Hamburg – Es ist ein Albtraum, wie ihn sich niemand vorstellen will – und doch ist er Realität. Ein junger Mann soll über Jahre hinweg Kinder im Internet in einen Strudel aus Missbrauch, Angst und psychischer Folter gezogen haben. Seit Dienstag sitzt der Deutsch-Iraner Shahriar J. (20) u. a. wegen Mordes in U-Haft. Die Polizei ist sicher: Er ist der Mann, der hinter der monströsen Internet-Bestie „White Tiger“ steckt!
Dem Deutsch-Iraner werden mehr als 100 Taten vorgeworfen. Dabei geht es um 39 Fälle gefährlicher Körperverletzung, 20 Fälle des teils schweren sexuellen Missbrauchs sowie 42 Taten des Besitzes von Kinderpornos und um mehr als 13.000 Dateien.
Nachts um drei wurde J. im Haus seiner Eltern in Hamburg-Wandsbek festgenommen. Sein Vater, der sein Vermögen mit Medizintechnik gemacht haben soll, spricht jetzt erstmals in einem exklusiven Interview mit der „Mopo“ über seinen Sohn und scheint fassungslos über die grauenvollen Vorwürfe.
Vertritt den beschuldigten Hamburger: Rechtsanwältin Dr. Christiane Yüksel
Foto: Marco Zitzow
Gholamreza J. (52), der laut „Mopo“ Ende 2013 mit seiner Familie nach Hamburg zog, hat auf die Frage, ob er seinen Sohn für schuldig hält, keine Antwort. Unter Tränen sagt er den „Mopo“-Reportern: „Er ist so ein intelligenter junger Mann, ist an allem interessiert, ist unglaublich gebildet. Er war immer schon wissbegierig. Er weiß beispielsweise alles über Afrika. Sie können ihm jede Frage stellen. Zu Israel und dem Judentum weiß er auch alles.“
„White Tiger“ saß nur in seinem Zimmer
Shahriar J. machte sein Abitur auf der Winterhuder Reformschule, soll nach Angaben des Vaters viele Freunde gehabt haben, die ihn besuchten, um Computer zu spielen. Es soll die Corona-Zeit gewesen sein, die dazu führte, dass er kaum noch das Haus verließ. Der Vater: „Er hat dann nur noch in seinem Zimmer gesessen und war im Internet unterwegs. Von morgens bis abends.“ Gholamreza J. wusste, dass er z. B. „Call of Duty“ gespielt hat. „Was er da sonst noch gemacht hat – ich weiß es nicht.“
Unter den Daten, die Ermittler untersuchten, war auch dieses Bild einer nackten Barbiepuppe mit der Zahl „764“ auf der Stirn
Foto: Vernon Police Department
Angesichts der schwerwiegenden Vorwürfe gegen seinen Sohn hadert Gholamreza J. damit, dass das Internet in Deutschland gänzlich frei sei: „Im Iran ist das anders. Da sind böse Seiten abgeschaltet“. Und weiter: „Hier ist alles frei zugänglich. Und das ist so gefährlich. So gefährlich.“
Polizei hat „White Tiger“ schon länger im Visier
Offenbar blieben die Aktivitäten von „White Tiger“ Shahriar J. nicht unentdeckt, denn er soll bereits vor drei Jahren ins Visier der Ermittler geraten sein. „Da stand plötzlich die Polizei vor der Tür, hat mit meinem Sohn geredet, allerdings hinter verschlossenen Türen“, sagt der Vater zur „Mopo“. „Die Polizei hat mir nicht gesagt, worum es geht – mein Sohn war gerade 18 geworden. Und Shahriar hat mir auch nichts gesagt. Es habe mit dem Internet zu tun – sonst nichts.“
Shahriar J. führte danach offenbar weiter ein nach außen normales Leben, nahm an einer Privat-Uni ein Medizinstudium auf. „Er blühte im Studium regelrecht auf, lernte so viele Menschen aus aller Welt kennen, die Professoren lobten ihn. Stolz kam er nach Hause und erzählte, dass er eine Präsentation hatte – und er von allen der Beste war“, sagt der Vater.
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Doch im März 2025 endete sein Studium abrupt. Die Staatsanwaltschaft soll die Privat-Uni über die schweren Vorwürfe gegen den Studenten informiert haben. Er soll sofort exmatrikuliert worden sein.
Rund drei Monate später dann die Festnahme. Vor dem Haftrichter bestritt Shahriar J. alle Vorwürfe vollumfänglich.
Gegenüber BILD bestätigte die Anwältin des beschuldigten Hamburgers die Aussagen seines Vaters im „Mopo“-Interview.
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