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„Putin-Troll“ im Kreistag? Der fraktionslose Werner Bischoff bei seiner umstrittenen Rede, in der er eine Entschuldigung des Kreistags bei Russland forderte. © Dörr, Jens
Der fraktionslose Werner Bischoff provoziert das Parlament mit gewagten Aussagen zu Russland und Putin.
80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs hat der fraktionslose Werner Bischoff in der Juni-Sitzung des Kreistags Darmstadt-Dieburg beantragt, das Gremium solle sich für die damaligen Gräueltaten des deutschen Faschismus bei Russland entschuldigen. Weniger dieses Ansinnen allein als Bischoffs schriftliche Begründung sowie seine vorgetragene Rede sorgten im Parlament für Aufruhr.
„Hetze gegen den russischen Präsidenten“
Ihn beschäme „unser Umgang mit diesem Jahrestag, mit Russland, die Russophobie, die Hetze gegen den russischen Präsidenten“, sagte das frühere Fraktionsmitglied der Linken. Auch beschäme ihn, dass „im KZ Dachau von den zu Ehren der 4000 russischen Kriegsgefangenen niedergelegten Kränzen die Schleifen in den eigenen Nationalfarben entfernt wurden“.
Zugleich verwahrte sich der Reinheimer Bischoff, der in praktisch jeder Kreistagssitzung mehrere Anträge mit meist sozialpolitischem Inhalt einbringt, gegen den Vorwurf, seine ebenfalls regelmäßigen friedenspolitischen Vorstöße seien zumindest im Kreistag deplatzierte Symbolpolitik. Er verwies darauf, dass „die Angst vor einem weltweit eskalierenden Krieg nur zu berechtigt“ sei.
In Aufregung versetzte Bischoff die anderen Mandatsträger vor allem mit weiteren Ausführungen. So befand er, Russland sei im Ukraine-Krieg „nicht der alleinige Aggressor“. Die aktuelle Situation sei „nicht alleine Schuld Moskaus, sondern eine Folge einer fehlgeleiteten Politik des Westens“. Sie sei „vor allem der Nato-Osterweiterung zu verdanken“.
Politiker verlassen aus Protest den Sitzungssaal
Zugleich vereinnahmte Bischoff zur Unterstützung seiner Position andere Stimmen, von einem Michelstädter Pfarrer über einen Politologen bis hin zum friedens- und sicherheitspolitischem Manifest von SPD-Mitgliedern. „Russland ist nicht mein Feind“, stellte der Kreispolitiker heraus. Um dem rumorenden Saal (so auch im Skript vorbereitet) direkt danach zuzurufen: „Beschimpfen Sie mich als Putin-Troll, verunglimpfen Sie mich!“ Woraufhin Bischoff aus Reihen der Großen Koalition tatsächlich ein „Putin-Troll“ an den Kopf geworfen bekam.
Zu diesem Zeitpunkt hatte die gesamte Grünen-Fraktion aus Protest bereits den Sitzungssaal verlassen. Auch einzelne Abgeordnete anderer Fraktion und Landrat Klaus Peter Schellhaas (SPD) gingen demonstrativ raus. Gegenreden gab es keine – und durch die Bank Ablehnung für den Beschlussvorschlag einer Landkreis-Entschuldigung bei Russland.