auf dem Nato-Gipfel nächste Woche in Den Haag werden die Regierungschefs der Mitgliedsstaaten natürlich auch wieder darüber sprechen, wie Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine beendet werden kann. Charles Kupchan hat einen auf den ersten Blick überraschenden Vorschlag: Die Aussicht auf eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine müsse vom Tisch.

Das schreibt der renommierte Professor für Internationale Beziehungen an der Georgetown Universität in Washington und Direktor für Europäische Angelegenheiten im Nationalen Sicherheitsrat der USA unter den Präsidenten Barack Obama und Bill Clinton im Magazin „Foreign Affairs“ (Quelle hier).

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Kupchan glaubt einerseits, dass es einfacher würde, eine Waffenruhe mit Russland zu verhandeln, wenn klar sei, dass die Ukraine nicht Teil des Verteidigungsbündnisses würde. Schließlich sei es auch die Aussicht auf die Expansion der Nato bis an Russlands Grenze gewesen, die Putin dazu bewegt habe, die Ukraine anzugreifen – und Kupchan zeigt in einer ausführlichen historischen Erklärung ein gewisses Verständnis für diese Position.

Aber vor allem wäre der Schritt ehrlich, schreibt Kupchan: schließlich hätten die Nato-Mitgliedstaaten in den letzten drei Jahren gezeigt, dass sie kein Interesse haben, die Ukraine direkt gegen Russland zu verteidigen.

Die Illusion einer Nato-Mitgliedschaft aufrechtzuerhalten, schwäche die Führung in Kiew, glaubt Kupchan. Denn das Bestreben sei zum Scheitern verurteilt. Nähmen die Mitgliedstaaten die Option endgültig vom Tisch, „können Kiew und seine Unterstützer andere Pläne schmieden, um dem Land die Sicherheit zu geben, die es braucht und die es verdient“.

Dazu gehörten sowohl weitere Waffenlieferungen als auch die Vorbereitungen für eine baldige EU-Mitgliedschaft der Ukraine – denn Putin habe angedeutet, dass er damit leben könne.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Russland wird einem Medienbericht zufolge in einer Bundeswehr-Analyse als „existenzielles“ Risiko für Deutschland bezeichnet. Der Kreml richte sowohl seine Industrie als auch die Führungsstrukturen „gezielt an den Anforderungen für einen großmaßstäblichen Konflikt gegen die Nato zum Ende dieser Dekade aus“, zitiert der „Spiegel“ am Freitag aus der neuen Militärstrategie der Bundeswehr. Mehr hier.
  • Der Ostseeraum hat sich nach Ansicht von Außenminister Johann Wadephul zu einem gefährlichen geopolitischen Hotspot entwickelt. „Dies ist eine Zone, in der die Gefahr einer militärischen Konfrontation real ist, eine Zone, in der Russlands hybride Aktivitäten unseren Frieden und unsere Sicherheit untergraben“, sagte der CDU-Politiker zum Start der „Kiel Security Conference“. Mehr im Newsblog.
  • Oleksiy Chernyshov, Vizepremier und Minister für nationale Einheit, steht im Mittelpunkt einer groß angelegten Antikorruptionsuntersuchung. Seine ehemaligen Mitarbeiter wurden bereits wegen mutmaßlicher Beteiligung an dem Betrug verhaftet.
  • Russland und die Ukraine haben ihren in Istanbul vereinbarten Austausch von Kriegsgefangenen fortgesetzt. Der mittlerweile sechste Austausch fand erneut an der ukrainisch-belarussischen Grenze statt, wie das Verteidigungsministerium in Moskau mitteilte. Zahlen nannte es nicht.
  • Bei einem russischen Drohnenangriff auf südukrainische Hafenstadt Odessa ist nach Behördenangaben ein Mensch getötet worden. 14 weitere hätten Verletzungen erlitten, darunter 3 Rettungskräfte, schrieb die regionale Staatsanwaltschaft am Morgen bei Telegram. 
  • Ein Ende 2024 beschädigtes Unterseekabel in der Ostsee funktioniert wieder. Der Schaden an der Stromleitung Estlink 2 zwischen Estland und Finnland sei behoben, die Verbindung voll funktionsfähig und seit der Nacht zu Freitag wieder am Strommarkt verfügbar, teilte der estnische Netzbetreiber Elering mit.
  • Die russische Armee hat ihre Angriffe auf wichtige Ziele – die Verteidigungslinien von Novopawlowsk, Kostjantyniwsk und Siversk – verstärkt. Am auffälligsten sind die Durchbrüche in Richtung des Dorfes Saporischschja nahe der Grenze zum Oblast Dnipropetrowsk.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Brigadegeneral Hennadij Schapowalow zum neuen Kommandeur der Bodentruppen des von Russland angegriffenen Landes ernannt. Die Präsidialverwaltung in Kiew veröffentlichte den entsprechenden Erlass. 

Hintergrund und Analyse „Sie haben einfach ihre Uniformen ausgetauscht“ Wie mächtig sind Russlands Wagner-Söldner noch? Einsatz von taktischen Atomwaffen im Ukraine-Krieg? Russische Hardliner fordern Putin zur Eskalation auf „Uns fehlen Kartoffeln“ Russlands Wirtschaftsminister warnt vor einer Rezession