Sechs Staffeln „Sex and the city“ schienen damals nicht genug. Millionen Menschen, vermutlich zu einem großen Teil Frauen, sahen Protagonistin Carrie Bradshaw (gespielt von Sarah Jessica Parker) dabei zu, wie sie nach ihrer großen Liebe suchte und dabei das Leben in New York City mit ihren drei besten Freundinnen genoss. Die Serie gipfelte in dem ultimativen Happy End. Dann kam der erste Film, der von Kritikern und Fans zu einem großen Teil gefeiert wurde. Jahre, nachdem wir uns alle von dem unsäglichen zweiten Blockbuster erholt haben, kam mit „And just like that“ eine neue Serie mit den alten Charakteren zurück. Ohne Kim Catrall (Samantha Jones), der wohl auch der zweite Film den Rest gegeben hat. Wer kann es ihr verübeln?

Manchmal kann die Neuauflage einer Serie gut funktionieren. Wie etwa die vier extra Episoden der Serie Gilmore Girls, die Fans alles gaben, was sie sich gewünscht haben. Oder auch die Sitcom „The Conners“, die Neuauflage der Serie „Roseanne“ aus den 90er Jahren. Sie erreicht heute alte und neue Fans und läuft schon sieben Staffeln. Auch die Vampirserie „Buffy“ und die 70er-Jahre Kultserie „Unsere kleine Farm“ sollen derzeit für eine Neuauflage in Planung seien. Die Daumen für ein gutes Remake sind gedrückt.

Zu viel Wokeness, zu viel aufgeklärte Coolness

Doch was bei „And just like that“ versucht wurde, darf kein Vorbild für neue/alte Serien sein. (Achtung – jetzt kommen Spoiler!) Schon die erste Staffel „And just like that“ lies Zuschauer teilweise ratlos zurück. Hatte man doch sehr früh den Eindruck, die Autoren würden versuchen, so viel Wokeness und aufgeklärte Coolness in das Skript zu drücken, wie es nur geht. Ja, es gibt deutlich mehr sichtbare Diversität in der Serie und das ist gut – aber muss es denn immer mit einem Vorschlaghammer sein? Muss die bislang heterosexuelle Miranda in einer Küche ihr homosexuelles Erwachen mit einer non-binären Person haben, während Carrie links um die Ecke im Bett liegt? Das Wort cringe hat schon da eine völlig neue Bedeutung bekommen.

Die ersten vier Episoden der dritten Staffel sind bislang beim Streamingdienst WOW erschienen und stehen der Zuschauer-Erfahrung der ersten beiden Staffeln in nichts nach. Hin und wieder möchte man sich die Decke über die Augen ziehen, wie etwa, als sich der neue/alte Mann Aidan in seinem Truck außerhalb seines Farmhauses die Finger leckt, um es sich mit Carrie am Telefon gemütlich zu machen. (Irgh!) Oder wie Carrie, eigentlich starke und intelligente Frau, eine leere Postkarte von ihrem Liebsten bekommt – und diesen Quatsch feiert, als habe er ihr einen Antrag gemacht. Überhaupt ist die Storyline völlig an den Haaren herbei gezogen. Ihr früherer Freund Aidan ist in der zweiten Staffel wieder in ihr Leben gekommen. Die Staffel endete damit, dass er Zeit für seine Kinder brauche, Carrie lässt sich auf jahrelange Wartezeit ein. Sind wir wieder im Mittelalter gelandet? Zeitsprung rückwärts? Nein, sie, ganz die verständnisvolle, devote Freundin, gibt ihm diesen Raum.

Warum? Man versteht es nicht und der Wunsch, dass sie diesen öden Countryboy endlich in die Wüste schickt, wird von Folge zu Folge größer. Gibt es denn keine interessanteren Geschichten über Frauen jenseits der 50 zu erzählen? Kann man sich kaum vorstellen, denn eigentlich ist doch auch in diesem Alter das Leben, die Lust, die Neugier und das Abenteuer noch nicht vorbei. Carrie allerdings entpuppt sich zur Frau im Schatten eines übergroßen Familienvatis, der auch noch so weit weg lebt, dass sie in einem Flugzeug zu ihm reisen muss. Das tut sie auch – ohne zu wissen, ob er sie fragen wird, ein paar Tage zu bleiben. Wo ist die Selbstbestimmung? Wo ist ihr eigener Wille?

Carrie und Miranda in New York.

Carrie und Miranda in New York.imago

Was man der Serie zugute halten muss, ist die nach wie vor inspirierende und teilweise groteske Mode. Es macht Spaß, die Frauen anzuschauen, wie Carrie etwa in einem Kleid und mit einem Hut auf dem Kopf, der aussieht wie ein Kofkissenbezug durch den Central Park stolziert. Die Kombinationen sind mutig und experimentell – so, wie sich eine Deutsche das Leben als New Yorkerin eben vorstellt. Das hatte auch schon in der damaligen Serie und den Filmen sehr gut funktioniert, fast könnte man meinen, die Mode sei ein zusätzlicher Protagonist der Serie.

Und trotzdem reißt die tolle Mode nicht raus, was die Autoren auch in der dritten Staffel nicht schaffen: die Hauptfiguren und ihre Entscheidungen nachvollziehbar machen. Zu simulieren, dass es sich um echte Freundinnen, um empfundene Liebe und Nähe zueinander handelt. Hin und wieder gibt es dann Szenen, in denen man sich fragen muss: was sollte das? Wie etwa als Harry, Charlottes Mann, seine Hose nicht rechtzeitig auf der Toilette öffnen kann und sich einnässt. In Slapstick-Formaten kann das witzig sein, hier wirkt es nur peinlich und vorhersehbar. Oder auch wenn Miranda mit einer Frau schläft, die ihr am Morgen danach offenbart, Nonne und Jungfrau zu sein. Geht es noch ein bisschen absurder? Und ihre Reaktion darauf ist nicht abgeklärt und cool, sondern sie ist überfordert und findet es komisch. Wo ist da die Wokeness geblieben?

Es ist Zeit, diesem Schwachsinn ein Ende zu bereiten. Lasst Carrie in Frieden und vielleicht mit einem klitzekleinen Rest Würde gehen. Sie wird bis an ihr Lebensende schreibend in ihrem Garten sitzen, ihre Freundinnen auf Oberflächlichkeiten und Cocktails treffen, vielleicht hin und wieder daten. Aber lasst sie gehen.

Trotzdem ist es wie mit einem Autounfall. Man will nicht hinschauen, alles sträubt sich, schon die Werbung für die Serie ist so hyper-cringe, dass es einem die Gänsehaut auf die Arme treibt. Man könnte einfach nicht einschalten, die nächste neue Folge ignorieren. Und dann tut man es doch. Weil es ist, als würde man alte Freunde wiedersehen. Weil man dann doch wissen möchte, wie es Carrie schafft, durchs Leben zu gehen. Schließlich haben wir sie und ihre Freundinnen begleitet, seit sie Anfang 30 waren. Am Ende bleibt die bittersüße Erkenntnis: manchmal muss man gehen, auch wenn die Feier noch nicht vorbei ist.