Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will im geplanten
Wehrdienstgesetz auch eine Wehrpflicht verankern, die greift, wenn es zu wenige Freiwillige gibt. Pistorius sprach dabei von einer „Teilverpflichtung von Teiljahrgängen“. Zwar sei das Ziel, zunächst auf Freiwilligkeit zu setzen,
sagte der SPD-Politiker in der ARD-Sendung Caren Miosga. Sein Gesetz solle aber
bereits Regelungen enthalten, die dann griffen, wenn zu wenige Freiwillige
Wehrdienst leisteten: „Mein Ziel ist es, (dass) das Gesetz, was ich jetzt
einbringe, bereits zwei Regelungen enthält, die dann nur noch aktiviert werden
müssen, wenn die Zahlen nicht reichen.“
Das entsprechende Gesetz soll laut Pistorius noch vor der
Sommerpause in der Bundesregierung beraten und danach beschlossen werden. Das
Vorhaben stößt parteiintern auf Kritik. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch
hatte eine Rückkehr zur Wehrpflicht für diese Wahlperiode ausgeschlossen. Der
SPD-Vorsitzende und Vizekanzler Lars Klingbeil hatte dagegen Vorbereitungen für
eine etwaige Wiederaufnahme der Wehrpflicht gefordert. Eine Rückkehr
zur alten Wehrpflicht, bei der alle jungen Männer eines Jahrgangs eingezogen
werden, schloss Klingbeil jedoch aus.
60.000 zusätzliche aktive Soldaten und Soldatinnen benötigt
Der Verteidigungsminister will die aktiven Streitkräfte von
derzeit gut 180.000 auf bis zu 260.000 aufstocken. Zudem sollen 200.000
Reservisten zur Verfügung stehen, derzeit sind es allenfalls die Hälfte. Pistorius
will zunächst mit besserer
Bezahlung und Unterbringung die Bundeswehr attraktiver für Freiwillige machen.
Um die Ausbildungskapazitäten zu steigern, will die
Bundeswehr den Bau von neuen Unterkünften schnell voranbringen. Pistorius
sagte, wenn dann die Zahl der Plätze in den Kasernen größer sei als der
Freiwilligen, könne auch die Wehrpflicht greifen: „Dann ist genau der
Punkt, einen solchen Mechanismus von Kabinett und Parlament in Gang setzen zu
lassen, und zwar schnell, damit wir auf Teilverpflichtung von Teiljahrgängen
zugreifen können.“
Union und SPD hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag auf die
Einführung eines neuen Wehrdienstes nach schwedischem Vorbild geeinigt. Die
Union hatte ursprünglich eine Rückkehr zur Wehrpflicht verlangt.
Warum heißt es „schwedisches Wehrdienstmodell“?
Das geplante Wehrdienstmodell von Union und SPD orientiert sich im Kern am Wehrdienst in Schweden, der dort seit 2017 gilt. Das Modell funktioniert über einen webbasierten Fragebogen, der von allen Männern und Frauen eines Jahrgangs im Alter von 18 Jahren Motivation, Fähigkeiten und Interessen abfragt. Auf dieser Grundlage wird ein Teil der Personen zur Musterung geladen. Die Armee spricht dann nach der Musterung gezielt Männer und Frauen an, die für die Truppe geeignet sind.
Rechtlich gesehen ist der Wehrdienst in Schweden eine Wehrpflicht, faktisch konzentriert sich die Auswahl aber auf motivierte und besonders geeignete Personen. Ziel des Dienstes ist es, vor allem ausgebildete Reservisten zu haben, die dann regelmäßig an Übungen teilnehmen müssen.
Wer würde künftig in Deutschland gemustert?
Ähnlich wie in Schweden sollen hierzulande künftig Männer und Frauen eines Jahrgangs im Alter von 18 Jahren angeschrieben werden. Danach spricht die Bundeswehr die für sie geeigneten Personen an, ob sie einen Grundwehrdienst ableisten wollen. Die Anschreiben müssen allerdings nur von Männern beantwortet werden, da Frauen gesetzlich von einer Wehrpflicht befreit sind.
Für eine allgemeine Dienst- und Wehrpflicht für Frauen wäre eine Grundgesetzänderung nötig, für die es die notwendige Zweidrittelmehrheit im neuen Bundestag nicht gibt.
Wie lange würde der Wehrdienst in Deutschland dauern?
Der Entwurf sieht einen Grundwehrdienst von sechs Monaten vor. Zusätzlich soll es demnach die Option für einen freiwilligen Wehrdienst von weiteren 17 Monaten geben. Damit könnte sich die Gesamtzeit des Wehrdienstes auf 23 Monate ausdehnen.