In allen Mainzer Stadtteilen stehen Schränke, in denen kostenlos Bücher getauscht werden können. Jetzt wird erforscht, wie die Schränke genutzt werden und welche Bücher „Schrankhüter“ sind.

„Olympisches Feuer“ von Liza Marklund, „Mutterherz“ von Tess Gerritsen und die sechs Bände eines alten Wirtschaftslexikons – diese Bücher stehen, neben vielen anderen, im öffentlichen Bücherschrank in der Hauptstraße in Mainz-Mombach.

Die drei Studentinnen Franziska Dietrich, Alexandra Rübberdt und Elena Marija Katt arbeiten gerade ihre Listen ab. In den vergangenen fünf Wochen haben sich mehr als 40 Studierende der Buchwissenschaft zwölf Bücherschänke in Mainz ganz genau angesehen.

Forschungsprojekt über Mainzer Bücherschränke

Sie arbeiten an dem Forschungsprojekt „Das Buch in der Gesellschaft: Akzeptanz öffentlicher Bücherschränke“. Dabei dokumentieren die Studierenden, wie viele Bücher in den Schränken stehen – und wie sich diese Zahl im Laufe des Untersuchungszeitraums verändert.

Wir wollen schauen, wie viele Bücher reinkommen und rausgehen.

Bunte Punkte markieren die Bücher

Los ging es am 20. Mai mit der ersten Zählung. Dabei klebten die Studierenden bunte Punkte auf alle Bücher, die zu diesem Zeitpunkt im jeweiligen Schrank standen. Für jeden Schrank wurde eine andere Farbe genutzt. In Mombach bekamen die Bücher einen gelben Punkt.

„So können wir auch sehen, wenn ein Buch von einem Stadtteil in einen anderen wandert“, sagt Vogel. „Und dann haben wir immer gezählt, wie viele Bücher im Schrank noch Punkte haben und wie viele nicht.“

Ein Buchregal mit mehreren Büchern in einem Bücherschrank in Mainz. Manche Bücher haben gelbe Klebepunkte auf dem Buchrücken.

Alle Bücher mit gelbem Punkt standen auch schon bei der Anfangszählung am 20. Mai im Bücherschrank im Mainzer Stadtteil Mombach.

Warum werden Bücher zu „Schrankhütern“?

Die drei Studentinnen dokumentieren jetzt die „Schrankhüter“ im Mombacher Bücherschrank. Also die mit den gelben Punkten. Dazu gehört auch das sechsbändige Wirtschaftslexikon – und generell viele sehr alte Bücher.

„Wir schauen, ob Schäden am Buch sind oder ob das Buch zum Beispiel sehr stark nach Zigarettenrauch riecht“, erklärt Studentin Alexandra Rübberdt. „Dann stellt man sich das vielleicht ungern ins Bücherregal.“

Manche Bücherschränke haben hohen Durchlauf

Mit der Zählung konnte für jeden Schrank ermittelt werden, wie viele Bücher von der Anfangszählung noch übrig geblieben sind – in Mombach stehen zum Beispiel nach fünf Wochen noch 17,78 Prozent der Bücher vom Anfang. Das ist ein ziemlich hoher Durchlauf.

Er wird aber noch getoppt von dem Schrank im Stadtteil Hartenberg-Münchfeld, der auf einen Wert von 6,25 Prozent kommt. Der Bücherschrank auf dem Lerchenberg schneidet hingegen am schlechtesten ab – hier standen bei der finalen Zählung noch etwa 59 Prozent der Ursprungsbücher.

Projekt kommt sehr gut an bei den Studierenden

Im Nachgang soll jetzt analysiert werden, woran das liegen könnte. „Eine Vermutung ist, dass der Schrank dort am Bürgerhaus steht,“ so Buchwissenschaftlerin Vogel. „Das ist ja lange Zeit renoviert worden und ist auch etwas schlecht zugänglich.“

Die finale Zählung der Bücherschränke wird jetzt ausgewertet. Die Nachfrage der Studierenden an dem Seminar und dem Forschungsprojekt von Anke Vogel war sehr groß.

Ich interessiere mich auch privat sehr für die Bücherschränke, stelle auch selbst Bücher rein oder nehme mir welche mit.

Vier Frauen stehen vor dem Bücherschrank und Mainz-Mombach. Sie halten Bücher und Zettel in der Hand.

Die Buchwissenschaftlerin Anke Vogel (l.) mit den Studentinnen Alexandra Rübberdt, Elena Marija Katt und Franziska Dietrich (v.l.n.r.). Sie erfassen den Inhalt von zwölf Bücherschränken in Mainz.

Bücherschränke sind nachhaltig und demokratisch

Alle Befunde werden jetzt noch wissenschaftlich aufgearbeitet und analysiert. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen im Juli vorgestellt werden.

Eine Erkenntnis ist für Anke Vogel aber jetzt schon klar: „Die Schränke werden wirklich gut frequentiert“, sagt die Buchwissenschaftlerin. „Und das zeigt ja tatsächlich, dass es eine Nachfrage nach gebrauchten Büchern gibt.“ Das erfreue sie und ihre Studierenden.

Es ist im Sinne der Nachhaltigkeit, dass gebrauchte Bücher weiter im Kreislauf bleiben und wiederverwendet werden.

Bücherschränke seien zudem hoch demokratisch. Jeder könne sie nutzen – auch ohne Ausleihkärtchen – und sogar zu jeder Tages-und Nachtzeit, sagt Vogel. „Eine niedrigschwelligere Möglichkeit der Buchversorgung kann man sich kaum vorstellen.“