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Israels Mossad agiert weiter im Iran – auch nach dem Krieg. Dokumente zeigen, wie tief der Dienst das Atomprogramm infiltrierte.

Tel Aviv/Teheran – Ob die Entführung Adolf Eichmanns, verdeckte Operationen gegen die Hisbollah oder nun die Infiltration des Iran: Der israelische Geheimdienst Mossad gilt seit Jahrzehnten als einer der effektivsten – und umstrittensten – Nachrichtendienste der Welt. Auch beim jüngsten Krieg zwischen Israel und dem Iran soll der Auslandsgeheimdienst eine Schlüsselrolle gespielt haben. Neue Dokumente werfen ein Schlaglicht auf das Ausmaß der Operationen – und die Tiefe der Unterwanderung iranischer Strukturen.

Nahost-Eskalation: Mossad-Operation im Iran wohl tiefer als je zuvor

Zwölf Tage dauerte der Krieg, in dem über 20 hochrangige iranische Kommandeure getötet wurden. Die USA griffen in koordinierter Aktion mehrere Atomanlagen an. Wie schwer die Schäden in der Islamischen Republik tatsächlich sind, bleibt bislang unklar. Während die US-Regierung von einem „strategischen Erfolg“ spricht, ist offen, ob der Iran vor einer Staatskrise, einem autoritären Umbau oder gar einem tiefgreifenden Systemwandel steht. Bislang zögert Teheran bezüglich neuer Gespräche über das iranische Atomprogramm.

Israel im Krieg mit Iran: Raketen fliegen, Menschen werden evakuiertEin israelischer Soldat überwacht die Evakuierung der nahe Tel Aviv gelegenen Stadt Ramat-Gan nach einem Raketenangriff aus dem Iran.Fotostrecke ansehen

Lange war es still um Ajatollah Ali Chamenei. Inzwischen hat sich der oberste Führer zu Wort gemeldet – mit deutlichen Drohungen an Israel und die USA. Angriffe auf den Iran würden „erhebliche Konsequenzen“ haben, eine Kapitulation werde es „niemals“ geben, ließ er ausrichten. Wo genau sich der 86-Jährige derzeit aufhält, ist unbekannt. Laut New York Times lebt er in einem Bunker, meidet elektronische Kommunikation und gibt Anweisungen über einen engen Vertrauten.

Mossad weiter im Iran aktiv – auch nach Nahost-Eskalation und Schlag gegen Atomprogramm

Während sich das iranische Regime nach der Nahost-Eskalation nun neu aufstellen muss, sind die künftigen Pläne für den Mossad wohl klar. Am Freitag, dem 27. Juni, kündigte Geheimdienst-Chef David Barnea an, Israels Auslandsgeheimdienst werde auch nach dem Krieg im Iran aktiv bleiben. Israel habe im Krieg Ziele erreicht, „die vorher fantastisch erschienen“. Israel sei deshalb heute „ein sicherer, stärkerer Staat, der auf die Zukunft vorbereitet ist“. Er dankte auch „unserem Partner, der CIA, für die gemeinsamen Aktivitäten“.

Blick auf die iranische Atomanlage Natans. Bei der jüngsten Nahost-Eskalation nach Israels Mossad die Anlage des Iran ins Visier. (Archivbild)Blick auf die iranische Atomanlage Natans. Bei der jüngsten Nahost-Eskalation nach Israels Mossad die Anlage des Iran ins Visier. (Archivbild) © Abedin Taherkenareh/epa/dpa

Wie Israel im Krieg mit dem Iran nach der Nahost-Eskalation weiter vorgehen wird, bleibt abzuwarten. Der Chef des Mossad sieht zudem ein anderes wichtiges Thema: „Ich würde euch gerne sagen, es ist abgeschlossen, aber wir dürfen nicht vergessen, dass es immer noch 50 Geiseln im Gazastreifen gibt – 30 Leichen und 20 lebendige Entführte – und es ist unsere moralische Pflicht, sie zurückzubringen.“

Israels Agenten im Atomprogramm Teherans: Operation bereits seit 2010

Bei dem Angriff auf den Iran wird dem Mossad eine entscheidende Rolle beigemessen. Unter anderem platzierten und bedienten Agenten des Geheimdienstes Präzisionswaffen und Drohnen mitten im Land, um Luftabwehrstellungen und Raketensilos zu zerstören. Im Iran gab es während des Kriegs eine Verhaftungswelle angeblicher Mossad-Spione. Wie groß das Ausmaß der Unterwanderung tatsächlich sein könnte, legt nun ein exklusiver Times-Bericht nahe.

Demnach soll es Mossad-Agenten gelungen sein, zentrale Bereiche des iranischen Raketen- und Atomprogramms zu infiltrieren, um so jahrelang verdeckte Informationen zu sammeln. Dabei kam der Geheimdienst zuletzt zu dem Schluss, dass die Fähigkeiten, das Wissen und die Komponenten der iranischen Entwicklung rasant voranschreiten und weit über die Hauptstandorte in Fordo, Natanz und Isfahan hinausgehen. Wie es aus Kreisen des Dienstes heißt, hatte Israel bereits 2010 mit den Vorbereitungen für einen Angriff auf den Iran begonnen.

Nicht nur Atomprogramm des Irans im Visier: Mossad unterwanderte auch Revolutionsgarde

Doch der Mossad beschränkte sich nicht auf Atomanlagen. Laut Times legen die Dokumente nahe, dass die Infiltration auch das Hauptquartier der Iranischen Revolutionsgarde betroffen hat. Dort seien demnach wichtige Komponenten für den Bau von Atomwaffen entwickelt worden. Bis Ende 2024 sei der Iran von der Forschungsphase zur Entwicklung eines fortschrittlichen Spreng- und Strahlungssystems übergegangen, habe Experimente durchgeführt und „innerhalb weniger Wochen“ nukleare Fähigkeiten entwickelt.

Für eine flächendeckende Operation des Mossad sprechen auch weitere Details aus dem Bericht: Im Vorfeld des Israel-Iran-Kriegs besuchten Agenten zentrale Werkstätten und Fabriken, die für die Waffenproduktion vorgesehen waren. Dies ermöglichte es Israel, „die gesamte Industrie, die die Herstellung großer Mengen von Raketen ermöglichte“, ins Visier zu nehmen, so eine in den Dokumenten zitierte Geheimdienstquelle.

Mossad im Iran: Geheimdienst sät zunehmend Paranoia bei Teheran-Regime

Damit der israelische Geheimdienst entsprechend vorgehen konnte, wurden mutmaßlich zahlreiche iranische Insider rekrutiert. „Israel beobachtet seit Jahrzehnten die Aktivitäten im Iran“, sagt Efrat Sopher vom Ezri-Zentrum für Iran- und Golfstaatenforschung an der Universität Haifa laut Times. Der Mossad habe eine Schlüsselrolle bei der Abwehr der Bedrohung gespielt. Doch neben der physischen Sabotage sei auch Abschreckung ein erklärtes Ziel: Forscher im Iran sollen abgeschreckt werden, sich dem Atomprogramm anzuschließen – aus Angst, überwacht, sabotiert oder gar getötet zu werden.

Die Folge: zunehmende Paranoia in Teheran, wie sie sich auch in den Festnahmen während der jüngsten Nahost-Eskalation zeigte. Immer häufiger werden Iraner mit Zugang zu sicherheitsrelevanten Informationen verdächtigt, für Israel zu arbeiten – manche von ihnen sollen sogar auf hohen Regierungsposten sitzen. Wieder andere sollen nur Verunsicherung stiften. Sabotage, gezielte Tötungen, Drohnenoperationen: Der verdeckte Krieg Israels gegen das iranische Regime dürfte weitergehen. (fbu/dpa)