29. Juni 2025
Fünf Jahrhunderte nach dem großen Aufruhr gegen Adel und Klerus wirft eine neue Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle ein archäologisch fundiertes Licht auf eine bewegte Zeit. Unter dem Titel „Klöster. Geplündert. In den Wirren der Bauernaufstände“ zeigt das Museum erstmals Grabungsfunde aus Kaltenborn, Himmelpforte und Mallerbach – Orte geistlichen Lebens, die im Bauernkrieg des Jahres 1525 zu Zielscheiben des Zorns wurden.
Die Ausstellung ist Teil der dezentralen Landesausstellung „Gerechtigkeyt 1525“, die an verschiedenen Orten in Sachsen-Anhalt und Thüringen das Gedenken an den ersten großen Volksaufstand deutscher Geschichte wachhält. Im Mittelpunkt der Hallenser Schau steht nicht das große Panorama revolutionärer Umwälzungen, sondern das stille Zeugnis ausgegrabener Alltagsgegenstände.
Es sind unscheinbare Objekte, die die größten Geschichten erzählen. Ein bleiernes Wasserrohr, ein zerschlagener Ofenkachelrest, ein Siegel mit kaum noch lesbarem Wappen – sie alle verweisen auf ein Klosterleben, das nicht durch Prunk, sondern durch gewissen Komfort geprägt war. Fließendes Wasser, geheizte Räume – ein Luxus, der im frühen 16. Jahrhundert alles andere als selbstverständlich war. Und doch: Was einst wie ein feudales Privileg erschien, zeigt sich nun als eher bescheidener Lebensstandard der klösterlichen Gemeinschaften.
Besonders bemerkenswert ist ein Fund aus dem Kloster Himmelpforte bei Wernigerode: ein sogenannter Silberstift – ein Zeichenstift mit einer feinen Spitze aus Silber. Solche Instrumente nutzten Künstler wie Albrecht Dürer oder Lucas Cranach, um Skizzen auf speziell vorbehandeltem Papier anzufertigen. Auch in der Architektur oder bei feinen schriftlichen Aufzeichnungen fand dieser hochwertige Stift Verwendung. Silberstifte dieser Art sind in Deutschland heute nur noch in wenigen Exemplaren erhalten – sein Fund macht Himmelpforte zu einem Ort von besonderem kunst- und kulturhistorischem Rang.
Auch die Mallerbacher Kapelle bei Allstedt, die als einer der ersten Schauplätze des mitteldeutschen Aufstands gilt, gibt nun Stück für Stück ihre Geheimnisse preis. Goldgulden aus Frankfurt, Nürnberg und Bonn, gefunden in Himmelpforte, zeugen von wirtschaftlicher Aktivität, nicht jedoch von Reichtum im Übermaß.
Die Ausstellung erzählt damit auch von der komplexen Wirklichkeit der damaligen Zeit. Sie lädt dazu ein, gängige Vorstellungen vom überheblichen, verkommenen Klerus zu hinterfragen. Denn auch historische Quellen sind stets Perspektive, nicht Wirklichkeit. Was als Rechtfertigung für Plünderung und Zerstörung diente, ist nun Gegenstand kritischer Forschung.
Begleitet wird die Schau von kleineren Ausstellungen in Sangerhausen und Wernigerode, die das Thema aus regionalen Blickwinkeln vertiefen. An den Ausgrabungsstätten selbst werden Führungen angeboten, um die Funde dort zu zeigen, wo sie einst verborgen lagen – ein Ansatz, der das historische Geschehen in die Mitte der Gegenwart holen will.
Denn der Bauernkrieg war mehr als ein Aufbegehren gegen Leibherrschaft und Zehntpflicht. In ihm schwingt auch der Geist des frühen Ringens um Gerechtigkeit und Mitbestimmung – Themen, die auch nach 500 Jahren nicht an Relevanz verloren haben. In der DDR wurde der Aufstand als Symbol der Klassenbefreiung vereinnahmt. Heute geht es um eine ausgewogenere Erinnerungskultur – darum, das Geschehene weder zu verklären noch zu verdammen, sondern seine Spuren ernst zu nehmen.
Die Ausstellung in Halle läuft bis zum 30. November 2025. Der Eintritt in die Vergangenheit ist Dienstag bis Sonntag möglich – und für jene, die Geschichte nicht als toten Stoff, sondern als lebendige Spur der Gegenwart begreifen, unbedingt lohnenswert.
Ausstellung: „Klöster geplündert. In den Wirren der Bauernaufstände“
📅 28. Juni bis 30. November 2025
📍 Landesmuseum für Vorgeschichte, Richard-Wagner-Straße 9, 06114 Halle (Saale)
🕘 Öffnungszeiten:
Dienstag–Freitag: 9–17 Uhr
Samstag, Sonntag & Feiertage: 10–18 Uhr
Montag: nur für Gruppen nach Voranmeldung