Apple hat es mit der Einführung von Smart Glasses und neuen Vision-Geräten nicht besonders eilig. Das legt eine aktuelle Prognose des Analysten Ming-Chi Kuo nahe. Wird das bewährte Apple-Prinzip, nicht der Erste, sondern der Beste am Markt zu sein, erneut aufgehen, zumal sich Markt und Technologie bei Computerbrillen ohnehin nur langsam entwickeln? Oder riskiert das Unternehmen, wie schon bei Künstlicher Intelligenz, ins Hintertreffen zu geraten?

Laut Ming-Chi Kuos Recherchen wird es erst ab Mitte 2027 neue Computerbrillen von Apple geben. Den Anfang würden Smart Glasses ähnlich der Ray-Ban Meta-Brille machen, gefolgt von einer „Apple Vision Air“ im selben Jahr, die deutlich günstiger und leichter werden soll als Apple Vision Pro. Für 2028 plane Apple mit einer ersten vollwertigen AR-Brille sowie einer zweiten Generation der Apple Vision Pro. Das aktuelle Modell soll noch in diesem Jahr ein Prozessor-Upgrade auf den M5-Chip erhalten. Abgesehen davon werde sich nichts an den Spezifikationen ändern, sagt Kuo.

Natürlich kann sich der Analyst irren. Und Apple wird seine Pläne ohnehin im Laufe der Zeit anpassen, je nachdem, wie sich Markt und Technologie entwickeln. Doch wenn Kuos Prognose auch nur annähernd zutrifft, dann treibt Apple das Vorhaben vergleichsweise langsam voran.

Die Konkurrenz bringt sich in Stellung

Das zeigt sich im direkten Vergleich mit der Konkurrenz, allen voran Meta. Das Unternehmen ist seit 2021 mit Ray-Ban Meta-Brillen auf dem Markt und konnte wertvolle Erfahrungen mit der Technik und Zielgruppe sammeln. Ein Wissensvorsprung, den man nicht unterschätzen sollte. Zudem verfolgt Meta einen ehrgeizigen Produktfahrplan.

Diesen Sommer erweitert Meta sein KI-Brillen-Portfolio von Ray-Ban auf die Marke Oakley. Laut Berichten von Bloomberg und CNBC sind zudem weitere Modelle in Zusammenarbeit mit Oakley und Prada geplant. Darüber hinaus verdichten sich die Hinweise, dass Meta im Herbst erstmals Smart Glasses mit integriertem Heads-up-Display auf den Markt bringen wird, gedacht für einfache Anwendungen wie Foto- und Karten-Apps sowie die Anzeige von Smartphone-Benachrichtigungen. Für 2026 ist laut dem Techmagazin The Information bereits die dritte Generation von Metas Smart Glasses geplant. 2027 wiederum soll laut Bloomberg die erste vollwertige AR-Brille erscheinen, eine Fortentwicklung des Orion-Brillenprototyps. Das ist dasselbe Jahr, in dem Kuo Apples erste Smart Glasses erwartet.

Eine Roadmap für verschiedene XR-Gerätekategorien von Apple auf einer Zeitachse von 2025 bis 2028.

Ming-Chi Kuos Prognose für Apples XR-Produktfahrplan.

(Bild: Ming-Chi Kuo)

Auch von anderen Tech-Größen droht Konkurrenz: Schon ab 2026 könnte Google den Markt mit Smart Glasses überschwemmen, die von verschiedenen Drittherstellern stammen, auf Android XR basieren und mit dem KI-Assistenten Gemini ausgestattet sind. Im selben Jahr plant Snap die Einführung einer AR-Brille für Endverbraucher. Xiaomi testet bereits erste KI-Brillen auf dem chinesischen Markt. Weitere Wettbewerber dürften folgen.

Smart Glasses: Datenschutz- und KI-Falle für Apple

Das neu entfachte Interesse an smarten Brillen geht in weiten Teilen auf Metas Initiative zurück. Mit den Ray-Ban Meta-Brillen hat das Unternehmen gezeigt, dass ein Markt für stylishe KI-Brillen existiert. Mit dem AR-Brillenprototyp Orion hat Meta zudem Hoffnungen geweckt, dass alltagstaugliche AR-Brillen doch noch Realität werden könnten, nachdem andere Unternehmen die Idee angesichts technischer Hürden vorerst aufgegeben haben. Der Innovationsträger war in beiden Fällen Meta, nicht Apple. Ein Signal, das in Cupertino nicht überhört werden dürfte. Denn inzwischen gehört auch Apple zu jenen, die in diesem Bereich zu Meta aufschließen müssen.

Das muss fürs Erste nichts Schlechtes heißen. Apple fühlt sich traditionell wohl in der Rolle des Nachzüglers, der zwar spät auf die Bühne tritt, dafür aber mit ausgereiften Produkten Maßstäbe setzt.

Auch bei den kommenden Smart Glasses dürfte Apple auf seine altbewährten Trumpfkarten setzen: die tiefe Integration ins eigene Ökosystem und ein reibungsloses Zusammenspiel mit dem iPhone, ein Vorteil, der Metas Smart Glasses womöglich verwehrt bleibt. Die entscheidende Frage ist jedoch, ob Apple darüber hinaus eine nennenswerte Innovation gelingt oder ob das Unternehmen im Kern nur Metas Vorarbeit kopiert.

Apple wird es in jedem Fall nicht leicht haben. Die neue Gerätekategorie bringt Herausforderungen mit sich, die spezifisch für Smart Glasses sind: Brillen, die permanent ihre Umgebung erfassen, lassen sich nur schwer mit Apples selbst proklamierter Datenschutzphilosophie vereinbaren. Hinzu kommt, dass Apple im Bereich Künstlicher Intelligenz hinterherhinkt. Ein Nachteil, der sich bei der nächsten Generation KI-Brillen als entscheidend erweisen könnte.

Dieser Link ist leider nicht mehr gültig.

Links zu verschenkten Artikeln werden ungültig,
wenn diese älter als 7 Tage sind oder zu oft aufgerufen wurden.

Sie benötigen ein heise+ Paket, um diesen Artikel zu lesen. Jetzt eine Woche unverbindlich testen – ohne Verpflichtung!