1. rosenheim24-de
  2. Politik

DruckenTeilen

Umgang mit Russland, Ukraine und Aufrüstung: Beim SPD-Parteitag stehen dutzende Anträge dazu auf der Agenda. Die SPD-Basis will von Klingbeil gehört werden.

Berlin/Miesbach/Bremen – Beim SPD-Parteitag in Berlin könnte es für SPD-Chef Lars Klingbeil in der Debatte mit den Delegierten unbequem werden. Einer von der SPD-Basis erwartet jedenfalls nicht eitel Sonnenschein: „Man wird nicht einfach nur hinter der Parteiführung stehen und klatschen und sagen, alles was Lars und Pistorius von sich geben zum Thema Ukraine, ist super“, erwartet Bruno Peetroons, Chef des SPD-Unterbezirks Miesbach.

Der 25-Jährige ist selbst zwar nicht als Delegierter beim SPD-Parteitag dabei. Doch sein Unterbezirk hat einen Antrag dafür eingereicht. Der Titel: „What ever it takes – für eine neue Friedensordnung in Europa“.

SPD-Parteitag: Basis will Debatte mit Klingbeil über Ukraine und Russland-Politik

Was darin steht, klingt ähnlich wie das „Friedensmanifest“ rund um Stegner und Mützenich, das vor dem Parteitag wie ein Sprengsatz wirkte. Der ähnliche Wortlaut sei allerdings Zufall, so Peetrons gegenüber Merkur.de: Der Unterbezirk Miesbach verabschiedete seinen Antrag zu Ukraine und Russland schon Anfang des Jahres auf seiner Jahreshauptversammlung.

Im Antrag der Miesbacher SPD-Basis für den Parteitag, der am Freitag startet, steht: „Täglich wird in den Nachrichten über die hohe Wahrscheinlichkeit unterschiedlicher drohender Kriegsszenarien (…) berichtet sowie in den Talkshows bis hin zu einem ‚Dritten Weltkrieg‘ diskutiert. (…) In der Folge verbreiten sich Unsicherheit und Angst in der Bevölkerung und führen zu einer weiteren Spaltung.“

Der Unterbezirk Miesbach fordert daher: Das von Friedrich Merz für die Verteidigung ausgerufene „Whatever it takes“ dürfe nicht nur für Aufrüstung und Waffen gelten. Es müsse gleichzeitig alles dafür getan werden, um der „Aufrüstungsspirale entgegenzuwirken“ und den Ukraine-Krieg durch Verhandlungen zu beenden. Man stehe klar auf der Seite der Ukraine, betont Peetrons. Es müsse aber langfristig eine „Friedenslösung geben ,die ohne Krieg und Waffen funktioniert“.

Ukraine-Krieg: Die Ursprünge des Konflikts mit RusslandProteste auf dem Maidan-Platz in Kiew, Ukraine, 2014Fotostrecke ansehenSPD-Parteitag: Themen des Manifest zu Russland-Verhandlungen bewegen die Delegierten

Der Antrag ist nicht der einzige zum Thema Ukraine und Russland auf dem SPD-Parteitag vom 27. bis 29. Juni in Berlin. Rund ein Dutzend dazu liegen vor. Sie haben Titel wie: „Ukrainekrieg: Friedensverhandlungen anstreben!“, „Nichtmilitärische Friedenssicherung ebenfalls stärken!“, „Keine Lieferung von Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine“ und „Grundsätze der Russlandpolitik“.

Termin 27. bis 29. Juni 2025 Ort CityTube Berlin Beginn Freitag, 27. Juni, 14 Uhr Ende Sonntag, 29. Juni, ca. 15 Uhr Themen Neuwahl der Parteiführung, Programmatische Weichenstellung für die nächsten Jahre, Antragsberatung und Beschlussfassung

„Es gibt Redebedarf“, bilanziert SPD-Lokalpolitiker Peetrons daraus. Ob es auf dem SPD-Parteitag am Wochenende in Berlin aber zu dem offenen Diskurs kommen wird, den er sich wünscht, sieht er skeptisch: „Dieser ganze Aspekt soll wohl relativ schnell abgehandelt werden. Für die Parteiführung ist es natürlich nicht schön, wenn dort ein großer Diskurs über so schwierige inhaltliche Themen stattfindet.“

Will Klingbeil Debatte zu Russland und Ukraine auf SPD-Parteitag unterdrücken?

Tatsächlich empfiehlt die Antragskommission den Delegierten, die meisten der Anträge zu Sicherheit und Verteidigung nicht auf dem Parteitag zu diskutieren, sondern sie an die SPD-Führung oder Fraktion zu überweisen. Das letzte Wort dazu haben aber die 600 Delegierten: Sie stimmen bei jedem Antrag darüber ab, ob er direkt diskutiert wird oder nicht.

Für den Antrag der Miesbacher SPD gibt es die Empfehlung, sie an den SPD-Parteivorstand zu verweisen. „Ich wünsche mir natürlich, dass er auf dem Parteitag behandelt wird, dafür haben wir den Antrag ja eingebracht“, so Peetrons.

Auch hohe SPD-Tiere wie Ralf Stegner und Rolf Mützenich waren vor dem Parteitag mit einem „Friedensmanifest“ an die Öffentlichkeit getreten, mit dem sie eine Kehrtwende im Umgang mit Russland forderten. Ihnen schlug innerhalb der SPD kalter Wind entgegen: SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius war nannte das Manifest „Realitätsverweigerung“. Stegner verliert nun sogar seinen Sitz im parlamentarischen Kontrollausschuss. Ein Zusammenhang mit seinen Russland-Positionen ist nicht offiziell bestätigt, aber naheliegend.

SPD-Basis wünscht sich auf Parteitag in Berlin offenen Diskurs mit Klingbeil – Kritik an Pistorius

Den Umgang mit den Unterzeichnern des Friedensmanifests findet Lokalpolitiker Peetrons „schwierig“. Vor allem Pistorius habe sich „mit seinen Tönen sehr stark positioniert“. Der SPD-Politiker findet: „Wenn wir es nicht mal mehr schaffen, innerparteilichen Diskurs offenzuhalten, dann wird es schwierig, mit anderen Parteien auf Augenhöhe zu diskutieren. Und dann wird es übersetzt auch schwierig, mal mit anderen Kriegsparteien zu diskutieren.“

Ralf Stegner und die rund 100 anderen Unterzeichner des SPD-„Friedensmanifests“ argumentierten ähnlich: die Sozialdemokratie sei Teil der Friedensbewegung und dürfe das Thema „nicht den Rechtsradikalen oder Wagenknecht-Leuten überlassen“.

Beim SPD-Parteitag wollen die Delegierten nicht alles beklatschen, was SPD-Chef Lars Klingbeil (r.) und Minister Boris Pistorius fordern.Beim SPD-Parteitag wollen die Delegierten nicht alles beklatschen, was SPD-Chef Lars Klingbeil (r.) und Minister Boris Pistorius fordern. © Mohssen Assanimoghaddam/dpaEs rumort an Basis vor SPD-Parteitag: Klingbeil solle „alle legitimen Positionen“ anhören

Auch von der SPD-Landesorganisation Bremen stammt für den SPD-Parteitag am Wochenende ein Antrag zum Thema Ukraine-Krieg. Er heißt: „Keine Lieferung von Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine“. Auch für diesen Antrag empfehlt die Kommission, ihn nicht auf dem Parteitag zu debattieren, denn sie sieht ihn durch das Regierungsprogramm der SPD als „erledigt“ an. Das verwundert insofern, als von einer Absage an Taurus-Lieferungen im Koalitionsvertrag mit der Union keine Rede ist.

Der SPD-Landesgeschäftsführer in Bremen, Sebastian Schmugler, zeigt sich gegenüber Merkur.de dennoch damit zufrieden: Die SPD bestätige damit nochmals ihre Position, dass die deutsche Regierung keine Taurus-Raketen an die Ukraine liefern dürfe, „und somit erreichen wir mit dieser Empfehlung das Ziel unseres Antrags.“ Doch auch Schmugler beklagt, dass es in der SPD „aktuell nicht immer der Fall“ sei, dass „alle legitimen Positionen in dieser folgenschweren Debatte Gehör finden und respektvoll diskutiert werden“.

Klingbeil will bei SPD-Parteitag neues Grundsatzprogramm anstoßen – nur ein Satz zu Frieden

„Einen Dialog auf Augenhöhe“ wünscht sich Schmugler auch in der Debatte um ein neues SPD-Grundsatzprogramm, das Lars Klingbeil, Bärbel Bas und der Rest der Parteispitze beim Parteitag anstoßen wollen. In einem Leitantrag des Parteivorstands, der den Anstoß geben soll für das neue Grundsatzprogramm, steht bisher nur ein einziger Satz zum hochemotionalen Thema Krieg, Frieden und Aufrüstung, formuliert als Frage: „Wie verteidigen wir Frieden, Freiheit und unsere Werte?“ 

Ob sich die Genossen damit zufriedengeben, wird der Parteitag in Berlin ab Freitag zeigen. (smu)