Stand: 25.06.2025 20:44 Uhr
Trotz jahrelangen Fangverbots erholt sich der Ostseedorsch kaum. Kieler Forschende zeigen nun: Die Überfischung hat nicht nur die Bestände reduziert, sondern auch das Erbgut der Fische verändert.
Die langjährige Überfischung in der zentralen Ostsee hat nicht nur die Zahl der Dorsche verringert, sondern auch ihre genetische Struktur beeinflusst, denn heute sind die Fische deutlich kleiner und wachsen langsamer als früher.
Ostseedorsche: Körperlänge verringert sich deutlich
Im Rahmen einer neuen Studie des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel analysierten die Forschenden über einen Zeitraum von 25 Jahren Wachstum und Erbgut von 152 Dorschen, die im Bornholm-Becken gefangen wurden. Laut der Studie ging die Körperlänge der Ostseedorsche im Untersuchungs-Zeitraum um 48 Prozent zurück.
Gehörsteinchen weisen Veränderungen beim Ostseedorsch nach
Die gezielte Entnahme der größten Tiere über viele Jahre hinweg habe die Population nachhaltig verändert – gerade weil größere Exemplare für die Fischerei besonders attraktiv und kommerziell gewesen seien, sagt Prof. Dr. Thorsten Reusch, der zusammen mit Dr. Kwi Young Han die Studie geleitet hat.
Dorsche sind mit der Zeit immer kleiner geworden.
Die Forschenden nutzten kleine Gehörsteinchen, mit denen sich Alter und Wachstumsverläufe der Fische bestimmen lassen. In Kombination mit hochauflösender DNA-Sequenzierung konnten sie gezielte genetische Veränderungen im zeitlichen Verlauf nachweisen. So konnte man anhand der Jahresringe in den Gehörsteinchen einen Zusammenhang zwischen der Wachstumsrate und der genomischen Ausstattung der Bestände herstellen und herausfinden, dass sie heute sehr viel langsamer wachsen als noch vor 25 Jahren.
Dorsche immer kleiner: Umkehrung möglich, aber zeitintensiv
Zwar gilt die Entwicklung grundsätzlich als umkehrbar, doch Modellrechnungen zeigen: Es könnte sehr lange dauern, bis die Dorsche wieder ihre ursprüngliche Größe erreichen, wenn überhaupt.
Dr. Kwi Young Han forscht seit Jahren zu Ostseedorschen.
Der Dorsch spielte als großer Beutegreifer bislang eine Schlüsselrolle im Nahrungsnetz der Ostsee. Aufgrund seiner Verkleinerung kann er diese Rolle laut Experten aber nicht mehr erfüllen. Gleichzeitig sind auch andere Fischarten wie Hering und Sprotte stark überfischt, was das Nahrungsnetz zusätzlich schwächt. Im Zusammenspiel der Faktoren ist das marine Ökosystem der zentralen Ostsee nach Einschätzung der Forschenden bereits massiv beeinträchtigt.
Maßnahmen für nachhaltige Fischerei: Viel Potenzial, wenig Umsetzung
Für einen wirksamen Schutz der Dorschpopulation sei ein deutlich geringerer Fischereidruck nötig, der sich an den Prinzipien nachhaltiger Nutzung orientiere. Erste Modellierungen – unter anderem vom Kieler Forschungsteam und mit dem Thünen-Institut für Ostseefischerei – sollen zeigen, ob sich die beobachteten genetischen Veränderungen dadurch aufhalten oder sogar umkehren lassen.
Technisch seien bereits Lösungen vorhanden, wie etwa modifizierte Netze mit Öffnungen, durch die große, besonders fortpflanzungsfähige Tiere entweichen können. Es gebe zwar Ansätze, doch an der konsequenten Umsetzung in der Praxis fehle es bisher jedoch deutlich.
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