Am Samstagnachmittag versammelten sich rund 20 Menschen auf dem Boulevard nahe dem Leipziger Turm zu einer politisch aufgeladenen Kundgebung unter dem Motto: „Stoppt das Aushungern von Gaza! Stoppt den Völkermord!“. Dazu hatte das Solidaritätsnetzwerk Halle aufgerufen. Die Versammlung stand im Zeichen des Protests gegen Israels Militäreinsatz im Gazastreifen und die Rolle der Bundesregierung. Palästinensische Flaggen, Slogans wie „Freiheit für Palästina“ und zahlreiche Transparente bestimmten das Bild.

Die Veranstalter forderten ein sofortiges Ende der militärischen Operationen in Gaza und warfen Israel schwere Menschenrechtsverletzungen vor. In Redebeiträgen war von einem gezielten „Vernichtungsfeldzug“ gegen die palästinensische Bevölkerung die Rede. Ein Sprecher erklärte: „In den vergangenen 18 Monaten wurden mehr als 50.000 Menschen durch Israels genozidale Kriegsführung ermordet, darunter über 15.000 Kinder.“ Auf mehreren Plakaten wurden diese Zahlen ebenfalls thematisiert, wenngleich unabhängig überprüfbare Quellen für die genannten Opferzahlen nicht angeführt wurden.

Kritik an Israel und Solidarität mit Palästina
Die Redner:innen zeichneten ein erschütterndes Bild der humanitären Lage: Schulen, Universitäten und Krankenhäuser würden systematisch zerstört, obwohl bekannt sei, dass dort oft Zivilist:innen Schutz suchen. Die medizinische Versorgung sei faktisch zusammengebrochen, Leichen würden in provisorischen Lagern gestapelt, und es mangele an grundlegenden Medikamenten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe ein Polio-Virus in den Abwässern entdeckt – ein Baby sei laut einem Redebeitrag an Kinderlähmung gestorben, weil keine Impfstoffe verfügbar gewesen seien.

Auch Hunger und Wassermangel wurden thematisiert: Laut einem zitierten Bericht der Vereinten Nationen seien mittlerweile 100 Prozent der Bevölkerung im Gazastreifen von akuter Nahrungsmittelknappheit betroffen. Die Lage werde sich mit der heraufziehenden Dürre weiter verschärfen.

„Wir stehen heute hier nicht nur, um zu trauern, sondern um Widerstand zu leisten“, sagte eine Rednerin. „Gaza darf nicht weiter schweigend ausgelöscht werden. Hoch die internationale Solidarität!“

Scharfe Angriffe auf Deutschland
Neben der Kritik an Israel richtete sich ein zentraler Teil der Kundgebung gegen die deutsche Außen- und Rüstungspolitik. Deutschland sei mitverantwortlich für das Leid in Gaza, da es Israel seit Jahrzehnten militärisch unterstütze. Redebeiträge kritisierten, dass fast die Hälfte der israelischen Waffenimporte aus Deutschland stamme. Auch die neue Bundesregierung sei demnach nicht zurückhaltender: Trotz der verheerenden Lage in Gaza habe sie weitere Waffenexporte genehmigt.

„Deutschland steht wieder einmal auf der falschen Seite der Geschichte – auf der Seite des Faschismus“, sagte ein Redner. Insbesondere wurde bemängelt, dass der deutsche Staat sich vor dem Internationalen Gerichtshof hinter das israelische Existenzrecht stelle, statt die Kriegsführung Israels kritisch zu hinterfragen. Auch der Vorwurf, Deutschland verfolge im Nahen Osten imperialistische Interessen unter dem Deckmantel der Solidarität mit Israel, wurde mehrfach laut.

Ein anderer Beitrag betonte: „Das ist kein Konflikt auf Augenhöhe. Es ist ein asymmetrischer Krieg gegen ein eingesperrtes Volk. Und Deutschland hilft mit.“ Für die Teilnehmenden sei klar: Nur eine „kämpferische, internationale Arbeiter:innenbewegung“ könne die Machtverhältnisse in Frage stellen. Normale Proteste reichten nicht mehr aus.

Kritische Stimmen und Einordnung
Die Kundgebung verlief friedlich, wurde jedoch von mehreren Passanten mit Skepsis beobachtet. Einige hielten die Wortwahl der Redner:innen für überzogen, insbesondere den wiederholt erhobenen Vorwurf eines „Genozids“ sowie Vergleiche mit Faschismus. Kritiker:innen betonen, dass der Begriff „Völkermord“ eine sehr spezifische juristische Bedeutung habe, die in internationalen Verfahren wie vor dem Internationalen Gerichtshof geklärt werden müsse – nicht in pauschalen Anklagen auf der Straße.

Zudem bleibt der Vorwurf, Deutschland stehe „auf der Seite des Faschismus“, angesichts der historischen Verantwortung des Landes für den Holocaust, für viele eine rote Linie – nicht zuletzt, weil Israel als Zufluchtsort für Überlebende und deren Nachfahren gegründet wurde. Solche Formulierungen stoßen in der breiten politischen Öffentlichkeit regelmäßig auf Kritik und können zu einer Verengung der Debatte beitragen.

Gleichzeitig äußerten sich Teilnehmende gegenüber Journalist:innen auch differenziert: Es gehe ihnen nicht darum, jüdisches Leben zu delegitimieren, sondern Israels Regierungspolitik zu kritisieren – insbesondere im Hinblick auf Menschenrechte, Kriegsverbrechen und internationale Verantwortung.

Hintergrund: Anhaltender Krieg, schwindende mediale Aufmerksamkeit
Auslöser für die erneute Mobilisierung war laut den Veranstaltern ein weiterer israelischer Angriff auf iranisches Gebiet in der vergangenen Woche. Die Organisator:innen beklagten, dass die Aufmerksamkeit der Medien für die Lage in Gaza deutlich abgenommen habe – obwohl die humanitäre Notlage dramatischer denn je sei.

Ein Sprecher des Solidaritätsnetzwerks sagte: „Nach fast 80 Jahren Besatzung und Apartheid eskaliert der Krieg gegen Palästina seit 18 Monaten in einen Völkermord. Wir dürfen das nicht hinnehmen.“