Cover: Ayelt Gundar-Goshen, "Ungebetene Gäste"

Stand: 27.06.2025 06:00 Uhr

Die israelische Autorin Ayelet Gundar-Goshen erzählt in ihrem neuen Roman von einer toxischen Gesellschaft, in der Rassismus und Sprachlosigkeit bis in die letzten Winkel des alltäglichen Lebens ragen.

von Jochanan Shelliem

Ein Kind spielt auf dem Balkon. Ein arabischer Arbeiter geht auf die Toilette. Ein Hammer fällt einem Jungen auf den Kopf. Ein unachtsamer Augenblick. Und schon greifen die Zahnräder der Paranoia ineinander.

Die Kaffeemaschine brummte in rhythmischem Ton, der die Klogeräusche übertönte. Der Espresso füllte das gläserne Tässchen. Naomi schob hastig eine weitere Kapsel nach, um die Maschine im Gang zu halten, damit sie bloß nicht sein Kacken hörte. Das gleichmäßige Brummen des Gerätes betäubte ihre Ohren, ließ sie darin versinken. Erst mit einiger Verspätung erfasste sie, dass Uri auf dem Balkon plärrte.

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Der Sohn des Ladenbesitzers stirbt.

Aus der Toilette hörte sie die Wasserspülung rauschen. Die Tür ging auf, und der Arbeiter kam heraus, stellte die lärmende Belüftung ab. Leichte Schamröte stieg ihm ins Gesicht, weil sie ihn gehört hatte.

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Der arabische Arbeiter wird abgeführt.

Naomi drehte sich zur Spüle, kehrte ihm den Rücken und spülte mit bebenden Händen Geschirr. Du wusstest, dass Uri dauernd Sachen umwirft, wusstest, dass ein Hammer auf dem Balkon lag. Und doch hast du den Kleinen allein gelassen.

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Schuld, Moral und toxische Geheimnisse

Ayelet Gundar-Goshen konjugiert die Sollbruchstellen der Moral in Israel. Ihr Roman ist ein flirrendes, intimes Psychodrama über Rassismus und Rache, Mutterliebe und Lüge aus Angst. Wie verhält sich eine liberale Mittelschichtsfrau in diesem kranken Kosmos? Kann ein Besuch bei der arabischen Familie deren Wunde heilen? Und wie spricht man mit einem Lebensmittelhändler, dessen Sohn vor seinem Laden gestorben ist?

Drei Tage nach dem Vorfall war sie zur Polizei gefahren und hatte ihnen alles erzählt.    

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Zwischen Naomi und Juval steht nun das Wissen um den Hergang der Tat und die Verhaftung des unschuldigen Arbeiters.

Die Geschichte entfaltet sich in einem vielschichtigen, intensiven Spannungsraum, in dem die Fragen zu Schuld, Moral und deren Lähmung immer wieder neue Facetten aufblitzen lassen. Toxische Geheimnisse, Sprachlosigkeit und eine tiefe Trauer durchziehen den Roman. Als Joel sich nach Lagos versetzen lässt – er verdient jetzt viel mehr als in Israel – liegt das Geheimnis seiner Tätigkeit wie Mehltau auf dem Paar. Er berät nigerianische Piloten bei der Evakuierung verletzter Kollegen, die im Dienst die eigene Bevölkerung bombardieren. Sein erlösender Ausbruch aus der ehelichen Lähmung kommt, als er Naomi mit einer alten Freundin betrügt.

„Ungebetene Gäste“: Ein bitterböser, verstörender Roman

Sanft erzählt Ayelet Gundar-Goshen von den Intrigen der israelischen Community im Land und von den Kaskaden, die das Schuldgefühl in diesen Menschen auslöst, einer Lawine, die ihr Gewissen paralysiert und ihre Bekenntnisse in eine haltlose Sammlung von salonfähigen Phrasen verwandelt.

„Ungebetene Gäste“ ist ein verstörender Roman, der sich auf leisen Katzenpfoten in das Hirn der Lesenden schleicht. Der israelischen Psychologin und glänzenden Autorin Ayelet Gundar-Goshen ist eine bitterböse Momentaufnahme des in vielen Kriegsjahren gehärteten Rassismus in Israel gelungen.

Cover: Ayelt Gundar-Goshen, "Ungebetene Gäste"

Ungebetene Gäste

von Ayelet Gundar-Goshen

Seitenzahl:
336 Seiten
Genre:
Roman
Zusatzinfo:
Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama
Verlag:
Kein&Aber
ISBN:
978-3-0369-5063-1
Preis:
25 €

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Romane