht.
Verluste gegen Wladimir Putin: Bittere Zahlen für die Ukraine gemeldet
Der US-Thinktank Center for Strategic and International Studies (CSIS) schätzte in einer Anfang Juni veröffentlichten Analyse zum Kriegsgeschehen, dass in den brutalen Gefechten bis zu 400.000 ukrainische Soldaten getötet oder verwundet wurden. Zwischen 60.000 und 100.000 ukrainische Soldaten sollen gegen die Armee von Moskau-Autokrat Wladimir Putin gefallen sein.
Dennoch können die Angreifer aus Russland die Donbass-Bastion Pokrowsk seit Monaten weder einnehmen noch einkesseln. In dieser Gemengelage hat der russische Generalstabschef Waleri Gerassimow nach Angaben des Kreml den Vormarsch der eigenen Besatzungstruppen im Osten der Ukraine inspiziert. Das Moskauer Verteidigungsministeriu veröffentlichte ein Video, das den ranghohen General bei einem Hubschrauberflug ins Frontgebiet und in einem Kommandopunkt bei einer Lagebesprechung der Heeresgruppe Zentrum zeigen soll.
Ukraine-Krieg: Die Ursprünge des Konflikts mit RusslandFotostrecke ansehenWaleri Gerassimow an Pokrowsk-Front: Wladimir Putin schickt ranghöchsten General
Gerassimow habe die Erfüllung der Kampfaufgaben von Truppen im Raum Pokrowsk kontrolliert, teilte das Ministerium weiter mit. Die Informationen lassen sich nicht unabhängig verifizieren, etwa der genaue Zeitpunkt und der genaue Ort der Aufnahmen. Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) schreibt, könnte der Besuch Gerassimows so nah an der Front nach Einschätzung von Beobachtern darauf hinweisen, dass Putin unzufrieden mit dem Vorankommen der eigenen Truppen bei Pokrowsk ist.
Schon seit Juli 2024 ist die ehemalige Bergarbeiterstadt mit vormals mehr als 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern von den Gefechten im Donbass betroffen. Seit Februar rückten immer mehr Verbände aus verschiedenen Richtungen kommend auf Pokrowsk vor. Russische Militärblogger meldeten damals in den Sozialen Netzwerken, dass eine Einkesselung der ukrainischen Verbände in der Stadt, wie früher zum Beispiel in Bachmut geschehen, angeblich nur noch eine Frage der Zeit sei. Seither gelang beschriebene Einkreisung jedoch bei Weitem nicht, weil sich die Ukrainer in den vorgelagerten Siedlungen verbissen wehrten.
Der russische Generalstabschef Waleri Gerassimow (re.) leistet Russland-Machthaber Wladimir Putin regelmäßig Bericht über den Ukraine-Krieg. © Montage IPPEN.MEDIA / IMAGO / Russian Look / ZUMA PressUkraine-Front bei Pokrowsk: Wladimir Putins Armee will Donbass-Bastion einnehmen
Damals, im Februar, kommentierte die Ukraine-Korrespondentin von Euro News, Valerie Gauriat: „Die Schlacht um Pokrowsk wird in diesem Krieg entscheidend sein. Es wird befürchtet, dass die russischen Truppen, wenn sie Pokrowsk einnehmen oder sogar umgehen, weiter ins Land vordringen und die ukrainischen Truppen zum Rückzug zwingen könnten. Die einzige Möglichkeit, dies zu verhindern, besteht nach Ansicht der ukrainischen Kommandeure darin, den Russen so viele Verluste wie möglich zuzufügen.“ Von Pokrowsk aus und dahinter zweigen mehreren Straßen zur Versorgung der ukrainischen Armee an verschiedenen Frontabschnitten entlang des Donbass ab. Nicht nur deshalb ist die Stadt strategisch wichtig.
Gerade das Beispiel Awdijiwka hat gezeigt, dass die Russen die früheren oder aktuellen Bergarbeiterstädte nutzen, um geschützt durch deren vergrabene Infrastruktur Kommandostrukturen und Lager hinter der Front aufzubauen. Pokrowsk würde sich in der Theorie an einem wichtigen Frontabschnitt ebenfalls dafür eignen. Im Mai hatten die Russen laut t-online die vierte und letzte Verteidigungslinie der Ukrainer erreicht. Brisant: Hinter Pokrowsk kommt über viele Kilometer weite Landschaft aus Feldern, die umso schwieriger zu verteidigen ist. Da sich keine Bastion aufbauen lässt wie Pokrowsk.
Verluste für die Ukraine: Russland setzt bei Prokowsk Glasfaserkabel-Drohnen ein
Geomaterial des Institute for the Study of War (ISW) und des AEI Critical Threats Project zeigen, dass die russischen Truppen die Stadt teils umgangen haben. Demnach sind sie südlich von Pokrowsk an die regionale Grenze zur Oblast Dnipropetrowsk vorgerückt, in deren Osten die Ukrainer bereits riesige Verteidigungsanlagen aus Schützengräben, Erdwällen und Beton-Drachenzähnen als Panzersperren angelegt haben. Aber: Wie das ukrainische Recherche-Projekt Deepstate in einer Analyse schreibt, sind diese Befestigungsanlagen eine der wenigen Taktiken gegen Putins Truppen überhaupt, da nach den hohen Verlusten überall ausreichend Soldaten für direkte Gefechte fehlen.
Heißt: Bei einem Fall von Pokrowsk könnte die russische Armee viele Gebietsgewinne folgen lassen. Und: Militärexperte Markus Reisner merkte kürzlich bei ntv an, dass die Russen viele mit Glasfaserkabeln gelenkte Kamikazedrohnen rund um Pokrowsk einsetzen. „Die sind absolut störresistent, sämtliche Störmaßnahmen waren damit völlig nichtig“, erklärte der österreichische Oberst: „Das heißt, wenn die Ukraine in die Offensive geht, hat sie genau dieselben Herausforderungen wie die Russen.“ (pm)