Vor rund acht Jahren erstach ein Unbekannter den 34 Jahre alten Stefan M. vor dessen Wohnhaus in der Plagwitzer Eduardstraße. Am Freitag gab die Staatsanwaltschaft bekannt, dass die Ermittlungen vorläufig eingestellt sind. Wer den jungen Mann so brutal aus dem Leben riss und warum, bleibt damit – vielleicht sogar für immer – ein Rätsel. Dabei gab es zwischendurch zwei Tatverdächtige. Die Hintergründe.
Stefan M. wurde nur 34 Jahre alt. An einem Abend im Frühherbst trat der Logistikmitarbeiter nach der Schicht per Straßenbahn den Heimweg an. Doch seine Wohnung erreichte er nie: Am 1. Oktober 2017, einem Sonntag, fand man ihn blutüberströmt vor der Eingangstür des Mehrfamilienhauses in der Plagwitzer Eduardstraße. Gegen 22:21 Uhr ging der Notruf ein. M. verstarb trotz schneller Rettungsversuche in einer Klinik an seinen Verletzungen.
Umfassende Maßnahmen brachten keinen Durchbruch
Zuvor hatte er die Tram-Linie 1 an der Haltestelle Stieglitzstraße etwa 22:08 Uhr verlassen, um die wenigen hundert Meter heimzulaufen, das konnte rekonstruiert werden. Doch was auf der kurzen Strecke geschah, gibt Kripo und Staatsanwaltschaft bis heute Rätsel auf. Jedenfalls begegnete das Opfer jener Person, die mit einem Messer zustach.
Das Opfer: Logistikmitarbeiter Stefan M. (34) wurde am 1. Oktober 2017 in Plagwitz von einem Unbekannten getötet. Quelle: Polizeidirektion Leipzig
Nach der brutalen Tat setzte die Polizei umfassende Maßnahmen in Gang, sicherte Spuren, befragte Nachbarn, Kollegen und Freunde des Opfers, Taucher suchten in der Weißen Elster und im Karl-Heine-Kanal nach Beweisstücken. Auch die Öffentlichkeit wurde involviert, durch Aufrufe im Fahrgast-TV, Flyer und Fahndungsfotos. „Kripo Live“ griff den Fall für den MDR auf. In der eigens gegründeten „Soko Eduard“ arbeiteten zeitweise 17 Beamte an dem Fall.
Mitte November wurden für entscheidende Hinweise 10.000 Euro Belohnung zugesichert. Anfang Februar 2018 zeigte die Polizei öffentlich Videoaufnahmen von Personen aus der Straßenbahn, mit der Stefan M. nach Hause fuhr. Dieser ungewöhnliche Schritt war aufgrund von Persönlichkeitsrechten nur mit richterlicher Genehmigung möglich. Die potenziellen Zeugen meldeten sich alle – doch auch danach blieb ein Durchbruch aus.
Im Lauf der Ermittlungen gab es zwei Verdächtige
Das schien nicht immer so: Im Laufe der Ermittlungen sicherten Fahnder eine DNA-Spur am Schuh des Opfers, die einem 38-Jährigen aus Polen zugeordnet werden konnte. Doch eine Tatbegehung habe sich daraus nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen lassen, so die Staatsanwaltschaft am Freitag. Die Ermittlungen gegen den Mann wurden im letzten Oktober eingestellt, sieben Jahre nach der Tat.
Eine zweite Spur führte zu einem heute 33 Jahre alten Mann aus Syrien, so die Staatsanwaltschaft: „Auch hier beruhte der Anfangsverdacht auf einer am Tatopfer gesicherten DNA-Spur, die dem 33-Jährigen zugeordnet werden konnte. Besagte Spur befand sich im Bereich der rechten Schulterpartie. Es schlossen sich auch insoweit intensive Ermittlungen an.“ Doch: Auch diese verliefen im Sande, im Oktober 2024 erfolgte ebenfalls die Einstellung.
Einer der Verdächtigen psychisch erkrankt
Klar ist: Jener Verdächtige Nummer zwei war, seine Täterschaft unterstellt, zum Tatzeitpunkt aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht steuerungsfähig, sei im Rahmen der Ermittlung von einem forensisch-psychiatrischen Gutachter untersucht worden, teilt die Anklagebehörde mit. Eine Inhaftnahme ist dann sowieso ausgeschlossen. Doch auch ein Sicherungsverfahren mit dem Ziel, den 33-Jährigen in einer psychiatrischen Klinik unterzubringen, konnte nicht getroffen werden.
Dies deswegen, „weil die hierfür erforderliche Gefährlichkeitsprognose zum Zeitpunkt der Abschlussentscheidung der Staatsanwaltschaft nicht aufgestellt werden konnte.“ Der betreffende Mann befände sich seit Längerem in Behandlung. Daher habe es zum Zeitpunkt der Abschlussverfügung an einer Gefährlichkeit für die Allgemeinheit gefehlt, die eine Unterbringung im Fachkrankenhaus rechtfertigen würde.
Fall offiziell zu den Akten gelegt, aber: Mord verjährt nicht
Der Fall wirft Detailfragen auf, zu denen sich die Staatsanwaltschaft bedeckt hält. Was sie aber betont: Beide zwischenzeitlich Verdächtigten, für die eine Unschuldsvermutung gilt, kamen nicht aus dem Umfeld von Stefan M. Auch ein gemeinsames Vorgehen schließt die Behörde aus. Alles spreche für einen Alleintäter und dafür, dass Stefan M. zum Zufallsopfer wurde. Weitere Personen, die mit dem Verbrechen in Verbindung stehen könnten, gäbe es nach jetzigem Stand der Dinge nicht.
Offiziell sind die Ermittlungen ad acta gelegt, die öffentliche Fahndung beendet und der Fall ohne Ergebnis eingestellt. Eine Hintertür aber bleibt: „Die Staatsanwaltschaft Leipzig wird gleichwohl regelmäßig prüfen, ob es neue Ermittlungsansätze gibt und wie sich der gesundheitliche Zustand des 33-jährigen Beschuldigten entwickelt.“ Denn: Mord verjährt in Deutschland nicht und bei neuen Hinweisen kann sofort wieder ermittelt werden.
Vorerst aber ist der grausame Fall ein sogenannter „Cold Case“ und der Mensch, der Stefan M. – er wäre heute 41 – brutal tötete, bleibt das, was er von Anfang an war: ein Phantom.