Stand: 25.06.2025 12:59 Uhr

So gut wie keinen Autoverkehr innerhalb des S-Bahn-Rings – das fordert die Initiative „Berlin autofrei“. Ihr Volksbegehren dazu kann stattfinden, entschied nun Berlins oberstes Gericht. Doch bis zu einem Volksentscheid ist es ein weiter Weg.

  • Volksbegehren „Berlin autofrei“ laut Verfassungsgerichtshof zulässig
  • Senat hatte dem Gericht den Gesetzentwurf zur Prüfung vorgelegt
  • Initiatoren wollen ein faktisches Autoverbot innerhalb des S-Bahn-Rings
  • Initiative braucht rund 170.000 Unterschriften, damit es zum Volksentscheid kommt

Das Volksbegehren „Berlin autofrei“ ist zulässig. Diese Entscheidung teilte der Berliner Verfassungsgerichtshof am Mittwochvormittag mit.
 
Die Initiative kann nun weitere Schritte hin zu einem Volksentscheid einleiten. Ziel der Aktivisten ist es, den Autoverkehr in der Berliner Innenstadt drastisch zu reduzieren. So sollen Nutzer privater Pkw nur noch an maximal zwölf Tagen im Jahr in der Innenstadt fahren dürfen.
 
Berlins oberstes Gericht widersprach mit seiner Entscheidung der Einschätzung des Senats. Dieser hielt das Ziel für verfassungsrechtlich bedenklich und hatte den Gesetzentwurf der Initiative deshalb 2022 dem höchsten Gericht Berlins zur Prüfung vorgelegt.

Archivbild: Ein Fahrradfahrer fährt auf dem autofreien Teil der Friedrichstraße, während einer Pressekonferenz der Initiative «Volksentscheid Berlin autofrei» zur Vorstellung ihres Konzepts und ihres Gesetzentwurfs für eine autofreie Innenstadt. (Quelle: dpa/Soeder)

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Acht Richter waren dafür, nur einer dagegen

Der Gesetzesentwurf ist aus Sicht des Verfassungsgerichtshofs vereinbar mit der Berliner Verfassung, dem Grundgesetz sowie Bundesrecht. Der Landesgesetzgeber habe nach dem Straßenrecht einen Gestaltungsfreiraum, sagte Gerichtspräsidentin Ludgera Selting. Es bestehe kein Anspruch darauf, dass eine bestimmte Nutzung des Straßenraums aufrecht erhalten werde. „Das Straßennetz steht den Menschen weiter zur Verfügung“, sagte Selting.
 
Die Präsidentin betonte, dass das Gericht nicht darüber entschieden habe, ob Berlin autofrei werde. Die Richterinnen und Richter hätten lediglich zu beurteilen gehabt, ob sich der Gesetzentwurf im rechtlichen Grenzen bewege. Die Entscheidung fiel mit acht zu einer Stimme deutlich aus. Ein Richter hat ein Sondervotum verfasst.

Faktisches Autoverbot innerhalb des S-Bahn-Rings

Nach den Plänen der Initiative sollen nach einer Übergangszeit von vier Jahren fast alle Straßen innerhalb des S-Bahn-Rings mit Ausnahme der Bundesstraßen zu „autoreduzierten Straßen“ erklärt werden. Private Autofahrten sollen pro Person nur bis zu zwölfmal im Jahr möglich sein.
 
Ausnahmen von dem faktischen Autoverbot soll es demnach für Menschen mit Behinderung, Polizei, Rettungsdienst, Feuerwehr, Müllabfuhr, Taxen sowie Wirtschafts- und Lieferverkehr geben. Das gilt auch für Busse.

Menschen bei Freizeitaktivitaeten auf der Startbahn und Landebahn auf dem ehemaligen Flughafen Berlin Tempelhof, Saharastaub, Sonnenuntergang (Quelle: dpa)

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Initiative braucht nun rund 170.000 Unterschriften

Mit der Entscheidung ist die Initiative einen wesentlichen Schritt weiter. Die Organisatoren kündigten am Mittwoch an, dass sie nach einer Anhörung im Abgeordnetenhaus in die zweite Phase der Unterschriftensammlung starten wollen. „Um unseren Gesetzentwurf zur Abstimmung zu bringen und damit eine wirksame, sozial gerechte Verkehrswende in Berlin einzuleiten“, teilten sie auf ihrer Webseite mit.
 
Innerhalb von vier Monaten müssen die Unterschriften von mindestens sieben Prozent der Berliner Wahlberechtigten zum Abgeordnetenhaus gesammelt werden. Das sind derzeit rund 170.000 Menschen.
 
Gelingt das, würde ein Volksentscheid folgen, bei dem wie bei einer Wahl über den Gesetzentwurf abgestimmt wird. Der Volksentscheid wäre erfolgreich und würde das Gesetz in Kraft setzen, wenn eine Mehrheit der Wähler und zugleich mindestens ein Viertel aller Wahlberechtigten zugestimmt haben.
 
Die Initiative hatte im Sommer 2021 mehr als 50.000 Unterschriften für die Einleitung eines entsprechenden Volksbegehrens zur Verkehrswende gesammelt. Nötig waren in dieser ersten Phase des Volksbegehrens 20.000 gültige Stimmen. Doch zum nächsten Sammelschritt kam es nicht: Der Senat schaltete das Verfassungsgericht ein.

Unternehmensverbände: Autoverbot wäre schwerer Schlag

Der Anwalt der Initiative, Philipp Schulte, zeigte sich zufrieden über die „umfassende rechtliche Prüfung“ des Gesetzentwurfes. „Das Gericht hat unsere Auffassung bestätigt: Es gibt nach der Verfassung natürlich kein Grundrecht auf hemmungsloses Autofahren.“
 
Kritik kam von der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg: „Das Autofahren in Berlins Innenstadt weitgehend verbieten zu wollen, wäre ein schwerer Schlag für die Wirtschaft in der Hauptstadtregion“, erklärte Hauptgeschäftsführer Alexander Schirp.

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.06.25, 10:20 Uhr

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