Die deutsche Überrepräsentation ist kein Zufall, denn Deutschland kann seiner Jugend kurz nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg oft nicht mal das nackte Überleben sichern. Allein in den Kriegsgefangenenlagern der französischen Besatzungszone sitzen 870.000 kampferfahrene ehemalige Wehrmachts- und Waffen-SS-Soldaten. Sie hungern und haben keine Perspektive – für die Werber der Fremdenlegion eine leichte Beute. Nicht nur einzelne Soldaten, sondern ganze Einheiten verpflichten sich geschlossen als Söldner.
Die zweite Generation der deutschen Fremdenlegionäre stellen Jugendliche im Alter zwischen 16 und höchstens 25 Jahren, die selbst nicht mehr oder nur noch in den letzten Tagen im Krieg gekämpft haben, die aber unter seinen Folgen leiden. Damit sind nicht nur fehlende Arbeits- und Ausbildungsplätze gemeint, sondern auch zerrüttete familiäre Verhältnisse, in denen viele dieser jungen Männer aufwachsen. Die Väter sind oft gefallen oder in Kriegsgefangenschaft. Viele Mütter lassen sich zudem nach einer überstürzt geschlossenen Kriegsehe scheiden. Hinzu kommen Spannungen mit neuen Stiefvätern, wenn verwitwete oder geschiedene Mütter erneut heiraten.
Die Familie als Heimstatt fällt weg, und die Fremdenlegion wird zur Ersatzfamilie – auch für Joachim Schriever, dessen Mutter mit einem Franzosen nach Frankreich übersiedelt und ihn in Deutschland zurücklässt. Als er daraufhin wegen kleinerer Straftaten geschnappt wird, muss er sich entscheiden: Gefängnis oder Fremdenlegion. „Da haben sie mir gesagt, wenn Sie in die Legion gehen, werden Sie nach fünf Jahren automatisch Franzose und können dann in Frankreich bleiben. Abenteuerlust hatte ich sowieso, also habe ich mich zur Legion gemeldet“, erinnert sich Schriever.
Bewerber, die sich aus Abenteuerlust, aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung, Liebeskummer oder wegen einer ungewollten Vaterschaft und entsprechender Unterhaltsansprüche und ähnlichen Motiven melden, sind übrigens – allen Legenden zum Trotz – eindeutig in der Minderheit. Denn auch wenn die Legion in dem Ruf steht, tolerant gegenüber Außenseitern, Gescheiterten und Kriminellen zu sein, ist die Auslese in jenen Jahren relativ streng, weil es schlicht und einfach zu viele Bewerber gibt. Wer ein zu langes Strafregister vorweist, wird abgewiesen, sofern das bekannt wird oder bei den vielen Vernehmungen während der Rekrutierung ein solcher Verdacht aufkommt.
Stellvertreterkonflikt im Kalten Krieg
Als sich das kommunistisch gewordene China in die Kämpfe auf Seiten der Viet Minh einschaltet, entwickelt sich der Kolonialkrieg in Vietnam zu einem Stellvertreterkonflikt des Kalten Krieges. Auch die neu gegründete DDR mischt indirekt mit. Die Viet Minh versuchen mit Unterstützung aus Ost-Berlin, die deutschen Legionäre zum Überlaufen und zur „Rückkehr in die DDR“ zu bewegen.
Zu diesem Zweck werden Flugblätter gedruckt, Parolen an die Wände verlassener Dörfer gemalt, eine auf Deutsch redigierte Zeitschrift aufgelegt sowie Schallplattenaufnahmen mit politischen Appellen und dem Versprechen der baldigen Heimreise dicht vor den Stellungen der Fremdenlegion abgespielt.
„Viele von Euch wurden unter Ausnutzung Eurer Notlage als Kriegsgefangene in die Fremdenlegion gepresst. Nun werdet ihr für den schmutzigen Krieg der französischen Imperialisten gegen das um Freiheit und Unabhängigkeit kämpfende Volk Vietnams missbraucht. Verlasst die Sklaverei der Fremdenlegion! Geht zur vietnamesischen Volksarmee über und schafft Euch damit die Möglichkeit zur Rückkehr in die Heimat!“, tönt es in Richtung der deutschen Legionäre.
Der Erfolg ist relativ bescheiden: Während des ganzen Indochinakrieges werden lediglich 1.325 erfolgreiche Desertionen verzeichnet – das sind nur 1,8 Prozent aller 72.833 in Indochina in den Jahren 1945-1954 eingesetzten Soldaten der Fremdenlegion. Auch einer der beiden Leiter der deutschen Propaganda-Abteilung in den Diensten der Viet Minh, Erwin Borchers, gesteht das indirekt ein: „In die Köpfe dieser schlecht entnazifizierten, verirrten und verwirrten Landsleute und Landsknechte ‚mehr Licht‘ zu bringen, ist schwer“, schreibt er in einem Brief an den DDR-Botschafter in Peking.
1.500 Fremdenlegionäre in der DDR
Zwischen 1951 und 55 werden sieben Spezialtransporte zur Rückführung von Überläufern aus Vietnam organisiert. Sie kommen über China, die Sowjetunion und Polen in ein Aufnahmelager nach Bischofswerda. Dort wird ihnen Wohnraum, Arbeit und die „richtige“ politische Haltung vermittelt.
Mit den „Heimkehrern“ hat die DDR etwas vor. Sie sollen als Zeugen in einer Propagandakampagne gegen den französischen „Imperialismus“ herhalten. Die DDR-Wochenschau „Der Augenzeuge“ berichtet 1952 von einer Pressekonferenz mit den ehemaligen Legionären. Auch Joachim Schriver ist bei dieser Pressekonferenz dabei. „Uns wurde alles in den Mund gelegt, was wir sagen sollten. Dass sie uns betrunken gemacht hätten, damit wir unterschreiben“, erinnert er sich.
Propaganda und Stasi-Überwachung
„Wir wissen, dass wir auch gegen die Interessen des deutschen Volkes handelten, als wir uns an die französischen Geldsäcke verkauften“, sagt ein anderer Teilnehmer der Pressekonferenz vor laufender Kamera. „Wir haben eine große Schuld wieder gut zu machen. Wir werden das tun, indem wir durch vorbildliche Arbeit den Kampf aller deutschen Patrioten um den Frieden und die demokratische Wiedervereinigung Deutschlands unterstützen.“