Der Zustand des Hotels „Astoria“ ist eine Tragödie. Ein Trauerspiel in vielen Akten. Seit gut 30 Jahren wird Leipzigs einstiges Vorzeigehotel nicht mehr genutzt. Vor sieben Jahren gab es endlich Bewegung, einen Investor, begannen sogar schon die Bauarbeiten, die das 1915 errichtete, heute denkmalgeschützte Gebäude, wieder als modernes Tagungshotel revitalisieren sollten. Doch dann wurde es dem Nachbarn zu laut. Der Weiterbau wurde untersagt. Und seitdem ist das „Astoria“ quasi Dauerthema im Stadtrat.
Meistens unter Labeln wie „Schandfleck“ und „Kann man doch nicht mehr mit ansehen“, „Was sollen die Touristen dazu sagen?“ Und regelmäßig ist es die AfD-Fraktion, die dann vorprescht und einen Antrag schreibt, die Stadt solle den Bauherren endlich zwingen, weiterzubauen.
Denn gebaut wurde ja. Bis 2020, bis ein Nachbar vor Gericht zog und eine Unterbrechung der Bauarbeiten erzwang, auch weil neue Gebäudeteile, die im Hotel Tagungen und Konferenzen ermöglichen sollten, zu dicht ans eigene Gelände heranreichen würden. Das Ergebnis: ein Baustopp, der praktisch bis heute anhält.
Denn gerade mit Tagungen und Konferenzen sollten eigentlich die hohen Baukosten zur Wiederbelebung des historischen Bauwerks wieder eingespielt werden. Ein Verzicht gerade auf die Tagungssäle bedeutete aber auch eine komplette Umplanung – und am Ende auch eine völlige Neukalkulation. An der nun wahrscheinlich der Weiterbau des Gebäudes scheitert. Ganz abgesehen von den seit 2020 enorm gestiegenen Baukosten.
Das falsche Mittel
Weshalb Leipzigs Baudezernat berechtigterweise davon ausgeht, dass man den Bauherren hie nicht mit dem Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot nach § 177 III Bau GB zum Weiterbauen zwingen kann. Dazu fehlen, so das Baudezernat in seiner Stellungnahme, auch schlichtweg die Voraussetzungen: „Über dies entscheidet die Behörde im pflichtgemäßen Ermessen.
Abzuwägen ist, ob die angeordnete Maßnahme verhältnismäßig wäre. Hierbei sind auch die hohen rechtlichen Hürden für ein städtebauliches Gebot sowie mögliche finanzielle Risiken für die Stadt, die sich aus der Maßgabe nach § 177 Abs. 4 und 5 BauGB ergeben können, zu berücksichtigen. In der Gesamtschau liegen einerseits die materiellen Voraussetzungen nicht vor, anderseits wäre bei umfassender Abwägung der vorgenannten Aspekte eine städtebauliche Anordnung (derzeit) nicht verhältnismäßig.“
Außerdem hätte es auch noch bis 2024 Bauarbeiten gegeben. „Zudem befand sich der Kern des Gebäudes des ehemaligen Astoria Hotels noch bis einschließlich Juni 2024 in Bauarbeiten, die u.a. an der Fassade erfolgten. Damit befindet sich das gegenständliche gebaute Grundstück nicht in einem beginnenden verwahrlosten Zustand. Es fehlt somit an gewichtigen Gründen. Der Dringlichkeit steht mithin entgehen, dass die Eigentümerin weiterhin an der Umsetzung ihres Vorhabens festhält. Insoweit steht zu erwarten, dass die Eigentümerin selbst die Fortsetzung des Bauvorhabens vorantreibt.“
Die Ratsfraktionen werden regelmäßig informiert
Und gegen die Unterstellung von AfD-Stadtrat Roland Ulbrich, die Stadt ziele regelrecht darauf ab, das Gebäude so lange verfallen zu sehen, bis es abgerissen werden müsse und dann ein „Betonklotz“ an seine Stelle käme, verwahrte sich Baubürgermeister Thomas Dienberg zurecht. Und er verwies zugleich darauf, dass er im zuständigen Bauausschuss gerade auch wieder ausführlich zu dem Thema informiert habe.
Dass das Thema die Stadt bewegt, ist freilich offenkundig. Da musste CDU-Stadtrat Falk Dossin gar nicht erst die Touristen bemühen, die sich über diese Dauerbaustelle wundern würden. Es sind die Leipziger selbst, die sich schwertun damit, das „Astoria“ als ausgekernte Hülle stehen zu sehen, ohne dass irgendetwas zu passieren scheint.
Roland Ulbrich (AfD) im Leipziger Stadtrat am 25.06.25. Foto: Jan Kaefer
Wobei Dienberg auch betont, dass man – als Bauaufsichtsbehörde – prüfen müsse, warum es mit dem Bau nicht weitergeht. Nur sei ein Baugebot rechtlich eben das falsche Mittel. Eine Lösung gäbe es nur mit dem Eigentümer. Trotzdem, betonte Falk Dossin, wolle die CDU-Fraktion der AfD-Antrag unterstützen. Man müsse alle Mittel nutzen, um den Bau endlich wieder in Gang zu bringen.
Aber das sah die Stadtratsmehrheit völlig anders. Und lehnte den AfD-Antrag mit 21:34 Stimmen bei sieben Enthaltungen ab.