Halle (Saale)/MZ. – Wenn der hallesche Stadtrat im September aus seiner Sommerpause erwacht, wird ein Mitglied fehlen, das seit 16 Jahren fast immer dabei war. Detlef Wend, Vorsitzender der Fraktion Volt/Mitbürger, hat angekündigt, sein Mandat abzugeben. „Dauerhafte Politikmacherei wie Berufspolitikertum führt oft zu Anpassertum“, sagte er der MZ. Jetzt sollen jüngere Leute die Chance auf Mitbestimmung bekommen. Eine durchaus prominente Nachfolgerin steht bereit.
Der gebürtige Bielefelder Wend kam 1994 nach Halle, machte am Uniklinikum seinen Facharzt (Kindermedizin) und engagierte sich in der Lokalpolitik. Zunächst bei den Grünen, später bei der SPD und seit 2019 parteilos als Mitglied der Mitbürger-Fraktion. Seit 2009 sitzt er im Stadtrat, war lange Zeit Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses und vor allem für seine unverzagten Redebeiträge bekannt.
Mit Kritik an der Arbeit der Stadtverwaltung oder auch an Anträgen anderer Ratsfraktionen hielt der 61-Jährige sich selten zurück. Mitunter eckte er damit auch an. Aber andere Räte schätzten ihn auch als jemanden, der schwierige Themen ansprach, ohne populistisch zu werden. Beispielsweise die Probleme mit Jugendkriminalität oder die Spaltung zwischen Arm und Reich in der Stadtgesellschaft. Wend gehörte auch zu den ersten Räten, die sich während der „Impfaffäre“ offen für ein Abwahlverfahren gegen den damaligen Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) ausgesprochen hatten.
„Man muss sich unglaublich anstrengen, um auch nur kleinste Veränderungen durchzusetzen“, sagt Wend mit Blick auf die Stadtratsarbeit. Das Kommunalparlament sei praktisch „völlig durchreguliert und fremdgesteuert“, weil der Finanzrahmen und die Gesetze kaum Gestaltungsspielraum übrig lassen. „Uns wird vorgeschrieben, wie wir unser Geld auszugeben haben. Trotz vieler Stunden Diskussion haben wir kaum Entscheidungsmöglichkeiten.“ Das habe bei ihm immer wieder für Frust gesorgt. Dennoch sei er zufrieden mit dem, was er erreicht habe. Die Jugendhilfe stehe beispielsweise jetzt auf stabileren Beinen.
Mit Wend verliert die Fraktion Volt/Mitbürger nach dem plötzlichen Tod von Tom Wolter im April innerhalb weniger Monate bereits den zweiten erfahrenen Mandatsträger. Mit den Brüdern Friedemann und Ferdinand Raabe, 22 und 20 Jahre alt, und der 33-jährigen Sarah Labusga besteht die Fraktion nun ausschließlich aus Politikneulingen. Laut Wend sei das aber kein Problem. Im Gegenteil. „In diesem Stadtrat sitzen zu viele alte Säcke. Da muss sich etwas ändern“, sagt er. Die Fraktion umzustrukturieren sei der richtige Weg.
Für Wend nachrücken soll die 37-jährige Maria Gringer. Als Unternehmerin und Gastronomin („Bewaffel dich“ und „Brot und Rind“) hat sie sich in der Stadt seit einigen Jahren einen Namen gemacht. Bei der Kommunalwahl 2024 hatte sie das drittbeste Stimmenergebnis der Wählergruppe erzielt. Für den Einzug in den Rat reichte das jedoch knapp nicht. Für die Mitbürger ist sie beratendes Mitglied im Wirtschaftsausschuss.
So ganz von der Kommunalpolitik verabschieden möchte Wend sich aber auch noch nicht. Seinen Posten als Aufsichtsrat der halleschen Stadtwerke wolle er zunächst noch behalten, sagt er. Was er mit seiner neu gewonnenen Freizeit – dank weniger stundenlanger Sitzungen im Stadthaus – nun anfange, wisse er noch nicht so genau. „Auf jeden Fall werde ich erstmal unseren Fahrradkeller aufräumen. Meine Frau freut sich“, sagt Wend.
Die hallesche Unternehmerin Maria Gringer soll bald in den Stadtrat nachrücken.
Foto: Schellhorn