Whitman und seine Kollegen entwickelten einen Algorithmus, der die Veränderungen dieser Biomarker im Alter zwischen 28 und 45 Jahren auswertete und daraus einen Score erstellte, der angibt, wie schnell jede einzelne Person in diesem Zeitraum alterte. Dabei wurden die Einflüsse von Lebensstilfaktoren wie Rauchen oder Umwelteinflüsse wie bleihaltiges Benzin oder Hitze herausgerechnet. Übrig blieb das individuelle, rein biologische Alterungstempo.
Anschließend fütterten die Forschenden ihr lernfähiges KI-System mit Bildern von MRT-Hirnscans, die von 860 Teilnehmenden der Dunedin-Studie im Alter von 45 Jahren erstellt wurden. Die künstliche Intelligenz lernte so, die Alterungsrate mit 315 messbaren Merkmalen in den Hirnscans zu verknüpfen, darunter Volumen und Dicke einzelner Hirnabschnitte.
Prognose des kognitiven Verfalls
Das solcherart trainierte KI-System nutzten Whitman und seine Kollegen dann, um über 50.000 Gehirnscans von Menschen zwischen 22 und 98 Jahren aus anderen Gesundheitsstudien in Großbritannien, den USA, Kanada und Lateinamerika auszuwerten und deren Alterungsrate zu bestimmen. Dieses Alterungstempo glichen sie erst hinterher mit den Ergebnissen von kognitiven Tests und anderen Gesundheitsuntersuchungen der Personen in verschiedenen Altersstufen ab.
Dabei zeigte sich: Menschen, die laut des Algorithmus-Scores schneller alterten, schnitten bei kognitiven Tests schon in jungen Jahren schlechter ab als Menschen mit niedrigerem Alterungs-Score. In späteren Jahren zeigten sie zudem häufiger Anzeichen eines kognitiven Verfalls wie Gedächtnis- und Denkprobleme. Diejenigen, die laut dem Tool am schnellsten altern, erkrankten später 60 Prozent häufiger an Demenz. Darüber hinaus schrumpfte ihr Hippocampus schneller – eine Gehirnregion, die entscheidend für das Gedächtnis ist.
Hirnscans verraten auch körperliche Gebrechen
Doch das Team fand nicht nur einen Zusammenhang mit dem Alterungs-Score und der Gehirnfunktion, sondern auch mit dem generellen Gesundheitszustand. Die Personen, die laut dieses Wertes besonders schnell alterten, waren körperlich gebrechlicher: Sie gingen langsamer, hatten weniger Körperkraft sowie eine schlechtere Balance und Koordination und sahen älter aus.
Zudem litten diese Menschen häufiger an altersbedingten Gesundheitsproblemen wie Herzinfarkten, Lungenerkrankungen oder Schlaganfällen, wie Whitman und seine Kollegen feststellten. Auch chronische Krankheiten wurden bei den „Fastes Agern“ deutlich öfter diagnostiziert als bei Menschen mit durchschnittlichen Alterungsraten. Noch alarmierender: Sie starben früher als diejenigen, die langsamer alterten.
Chance auf ein längeres Leben?
„Der Zusammenhang zwischen dem Altern des Gehirns und des Körpers ist ziemlich überzeugend“, sagt Seniorautor Ahmad Hariri von der Duke University. „Der Algorithmus scheint etwas einzufangen, das sich in allen Gehirnen widerspiegelt“, schließt er daraus mit Blick auf die Analyse der Hirnscans. Demnach kann das lernfähige KI-System anhand eines einzigen Schnappschusses des Gehirns in der Lebensmitte feststellen, wie schnell jemand altert, und daraus sein Krankheits- und Sterberisiko in späteren Jahren vorhersagen, einschließlich des Demenzrisikos.
Künftig könnte dieses Werkzeug in Kombination mit den epigenetischen Alterungsuhren verwendet werden, um Patienten über ihr individuelles Risiko aufzuklären. Das könnte diese dann motivieren, ihren Lebensstil und die Ernährung umzustellen, um gegenzusteuern und ihre Gesundheit zu verbessern, hoffen die Wissenschaftler. Bei bereits beginnenden Krankheiten können Betroffene durch die Untersuchung eine frühe Diagnose erhalten und mittels Medikation zumindest den Verlauf verlangsamen. So können sie dank des Alterungs-Scores insgesamt ein gesünderes und längeres Leben führen.
Früherkennung von Alzheimer. © Duke University
Methode soll weiter optimiert werden
Um aus der bereits patentierten Methode ein praktisch anwendbares Werkzeug für den medizinischen Alltag zu machen, braucht es aber noch weitere Tests, betonen die Forschenden.
Neben Vorteilen für die Patienten birgt die neue „Alterungsuhr“ aber auch Chancen für die Wissenschaft. In Folgestudien kann der Hirnscan-Algorithmus beispielsweise genutzt werden, um zu untersuchen, warum Menschen mit bestimmten Risikofaktoren wie Altersgenen, schlechtem Schlaf, wenig Bewegung oder psychischen Erkrankungen unterschiedlich altern. Mit dem Tool könnte zudem untersucht werden, wie gut Anti-Aging-Strategien wirken. (Nature Aging, 2025; doi: 10.1038/s43587-025-00897-z)
Quelle: Duke University
3. Juli 2025
– Claudia Krapp