Berlin – Warum warnte die Feuerwehr nicht vor dem Unwetter?

Es war ein Sturm, dessen Namen die Hauptstadt nicht vergessen wird. Die Bilanz von „Ziros“, der am Montag ab 17 Uhr über die Stadt hineinbrach: Eine Tote, drei Schwerverletzte, viele weitere Verletzte durch herabfallende Äste, hohe Sachschäden. Warum hat die Feuerwehr nicht über Warn-Apps vor dem Unwetter gewarnt, der Berlin in den Ausnahmezustand versetzte? BILD beantwortet die wichtigsten Fragen:

► Wie kam es zu dem heftigen Blitz-Sturm?

Gemäß dem Deutschen Wetterdienst (DWD) erreichte die Hauptstadt eine Frontlinie, die starke Böen verursachte. Bei Durchgang der Front kam kalte Luft hinzu und erzeugte plötzliche Windböen, die durch einen Mix aus hohen Luftebenen und Fallböen nach unten gedrückt wurden. Die Fallböen können mit Gewitterböen verglichen werden, da sie ebenfalls schnell und heftig auftreten.

Äste liegen nach einem Unwetter auf der Straße im Stadtteil Prenzlauer Berg. Teile des BVG-Verkehrs waren beeinträchtigt

Äste liegen nach einem Unwetter auf der Straße im Stadtteil Prenzlauer Berg. Teile des BVG-Verkehrs waren beeinträchtigt

Foto: Holger Mehlig/dpa

► Wie stark war „Ziros”?

Mit bis zu 108 km/h (Windstärke 11) und orkanartigen Böen fegte das Sturmtief über den westlichen Teil der Hauptstadt. Bei dem Sturm knickten zahlreiche Bäume um, Äste wurden auf Straßen und Wege geweht.

► Warum wurde die Hauptstadt von dem Unwetter so überrascht?

„Die gestrige Lage wurde in ihrer Heftigkeit von den Wettermodellen unterschätzt“, erklärt Meteorologe Maximilian Bähr von WetterKontor. Berlin werde in dieser Jahreszeit eher selten von so kräftigen Stürmen getroffen. Das Wettermodell ICON des Deutschen Wetterdienstes (DWD) sah zunächst noch Böen um 70 km/h voraus – tatsächlich lagen die gemessenen Windgeschwindigkeiten höher.

Dieser Baum in der Clayallee hielt dem Unwetter nicht stand, stürzte auf die Straße und begrub eine Radfahrerin unter sich. Sie wurde schwer verletzt in ein Krankenhaus transportiert

Dieser Baum in der Clayallee hielt dem Unwetter nicht stand, stürzte auf die Straße und begrub eine Radfahrerin unter sich. Sie wurde schwer verletzt in ein Krankenhaus transportiert

Foto: Axel Billig / Pressefoto Wagner

► Warum warnte die Feuerwehr nicht?

Bei einer morgendlichen Videokonferenz soll die Feuerwehr vom DWD über das Unwetter informiert worden sein. Trotzdem gab es später keine Warnung über die Katastrophen-Apps (u.a. Katwarn, NINA). Nach Aussagen der Berliner Feuerwehr lagen vor dem Unwetter allerdings keine Hinweise vor, die eine gesonderte Warnung gerechtfertigt hätten. Auch im Verlauf des frühen Abends wurde nicht unter „Ausnahmezustand Wetter“ gewarnt, als die Zahl der Einsätze dramatisch zunahm und die Freiwillige Feuerwehr unterstützen musste.

Innensenatorin Iris Spranger (63, SPD): „Wir werden das sehr genau evaluieren – und ich bin dazu auch mit der Berliner Feuerwehr natürlich in Kontakt.“

Wegen des Unwetters wurde der S-Bahn-Verkehr komplett eingestellt

Wegen des Unwetters wurde der S-Bahn-Verkehr komplett eingestellt

Foto: Michael Brandt/dpa

Warum stellte die S-Bahn den Betrieb komplett ein?

Vor allem als Vorsichtsmaßnahme stoppte die S-Bahn für 150 Wagen den Betrieb gegen 17.30 Uhr. „Wir wollten vermeiden, dass die Fahrgäste auf freier Strecke wegen umgestürzter Bäume stehen bleiben“, so ein Sprecher. Trotzdem mussten wegen umgestürzter Bäume auf der Linie S7 zwei Züge evakuiert und freigeschnitten werden. Ab 21 Uhr rollten die Züge langsam wieder, erst am frühen Dienstagmorgen wurden die letzten Streckensperrungen aufgehoben. Vereinzelt mussten Züge nach Kollisionen mit Bäumen auf Schäden geprüft werden. Bei der BVG musste die U3 zwischen den Stationen Breitenbachplatz und Krumme Lanke 30 Minuten unterbrochen werden.

Zahlreiche geparkte Autos wurden unter den herabgestürzten Ästen begraben

Zahlreiche geparkte Autos wurden unter den herabgestürzten Ästen begraben

Foto: Holger Mehlig/dpa

► Wie oft musste die Feuerwehr ausrücken?

Mehr als 750 Einsätze verzeichnete die Berliner Feuerwehr innerhalb weniger Stunden im gesamten Stadtgebiet, zur Unterstützung rückten auch Kollegen aus Brandenburg aus. „Wir haben gestern wirklich die Situation gehabt, dass alle Fahrzeuge in Berlin unterwegs waren“, so Innensenatorin Spranger. In Potsdam musste die Feuerwehr innerhalb von vier Stunden zu rund 120 Einsätzen ausrücken.

Im Berliner Tiergarten rissen die heftigen Sturmböen ein Zelt des Palästina-Protest-Camps aus dem Boden. Die Demonstranten versuchen, es am Platz zu halten

Im Berliner Tiergarten rissen die heftigen Sturmböen ein Zelt des Palästina-Protest-Camps aus dem Boden. Die Demonstranten versuchen, es am Platz zu halten

Foto: x.com/RakMakkabi

► Wie gefährlich war „Ziros“ ?

Auf der Schönwalder Allee im Spandauer Forst wurde eine Frau (55) in ihrem Kleinwagen durch einen umstürzenden Baum tödlich verletzt. In Spandau wurde eine 30-Jährige von einem herabstürzenden Ast schwer verletzt und musste notoperiert werden. Auf der Clayallee in Dahlem traf ein umstürzender Baum eine 59-jährige Radfahrerin, die mit erheblichen Verletzungen ins Krankenhaus kam. In Tegel an der Bernauer Straße wurde eine schwer verletzte Person mit dem Rettungshubschrauber in die Klinik gebracht. Zudem wurden mehrere Menschen durch herabstürzende Äste leicht verletzt.

Abgebrochene Äste liegen nach einem Sturm auf einer Straße in Berlin-Prenzlauer Berg neben einem Einsatzfahrzeug der Polizei.

Abgebrochene Äste liegen nach einem Sturm auf einer Straße in Berlin-Prenzlauer Berg neben einem Einsatzfahrzeug der Polizei.

Foto: Froben Homburger/dpa

► Kann ich jetzt schon wieder in die Berliner Wälder?

Nach dem Sturm warnt der Senat noch vor einem Betreten der Wälder. Die Aufräumarbeiten in den Forsten dauern noch an. Es wird empfohlen, die Hauptwege zu nutzen und auf Kopfhörer zu verzichten. In den Parkanlagen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten wurden ebenfalls zahlreiche Bäume beschädigt, allein 20 im Park Sanssouci. Auch im Schlossgarten Charlottenburg wurden zwei Bäume entwurzelt, auf der Pfaueninsel fiel ein Baum.

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► Ist das Unwetter jetzt vorbei?

Nach Angaben des Deutschen Wetterdienst (DWD) bleibt es windig mit 60 km/h. Bei Höchsttemperaturen bis zu 25 Grad soll es vereinzelt Regen geben.