Ein halbes Jahr nach dem Start der SPD-BSW-Koalition ist in Brandenburg Ernüchterung eingetreten. Die Unzufriedenen sind in der Mehrheit. Es profitieren die Oppositionellen von rechts und links. Von Thomas Bittner
Der Start einer gänzlich neuen Regierungskonstellation wird nicht selten von Skepsis begleitet. Als 2009 in Brandenburg die SPD erstmals mit der Linkspartei in eine Koalition ging, waren nach 100 Tagen die Menschen nicht wirklich überzeugt. Nur 37 Prozent zeigten sich damals mit dem rot-roten Bündnis zufrieden.
Ähnlich ergeht es heute dem gewagten Bündnis aus Sozialdemokraten und Sahra-Wagenknecht-Anhängern. Nur vier von zehn Brandenburgerinnen und Brandenburgern sind zufrieden mit dem, was SPD und BSW bisher auf die Beine gestellt haben. Die neue Koalition hat zwar die Herausforderung gemeistert, einen Doppelhaushalt für die Jahre 2025 und 2026 aufzustellen. Sie zahlt dafür aber einen hohen Preis.
Die Nachricht, dass zwar Geld für neue Polizistenstellen ausgegeben werden soll, dass es aber nicht reicht, um zusätzliche Lehrkräfte in die gebeutelten Schulen zu holen, kommt nicht gut an im Land. Selbst die Anhänger der Regierungsparteien SPD und BSW finden das mehrheitlich falsch.
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Smartphone-Verbot statt Lehrkräftezuwachs
Das BSW hatte im Wahlprogramm 2024 noch einen „Kurswechsel in der Bildungspolitik“ versprochen. Ober- und Gesamtschulen sollten finanziell und personell gestärkt werden. Unterstützende Teams sollten Lehrerinnen und Lehrer entlasten, damit „endlich keine Unterrichtsstunde mehr ausfällt“. Davon ist nicht viel übrig.
Gerade mal die Nachricht, dass Smartphones und Tablets in der Grundschule weggeschlossen bleiben sollen, ist vom bildungspolitischen Aufbruch geblieben. Gegen die Mehrarbeit von Lehrkräften und den Wegfall von Förderung haben Tausende Menschen aus dem ganzen Land in Potsdam protestiert, Zehntausende haben Petitionen unterschrieben. So etwas hinterlässt Spuren.
Von denen, die heute noch einmal bereit wären, das BSW zu wählen, zeigt sich ein Viertel unzufrieden mit der Arbeit des Wagenknecht-Bündnisses in der Landesregierung. Der Oppositionsimpuls, aus dem heraus das BSW gegründet und gewählt wurde, verträgt sich schlecht mit der Kompromisssuche in der Regierungsverantwortung. Zum ersten Mal seit seiner Gründung ist das BSW in Brandenburg mit einem einstelligen Umfrageergebnis konfrontiert.
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Der BrandenburgTrend in Grafiken
SPD und BSW zusammen wären inzwischen weit entfernt von einer Regierungsmehrheit. Nicht einmal eine Dreier-Koalition, an der AfD vorbei, könnte aktuell eine Regierung bilden, zeigt der aktuelle BrandenburgTrend von Infratest Dimap im Auftrag von rbb24 Brandenburg aktuell und Antenne Brandenburg. Eine Brombeer-Koalition wie in Thüringen aus SPD, CDU und BSW würde es gerade mal zu einem Patt im Landtag schaffen.
Zugkraft des Ministerpräsidenten lässt nach
Die SPD hat im Vergleich zu Dezember am stärksten verloren und landet nur noch bei 23 Prozent. Damit ist die selbsternannte Brandenburg-Partei wieder bei dem Wert angekommen, den sie drei Wochen vor der Landtagswahl hatte. Anfang September 2024 erreichte sie im BrandenburgTrend denselben Wert. Erst danach begann Woidkes furioser Endspurt.
Neue Hürden warten schon
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Dass die Sozialdemokraten am Ende über 30 Prozent landeten und an der AfD vorbeizogen, war einem Wahlkampf zu verdanken, der komplett auf den Ministerpräsidenten zugeschnitten war. Jene 30,9 Prozent am Wahltag waren dann wohl eher der Ausreißer nach oben. Die 23 Prozent von heute sind das neue Normal für die SPD.
Dass Woidke der Erfolgsgarant für seine Partei sein könnte, ist auch nicht mehr sicher. 50 Prozent sind mit seiner politischen Arbeit zufrieden, so wenig waren das noch nie seit seinem Amtsantritt im Jahr 2013. Was ihn trösten dürfte: Im Vergleich zu anderen Länderchefs liegt er im unteren Mittelfeld, vom Regierenden Bürgermeister von Berlin (29 Prozent) hebt er sich allerdings deutlich ab.
Opposition profitiert
Von der Unzufriedenheit mit der Regierung und der sinkenden Zugkraft des Ministerpräsidenten profitiert die Opposition rechts und links. Die Linkspartei, die bei der Landtagswahl 2024 mit drei Prozent spektakulär am Wiedereinzug in den Landtag scheiterte, arbeitet sich wieder nach vorn. Im Vergleich zum Dezember holt sie jetzt mehr als doppelt so viel Stimmen.
Mit neun Prozent liegt die Linke jetzt erstmals gleichauf mit dem Bündnis von Sahra Wagenknecht, die mit ihrem Austritt und der Parteineugründung im vergangenen Jahr den Niedergang der Sozialisten beschleunigt hatte. Der furiose Wiedereinzug der Linken in den Bundestag sorgt für Aufmerksamkeit, die ihr als außerparlamentarischer Kraft in Brandenburg Rückenwind gibt.
Es ist aber vor allem die AfD, die aus der Unzufriedenheit mit den Regierenden Honig saugen kann. Zuletzt hatte sie ein Jahr vor der Landtagswahl solche hohen Werte, als sich die Zufriedenheit mit der damaligen Dreierkoalition aus SPD, CDU und Grünen in ähnlichen Bahnen bewegte wie heute die Zustimmung zur SPD-BSW-Regierung.
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Mehrheit sieht AfD-Verbotsverfahren skeptisch
Dass inzwischen der Landesverfassungsschutz die Landespartei als gesichert rechtsextremistisch eingestuft hat (diese Hochstufung aber vorerst ausgesetzt hat), hindert knapp ein Drittel der Befragten nicht, sich zur AfD zu bekennen. Das jüngst selbst erklärte Ziel der Brandenburger AfD ist die absolute Mehrheit bei der nächsten Landtagswahl. Davon ist die Partei noch relativ weit entfernt. Aber der Abstand zu allen anderen politischen Kräften ist schon erheblich.
Die AfD wird von einer Mehrheit der Brandenburger inzwischen als politische Kraft akzeptiert. Auch von Menschen, die sich nicht vorstellen können, eine solch radikale Partei zu wählen. 58 Prozent halten ein Verbotsverfahren gegen die AfD, also die Überprüfung der Partei auf ihre Verfassungsmäßigkeit, für nicht angemessen. Auf dem Land – in Dörfern und Kleinstädten – ist die Skepsis gegenüber einem solchen Verfahren besonders hoch. Die AfD scheint zum neuen Normal geworden zu sein. Nur die Anhänger von Grünen, Linken und SPD sprechen sich für ein Verbotsverfahren aus. Aber sie bleiben in der Minderheit.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 25.06.2025, 19:30 Uhr