Standdatum: 20. Juni 2025.

Autorinnen und Autoren:
Steffen Hudemann

Die Neonazi Gruppe Jung und Stark, JS, demonstriert in der Innenstadt von Essen.

Die Neonazi-Gruppe „Jung und Stark“ agiert deutschlandweit. Das Bild zeigt eine Demo in Essen von März.

Bild: dpa | Jochen Tack

Sie nennen sich „Weser-Ems-Aktion“ oder „Jung und Stark“: Neue Gruppen junger Rechtsextremer treten in Bremen offen auf wie seit Jahren nicht. Viele radikalisieren sich im Netz.

Sie kommen im Schutz der Dunkelheit. Insgesamt sind es fünf oder sechs Personen. Einige von ihnen betreten das Grundstück des linken Kulturzentrums am Sielwall und beginnen damit, Banner mit linken politischen Botschaften abzuhängen. Die anderen halten vor dem Haus auf der Straße Wache oder filmen. Wenig später posieren die Rechten mit den Bannern vor der Grünen-Zentrale am Wall, die Hände zum rassistischen „White Power“-Gruß erhoben.

Videoscreenshot aus einem WhatsApp-Video einer Gruppe mit Transparenten vor der Zentrale der Grünen in Bremen

Das Video der „Weser-Ems-Aktion“ ist noch immer im Netz zu finden.

Bild: Screenshot: telegram / Weser-Ems Aktion

Die Aktion aus dem Dezember 2024 ist in den Social-Media-Kanälen der Gruppierung „Weser-Ems-Aktion“ dokumentiert. Das Video ist bis heute im Netz zu finden. Es zeigt, wie selbstbewusst die Rechtsextremen in Bremen inzwischen unterwegs sind. Dass sie sich ins politische eher linke Viertel trauen, ist eine Machtdemonstration, eine bewusste Provokation.

Rechtsextremismus „größte Gefahr für die Demokratie“

Der zunehmende Extremismus bei jungen Menschen besorgt auch den Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Bei der Vorstellung des aktuellen Verfassungsschutzberichts spricht er von einer „erschreckend rasanten Radikalisierung“. Dabei stellt der Rechtsextremismus aus Sicht der Behörden weiterhin die größte Gefahr für die Demokratie dar.

Die politisch motivierte Kriminalität durch Rechtsextremisten sei in Bremen insgesamt um 26,8 Prozent gestiegen, die Zahl der Gewaltdelikte – in der Regel Körperverletzungen – von 8 auf 18. In Bremen geht der Verfassungsschutz dabei von einem rechtsextremistischen Potenzial von 220 Personen aus. Etwa die Hälfte davon wird als gewaltbereit eingestuft.

Unser Rechtsstaat steht vor einer großen Herausforderung, wenn es Jugendlichen normal erscheint, Hakenkreuze auf Mauern und Wände zu schmieren.

UIricht Mäurer (SPD), Innensenator

Hinter diesen Delikten stehe eine verfassungsfeindliche und menschenverachtende Ideologie. Erst im Mai nahm das Bundeskriminalamt insgesamt fünf mutmaßliche Terroristen fest, denen es Anschläge und Anschlagsversuche auf Flüchtlingsunterkünfte und ein Kulturhaus zurechnet. Das Erschreckende: Die Verdächtigen sind gerade mal 14 bis 18 Jahre alt. Sie bezeichneten sich als „Letzte Verteidigungswelle“.

Soziale Medien als „Brandbeschleuniger“

Bremen sei zwar nicht das Zentrum der rechtsradikalen Bewegung, so Mäurer, „aber wir sehen deutlich, dass die Zahl auch hier zunimmt“. Insbesondere gebe es immer mehr Gruppen junger Menschen, die bereit sind, gewalttätig aufzutreten.

Soziale Medien und Messengerdienste fungieren dabei „wie ein Brandbeschleuniger“, sagt Thorge Koehler, Leiter des Bremer Verfassungsschutzes. Auf Telegram oder Instagram sind auch Bremer Gruppen wie die „Weser-Ems-Aktion“ unterwegs. Hier stellen sie Propaganda zur Schau, hier werben sie um neue Mitglieder.

„Jung & Stark“ nennt sich eine andere bundesweit vernetzte Gruppe, die auch im Bremer Umland aktiv ist. Dort zeigen sich junge Rechtsextreme beim Kampfsport-Training oder hetzen gegen Veranstaltungen queerer Menschen, etwa den Christopher-Street-Day. Im November vergangenen Jahres hatte „Jung & Stark“ eine Demonstration in der Bremer Innenstadt angemeldet, diese aber kurzfristig wieder abgesagt.

Gegenreaktionen aus der linksextremen Szene

Schon jetzt führt die zunehmende Aktivität rechtsextremer Gruppen zu Gegenreaktionen in der linksextremen Szene. Im Januar 2025 etwa registrierten die Behörden einen Überfall von gewalttätigen Linksextremisten auf junge Neonazis auf dem Bahnhof Verden. Im April vergangenen Jahres schon sollen Linksextremisten in Bremen Personen angegriffen haben, die sie der rechtsextremen Szene zuordneten.

Die Befürchtung bei Innensenator und Verfassungsschutz ist groß, dass diese Spirale extremistischer Gewalt im Jahr 2025 weiter zunimmt. Dagegen könnten Geheimdienste und Sicherheitsbehörden nicht alleine vorgehen, betont Verfassungsschutz-Chef Koehler. Diese Aufgabe betreffe die gesamte Gesellschaft.

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Dieses Thema im Programm:
buten un binnen, 20. Juni 2025, 19.30 Uhr