Berlin – Wird die Berliner Innenstadt bald autofrei? Das zumindest fordert eine Initiative seit Jahren und will die Hauptstädter in einem Volksentscheid darüber abstimmen lassen. Doch der Berliner Senat schaltete das Verfassungsgericht ein – ohne Erfolg. Das Volksbegehren „Berlin autofrei“ ist zulässig.
Der Gesetzesentwurf ist demnach vereinbar mit der Berliner Verfassung, dem Grundgesetz sowie Bundesrecht. „Der Landesgesetzgeber darf einen neuen Straßenraum schaffen“, sagte Gerichtspräsidentin Selting. Er habe nach dem Straßenrecht einen Gestaltungsfreiraum.
Wann kommt der Volksentscheid?
Die Initiative „Berlin autofrei“ kann jetzt die nächste Phase des Volksbegehrens einleiten. Innerhalb von vier Monaten müssen die Unterschriften von mindestens sieben Prozent der Berliner Wahlberechtigten gesammelt werden. Das sind derzeit rund 170.000 Menschen.
Ein Sprecher der Initiative „Volksentscheid Berlin autofrei“ steht vor der Entscheidungsverkündung des Verfassungsgerichtshofs mit einer Weste mit der Aufschrift „Weniger Autos mehr Berlin“ im Gerichtsgebäude
Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa
Gelingt das, würde ein Volksentscheid folgen, bei dem wie bei einer Wahl über den Gesetzentwurf abgestimmt wird. Der Volksentscheid wäre erfolgreich und würde das Gesetz in Kraft setzen, wenn eine Mehrheit der Abstimmenden und zugleich mindestens ein Viertel aller Wahlberechtigten zugestimmt haben.
Schon im Sommer 2021 hatte die Initiative mehr als 50.000 Unterschriften für die Einleitung eines entsprechenden Volksbegehrens zur Verkehrswende gesammelt. Doch bevor die zweite Phase zum Volksentscheid starten konnte, stoppte die Verwaltung das Verfahren, schaltete 2022 das Verfassungsgericht ein, der das in einem Gesetzentwurf formulierte Ziel für verfassungsrechtlich bedenklich hielt.
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► Nach einer Übergangszeit von vier Jahren sollen fast alle Straßen innerhalb des S-Bahn-Rings zu „autoreduzierten Straßen“ umgewandelt werden.
► Privatfahrten sind dort pro Person nur maximal 12-mal im Jahr erlaubt.
► Ausgenommen sind behinderte Menschen, Polizei, Rettungsdienst, Feuerwehr, Müllabfuhr, Taxen, Busse sowie Wirtschafts- und Lieferverkehr.
► Bundesstraßen sollen weiter normal befahrbar sein.
Pro: Die Verkehrsaktivisten von „Berlin autofrei“ zählten am ersten Verhandlungstag die Vorteile auf: bessere Luft, eine gerechtere Aufteilung des öffentlichen Raums, mehr Platz für alle, mehr Klimaschutz und mehr Verkehrssicherheit. Der Wirtschaftsverkehr und Rettungsdienste kämen ohne Stau voran.
Ludgera Selting (r.), Präsidentin des Berliner Verfassungsgerichtshofes, erklärt: „Das Straßennetz steht den Menschen weiter zur Verfügung“
Foto: Michael Brandt/dpa
Contra: Für Innen- und Verkehrsverwaltung ist ein flächendeckendes Autoverbot ein unverhältnismäßiger Eingriff in verschiedene Grundrechte. Der ÖPNV könne die Verschiebung in der kurzen Zeit nicht kompensieren, das System würde überlastet. Außerdem sei der dafür nötige Ausbau zu zeitintensiv und teuer.
Nina Stahr und Philmon Ghirmai, Landesvorsitzende der Grünen in Berlin: „Wir teilen einerseits das Ziel, Berlin lebenswerter zu machen, sehen aber andererseits den Weg der Initiative kritisch. Wir sind ganz klar für die Verkehrswende: Weniger Autos, weniger Tempo, weniger Lärm, mehr Gesundheit und Wohlsein. (…) Ein weitreichendes Verbot von Autos im Innenstadtbereich könnte jedoch zu einer Polarisierung zwischen Innen- und Außenstadt führen. Das Risiko, dass Menschen, die derzeit noch ein Auto besitzen, sich überrumpelt fühlen, ist nicht zu vernachlässigen.“