Das Treffen der 32 Staats- und Regierungschefs in der mit 30.000 Sicherheitskräften zur Festung hochgerüsteten holländischen Staat findet also nach Trump’schen Regeln statt. Gerade einmal zweieinhalb Stunden werden die eigentlichen Gespräche am runden Tisch dauern. Anders als bei früheren NATO-Gipfeln wird dabei nicht in Unmengen Papier mit Beschlüssen und Plänen produziert, sondern – so verrieten NATO-Vertreter – ein einziges Blatt. Darauf ist festgehalten, was Trump schon vor Monaten überraschend aus der Hüfte geschossen hatte: Europas NATO-Mitglieder sollen in Zukunft fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben. 1,5 Prozent davon, so viel wurde den Europäern jetzt zugestanden, dürfen für Infrastruktur ausgegeben werden: Also Eisenbahnen, Straßen oder Schutz für wichtige Schaltzentralen, solange diese Ausgaben auch der Verteidigung dienen. Alles zusammen kommen auf Europas NATO-Staaten rund eine Billion Euro an Ausgaben für Verteidigung zu – bis 2035.

Diesen Kompromiss soll der Gipfel verabschieden, ohne diplomatische Erschütterungen und vor allem ohne Trump in Wut zu versetzen. Dass sich Spaniens Premier Pedro Sanchez unmittelbar vor dem Treffen noch von dem 5-Prozent-Ziel distanzierte – er werde den Sozialstaat nicht Trumps Forderungen opfern – wurde von NATO-Chef Rutte rasch unter den Tisch gekehrt.

Russland rüstet rasant

Der machte zum Auftakt des Gipfels noch einmal die Dringlichkeit deutlich, mit der dieses Vorhaben umgesetzt werden müsse. Russlands Kriegswirtschaft laufe auf vollem Tempo, produziere drei Mal mehr Waffen als die Europäer. Bis 2030 könnte Russland bereit sein, auch die NATO anzugreifen, kalkulieren westliche Geheimdienste.

Das aber wirkt umso bedrohlicher, weil Trump auch eine Drohung mit seiner Forderung auf den Weg geschickt hat. Würde Europa dieses Ziel nicht erreichen, würden die USA ihre Rolle als militärische Schutzmacht aufkündigen.

Dass auf diesen Schutz derzeit ohnehin kein Verlass mehr ist, das ist in Brüssel inzwischen zur schmerzlichen Gewissheit geworden. Zwar setzt etwa EU-Verteidigungskommissar Andrius Kubilius darauf, dass sich „die USA nicht aus der NATO zurückziehen werden, aber aus Europa werden sie sich militärisch verabschieden.“

Das, so warnte Kubilius vor ein paar Tagen bei einer Diskussion deutlich, werde rasch gehen. Die klare Konsequenz für Europa: „Wir müssen sofort anfangen, die militärischen Einrichtungen der USA in Europa zu ersetzen.“ Man müsse bereit sein, sich „gegen eine kampferprobte russische Armee zu verteidigen“. Das werde Unsummen kosten,„ aber nicht gerüstet zu sein, kommt uns noch viel teurer zu stehen.“