Berlin. Ein Tourist ist am Holocaust-Mahnmal durch einen „spitzen Gegenstand“ schwer verletzt worden. Ein 19-Jähriger aus Syrien wurde festgenommen.
- Am Holocaust-Mahnmal in Berlin hat sich am Freitagabend eine Messerattacke ereignet
- Das Opfer, ein spanischer Tourist, wurde schwer verletzt
- Bei dem Tatverdächtigen handelt es sich um einen 19-Jährigen aus Syrien
- Die Staatsanwaltschaft geht inzwischen von einem antisemitischen Motiv aus
Die Berliner Staatsanwaltschaft geht beim Angriff auf einen spanischen Touristen im Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals von einem antisemitischen Hintergrund aus. „Nach bisherigem Kenntnisstand, insbesondere aufgrund entsprechender Äußerungen des Beschuldigten gegenüber der Polizei, soll seit einigen Wochen der Plan in ihm gereift sein, Juden zu töten“, teilte die Polizei mit.
Die Messerattacke hatte am frühen Freitagabend für Entsetzen gesorgt: Der Tatverdächtige, ein 19 Jahre alter Geflüchteter aus Syrien, stach laut Polizei „mit einem spitzen Gegenstand“ auf einen 30 Jahre alten Touristen aus Spanien ein und verletzte ihn schwer.
Der Syrer ist der sächsischen Polizei wegen verschiedener Straftaten bekannt gewesen. Er sei jedoch kein Mehrfach- oder Intensivstraftäter, teilte das sächsische Innenministerium mit. Der Mann sei 2023 eingereist und habe seitdem im Freistaat gelebt. Der 19-Jährige sei in Sachsen polizeibekannt gewesen „mit einfachen Straftaten der allgemeinen Kriminalität“. Einen „Staatsschutzbezug“ – also einen politischen Hintergrund – habe es bei diesen Taten nicht gegeben. Der Mann sei vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt gewesen. Er sei nicht ausreisepflichtig gewesen.
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Messerattacke am Holocaust-Mahnmal: Verdächtiger „mit Blutanhaftungen“ festgenommen
Gegen 20.45 Uhr, rund drei Stunden nach der Tat, nahm die Polizei den Tatverdächtigen am Rand des Mahnmals fest – vor den Augen vieler Journalisten. Ermittler seien auf den Mann „aufmerksam geworden“, sagte Polizeisprecher Florian Nath der Berliner Morgenpost. Noch am Abend bestätigte die Polizei via X, die Einsatzkräfte hätten den Verdächtigen „aufgrund erkennbarer Blutanhaftungen“ festgenommen.
Die Festnahme des Tatverdächtigen wurde von zahlreichen internationalen Journalisten beobachtet.
© Uta Keseling
Mann am Holocaust-Mahnmal schwer verletzt – aber nicht in Lebensgefahr
Die Berliner Feuerwehr leuchtete den Bereich mit einem großen Kran aus, damit Ermittler den mutmaßlichen Tatort zwischen den Stelen des Mahnmals untersuchen konnten. Vor Ort war zu sehen, wie Ermittler Gegenstände oder Kleidung in Papiersäcke steckten, wohl zur Beweissicherung.
Nach dem Angriff am Holocaust-Denkmal in Berlin ist am Samstagmorgen der Bereich immer noch abgesperrt.
© dpa | Paul Zinken
Der Mann hatte nach Polizeiangaben keine Papiere bei sich und war leicht bekleidet. Bei ihm handelt es sich um einen 19 Jahre alten Geflüchteten aus Syrien. Er lebt in einer Geflüchtetenunterkunft in Leipzig. Die Berliner Staatsanwaltschaft bestätigte auf Anfrage entsprechende Informationen der „Bild“-Zeitung. Dem Bericht zufolge soll es bereits Untersuchungen in der Unterkunft in Leipzig gegeben haben.
Die Berliner Feuerwehr leuchtete das Mahnmal mithilfe eines Krans aus.
© Uta Keseling
Zuvor hatte die Polizei zu den Ermittlungen mehrere Augenzeugen befragt, die die mutmaßliche Tat mit angesehen hatten. Zahlreiche Passanten und Touristen waren am Mahnmal unterwegs, die sich irritiert und erschrocken nach dem Polizeieinsatz erkundigten. Das Opfer werde in einem Krankenhaus operiert, hieß es. Den Angaben nach war er in einem stabilen Zustand.
Holocaust-Mahnmal: Keine Gefahr für die Bevölkerung
Bei vielen ausländischen Journalisten lagen die Nerven vor allem wegen der Symbolik des Ortes blank, der an die Ermordeten Juden in Europa gemahnt. Viele fragten nach einem Zusammenhang mit den Anschlägen der vergangenen Wochen in Deutschland. Auch eine Gefahr für die Bevölkerung bestehe nicht, hieß es – noch bevor der mutmaßliche Täter gefasst wurde. Ebenso wenig gebe es einen direkten Zusammenhang zu den Absperrungen und Pollern, die in den vergangenen Tagen im Bereich zwischen dem Brandenburger Tor und Unter den Linden aufgebaut worden waren.
Die Polizei war mit einer mobilen Pressestelle vor Ort, um den Journalisten auf deutsch und englisch Auskunft zu geben. Viele Teams waren direkt vom roten Teppich der Berlinale herübergeeilt, die derzeit in Fußnähe am Potsdamer Platz stattfindet. Andere waren wegen der Bundestagswahl am Sonntag angereist. Er sei erst zwei Stunden zuvor in Berlin gelandet, berichtete ein US-Journalist der Berliner Morgenpost. Er habe das Mahnmal am frühen Abend besucht – und das mutmaßliche Opfer am Boden liegen gesehen. Er habe den Mann für einen Betrunkenen gehalten. Er gab seine Beobachtungen der Polizei als Zeuge zu Protokoll. Von seinen deutschen Reporter-Kollegen wollte er wissen: „Ist es normal, dass hier an diesem Ort so etwas passiert?“
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Kai Wegner: „Hinterhältiger und feiger Messerangriff“
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sprach am Samstag von einem „hinterhältigen und feigen Messerangriff aus antisemitischen Motiven“. Er lobte den Einsatz der Rettungs- und Sicherheitskräfte. Weiter schrieb er: „Wer in Deutschland Schutz haben will, greift keine Menschen mit dem Messer an. Wir werden dazu in engem Austausch mit den sächsischen und Bundesbehörden stehen. Ich erwarte auch von der nächsten Bundesregierung, dass sie dafür sorgt, dass solche Täter ihren Schutzstatus verlieren und schnell unser Land verlassen müssen.“
Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) äußerte sich am Samstagnachmittag bei X: „Ein versuchtes Tötungsdelikt mit dem Verdacht einer antisemitischen Motivation gerade am Denkmal für die ermordeten Juden Europas – das ist unerträglich. Meine Gedanken sind bei dem Verletzten. Ich wünsche ihm von Herzen baldige und vollständige Genesung.“
Morgenpost Späti
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Der Landeschef der Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP), Stephan Weh, lobte den Einsatz seiner Kollegen und forderte Verbesserungen für die Ermittler. Es sei schlimm genug, dass wieder ein Mensch in der Hauptstadt mit einem Messer niedergestochen wurde. „Dass das direkt am Holocaust-Denkmal passiert, sorgt natürlich noch mal für einen anderen Fokus. Wir werden derartige Taten nie komplett verhindern können. Aber es ist entscheidend, wie Sicherheitsbehörden reagieren.“ Die Polizei Berlin habe „mit Bravour gezeigt, wie hervorragend sie in solchen Lagen arbeitet“. Die Tatsache, dass es sich beim Angreifer wieder um einen Asylbewerber handele, der zudem eine antisemitische Motivation aufweist, zeige jedoch „noch mal deutlich, dass die nächste Bundesregierung endlich praxisnahe Maßnahmen ergreifen muss anstatt sich in Phrasen zu erschöpfen“, so Weh. Es sei ein Bruchteil der Geflüchteten, „die für unser Zusammenleben eine Gefahr darstellen. Aber wir müssen endlich die Chance haben, diejenigen herauszufiltern und bei Abschiebungen zu priorisieren. Dazu brauchen wir eine länder- und behördenübergreifende Datenbank, bei denen Gewalttaten, psychische Erkrankungen und Asylstatus zusammenfließen.“