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Russland will zu einem der Top-LNG-Hersteller aufsteigen. Schwere Sanktionen behindern das. Dennoch fährt der Kreml ein wichtiges LNG-Projekt hoch.

Moskau – Russische Tankschiffe spülen nach wie vor viele Millionen in die Kriegskasse des Kremls und stärken Russlands Wirtschaft. Vonseiten der EU gibt es Bemühungen, sich endgültig von diesen Lieferungen zu lösen, aber der Prozess ist schwerfällig. Teilweise sei Deutschland durch „nicht kündbare“ Altverträge an den Import gebunden. So berichtete es die Tagesschau Ende Juni. Gleichzeitig gibt es neue Hinweise darauf, dass Russland eine neue Quelle der Gaslieferungen reaktiviert.

Putin setzt neue Hoffnung in LNG – Schattenflotte könnte Arctic LNG 2 reaktivieren

Offenbar versucht Russland, seine Flüssigerdgas-Exporte aus der Arktis wieder hochzufahren. Und das, nachdem US-Sanktionen genau dies erst im Jahr 2024 deutlich erschwert hatten. Nach Informationen des Nachrichtenportals Bloomberg hat ein LNG-Tanker (LNG = Liquefied Natural Gas, Flüssigerdgas) an einer Exporteinrichtung des sogenannten Projekts Arctic LNG 2 angedockt – zum ersten Mal seit Oktober 2024. Diese Einrichtung sollte ursprünglich eine tragende Säule von Moskaus Ziel werden, die LNG-Exporte bis 2030 zu verdreifachen. Allerdings tat sich innerhalb der letzten Monate sehr wenig dort. Russland soll Schwierigkeiten damit haben, Käufer zu finden, die willens sind, sich gegen die westlichen Sanktionen zu stellen.

Wladimir Putin in Moskau.Wladimir Putin in Moskau (Symbolfoto). Russland will zu einem der Top-LNG-Hersteller avancieren. Schwere Sanktionen behindern das. Trotzdem fährt der Kreml ein wichtiges LNG-Projekt hoch. © IMAGO / SNA

Jetzt könnte ein Umschwung bevorstehen. Angeblich hat der Kreml strategisch die entsprechenden Schachzüge vorgenommen, um die LNG-Exporte über eine vergrößerte Schattenflotte aufzustocken. Während die Exporte russischen Pipeline-Gases seit 2022 drastisch zurückgingen, verkaufte Russland viel mehr LNG in Richtung Westen. Satellitendaten zufolge soll Russland jetzt über mindestens 13 Schiffe verfügen, die dazu abgestellt wurden, LNG von Arctic LNG 2 zu exportieren. Unter anderem gehören dazu vier Eisbrecher, die auch die gefrorenen Gewässer rund um Arctic LNG 2 befahren können. Drei davon sollen Ende Juni in der Barentsee vor Anker liegen, der vierte Tanker ist derjenige, der derzeit angedockt ist.

„Russland hat mehr Schiffe zur Verfügung als noch im Sommer und Herbst 2024“, zitierte Bloomberg Malte Humpert, Gründer des US-Thinktanks Arctic Institute. „Wenn es Käufer findet, müsste diese kleine Flotte ausreichend sein, um Fracht zu verschiffen.“ In der zweiten Jahreshälfte sollen außerdem die ersten Eisbrecher-LNG-Tanker aus russischer Eigenproduktion an den Start gehen. So hatte sich jedenfalls Igor Tonkowidow, CEO vom russischen Mega-Konzern Sovcomflot, geäußert.

Sanktionen und Packeis – Russlands Schwierigkeiten bei Arctic LNG 2

Zwar hat sich der russische Präsident Wladimir Putin vorgenommen, das Land zu einem der vier großen LNG-Herstellern aufzubauen, aber beim LNG aus den nördlichen Meeren steht er vor mehreren großen Problemen. Eines davon ist die Natur: Wegen der Eisbildung in den arktischen Gewässern ist der Transport mit herkömmlichen Schiffen kompliziert; sie können nur ein bestimmtes Zeitfenster im Sommer nutzen, um Transporte durchzuführen. Ein weiteres sind massive Sanktionen, die auf dem Sektor liegen. Gerade die USA sind bedacht darauf, Sanktionen hochzuhalten. Das Energieforschungsinstitut Oxford Institute for Energy Studies sieht hier die Möglichkeit, den Aufstieg eines möglichen LNG-Konkurrenten zu behindern.

Bei regulärem Öl konnte Putin dem Westen wiederholt ein Schnippchen schlagen, allerdings hat das vor allem wegen der enormen Größe der sogenannten Schattenflotte funktioniert. Beim LNG ist die Flotte wesentlich kleiner und so angeblich leichter zu verfolgen. Umso schwerer wiegt es für Russland, dass es von 21 geforderten Eisbrecher-Tankschiffen für Arctic LNG 2 lediglich fünf erhielt. Bei 16 weiteren hatten die Hersteller die Verträge gecancelt oder die Schiffe nicht ausgeliefert.

Schattenflotte soll Sanktionen umschiffen – Europa kauft Gas in Millionenhöhe

Wie geht Russland vor, um die Sanktionen zu umgehen? Die Praxis ähnelt sehr der von der regulären Schattenflotte durchgeführten Strategie. Im Sommer 2024 setzte der Kreml reguläre LNG-Tanker ein, die sogenanntes AIS-Spoofing benutzten. Das heißt, dass sie ihre tatsächliche Schiffsposition verschleierten und absichtlich falsch anzeigen ließen. Einige der Schiffe können ihr LNG auch auf offener See mit Schiff-zu-Schiff-Transfer verladen – und zwar auf nicht sanktionierte Tankschiffe, die das Produkt anschließend auch nach Europa bringen können.

Laut dem Center for Research on Energy and Clean Air (CREA) hat die EU seit der russischen Invasion der Ukraine viel russisches LNG importiert. Frankreichs Importe russischen Flüssigerdgases sollen um 46 Prozent gestiegen sein, die der Niederlande sogar um 81 Prozent. Spanien (minus zwölf Prozent) und Belgien (minus 21 Prozent) fuhren dagegen weniger LNG ein. Hierbei verglich CREA die Zeiträume Januar 2021 und März 2025.

Verbot für russisches LNG – EU-Kommission leitet Schritte ein

Die Europäische Union will jetzt verstärkt gegen Russlands LNG-Exporte vorgehen. Im Juni 2025 wurde bekannt, dass die EU-Kommission an einem verbindlichen Verbot für die Einfuhr von Russlands Gas in die EU arbeitet. Dieses soll schon Ende 2027 in Kraft treten. Die Slowakei und Ungarn könnten das noch blockieren, allerdings soll der Mechanismus die zwingende Einstimmigkeit umgehen.