Ich erinnere mich noch lebhaft an ein Abendessen mit Freunden in unserer Nachbarschaft in Washington, D.C. Die Paare, die sich um den Esstisch versammelt hatten, kannten sich, seit ihre Kinder, die nun aufs College gingen, drei oder vier Jahre alt waren. Als das Gespräch auf das immer bedrohlicher werdende Auseinanderdriften der Gesellschaft kam, antwortete ein Vater, Partner in einer renommierten Anwaltskanzlei und gewiss mehrfacher Millionär, auf die Frage nach seiner Meinung: „Ich habe dazu eigentlich keine Meinung. Ich möchte einfach nur als der beste Anwalt an der Ostküste bekannt sein, der für Private-Equity- und Hedgefonds-Kunden arbeitet.“
Wohlgemerkt handelte es sich um eine Gruppe liberaler Demokraten. Es versteht sich von selbst, dass sie alle vor ihrem Jurastudium die besten Liberal-Arts-Colleges der Vereinigten Staaten besucht hatten. Dennoch fehlte es ihnen deutlich am Mut, wichtige Fragen des gesellschaftlichen Lebens anzusprechen. Bald darauf wandte sich das Gespräch den neuesten Filmen zu. Für mich persönlich war dies ein Wendepunkt. Mir wurde klar, dass meine Zeit in den Vereinigten Staaten bald zu Ende sein würde.
Es hat offensichtlich einen Preis, wenn eine Gesellschaft, insbesondere ihre liberalen Eliten, sich aus dem Spiel nehmen. In vielerlei Hinsicht ist genau das in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten in den Vereinigten Staaten geschehen. Und genau das geschah auch in Berlin um 1933 und 1934.
Die Wirtschafts- und Steuerpolitik der Regierungen Clinton und Obama war so, dass sich jeder vernünftige Europäer, unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit, fragte, warum es überhaupt noch Republikaner in der Politik geben müsse, da die Demokraten allein schon so viel für die materiellen Interessen der Besserverdienenden taten. So wurde etwa der Grenzschutzsteuersatz bei der Einkommensteuer unter demokratischer Ägide bei sage und schreibe 450.000 US-Dollar angesetzt.
Ferner begingen die Demokraten den schweren Fehler, sich viel zu sehr auf Identitätspolitik zu konzentrieren. Dies war aus Sicht der überwiegenden Mehrzahl der Wähler kein Ersatz für das Versäumnis, die wirtschaftliche Lage der amerikanischen Arbeitnehmer zu verbessern. Dieser katastrophale Schritt hat die amerikanischen Arbeiter praktisch im Alleingang in die Hände der Republikaner getrieben. Sie waren für Donald Trump eine leichte Beute.