Telefon-Scam

Das steckt hinter den betrügerischen Anrufen und Nachrichten aus dem Ausland

Do 03.07.25 | 06:12 Uhr | Von John Hennig

Symbolbild: Anonymer Anruf (Quelle: Picture Alliance/Viktor Gladkov)

Picture Alliance/Viktor Gladkov

Audio: rbb|24 | 01.07.2025 | Michèle Scherer | Bild: Picture Alliance/Viktor Gladkov

Unbekannte Anrufer und Gruppen auf Whatsapp oder Telegram versprechen Jobs oder Geld – und führen in die Falle. Betrüger nutzen neue Maschen und globale Strukturen. Die Schäden sind gewaltig. Von John Hennig

  • neue Betrugsmasche über Gruppen-Einladungen in Messengern
  • global organisierte Täter nutzen Callcenter, „Spoofing“-Technik und immer neue Maschen
  • Deutsche im internationalen Vergleich weniger betroffen
  • Zahl der Beschwerden und Betrugsfälle gerade aus dem Ausland steigt

FK300, XZ91 oder AB132. Das klingt nach Flugnummern, Elektronikteilen oder Vorgangsnummern. Und tatsächlich sind sie das auch. Denn unter solchen Kürzeln tauchen derzeit Gruppen in Messenger-Diensten wie Whatsapp oder Telegram auf, in die Menschen zu ihrer eigenen Überraschung eingeladen werden. Dort kommen sie mit vielen Unbekannten zusammen, ebenso Überraschten, aber auch ein paar Eingeweihten.

„Hallo, kennen wir uns?“, fragt dann jemand. „Wo bin ich hier gelandet?“ Oder „Was passiert in dieser Gruppe?“. Schnell kommen hilfreiche Antworten – und irgendwann die Auflösung. Es gibt ein Angebot, das kaum ausgeschlagen werden kann: ein todsicherer Investitionstipp oder eine lukrative Jobofferte. Doch schnell wird dann klar: Die Vorgangsnummern gehören blockiert und auf die lange Liste der verschiedenen Formen von Telefon- und Internet-Betrug.

Mit Trickbetrug via Anrufen und Nachrichten werden nach einer Schätzung der Global Anti-Scam-Alliance (GASA), die solche Formen der Kriminalität erforscht, mehr als eine Billion US-Dollar jährlich erbeutet – das wäre weit mehr als doppelt so viel wie der Umsatz des weltweiten Drogenhandels. Allein in Deutschland, Österreich und der Schweiz will die Organisation mit Sitz in Den Haag für das Jahr 2024 Trickbetrug-Verluste von fast 14 Milliarden US-Dollar ermittelt haben, wie aus dem jährlichen Report hervorgeht.

Scam ist nicht immer gleich Spam

Umgangssprachlich wird Scam oft auch als Spam bezeichnet. Das sind per Definition aber erst mal nur unerwünschte Nachrichten, die unterschiedliche Ziele haben können und nicht direkt Schaden verursachen müssen. Scam hingegen beschreibt einen Betrugsversuch, bei dem die Absender gezielt versuchen, Menschen und somit Opfer zu täuschen, etwa um Geld, Personen- oder Zugangsdaten zu erhalten. Spam kann aber auch Scam sein.


Von wo die Anrufe und Nachrichten kommen

Selbst bei defensiveren Schätzungen wird klar: Es ist ein riesiges Phänomen. „Die Täter passen sich dabei flexibel an technische und gesellschaftliche Entwicklungen an, agieren global und greifen dort an, wo aus ihrer Sicht maximale Gewinne zu erzielen sind. Das hat zur Folge, dass immer wieder neue Ausprägungen des Phänomens festgestellt werden“, antwortet das Bundeskriminalamt auf Anfrage von rbb|24. So landen sie nun bei Whatsapp und Telegram statt SMS und bei Gruppen- statt Einzelchats.

Die Täter versuchen dabei häufig, den genauen Ursprung der Anrufe zu verschleiern. Scam-Anrufe in Deutschland stammen scheinbar oft aus den Niederlanden oder Großbritannien, Spanien oder Österreich. Doch die Betrüger nutzen sogenanntes Call-ID-Spoofing, manipulieren also die angezeigte Rufnummer.


Deutsche sind keine leichten Opfer

Die Anrufe stammen etwa laut der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) des Bundeskriminalamts häufig aus professionell betriebenen Callcentern in der Türkei, auf dem Westbalkan oder in Osteuropa – oder auch in Südostasien, wie etwa die „Zeit“ [Bezahlinhalt] Anfang Mai aufzeigte. Demnach arbeiten dort Menschen zu geringen Gehältern in Schichten über den ganzen Tag verteilt, bis ein potenzielles Opfer anbeißt. Erst dann gibt es eine persönliche Betreuung.

Deutsche sind dabei der Global Anti-Scam Alliance zufolge keine leichten und präferierten Ziele und verhältnismäßig wenig betroffen. Gerechnet aufs Bruttoinlandprodukt erleiden die Menschen in der Bundesrepublik wie andere europäische Länder den geringsten Verlust – hier sind vor allem Länder wie Pakistan, Kenia, Südafrika oder Thailand am stärksten betroffen. Den größten durchschnittlichen finanziellen Schaden nehmen den Zahlen der GASA zufolge Menschen aus den USA, Dänemark und der Schweiz.

Symbolfoto: Auf einem Handy geht ein anonymer Anruf ein, aufgenommen am 28.01.2025 in Berlin. (Quelle: Picture Alliance/Kira Hofmann)Auch anonyme Anrufe sind oft betrügerischer Natur: Bei Scam-Anrufen wird die Nummer gerne unterdrückt oder verschleiert.


Was die Behörden tun und sagen

Konkrete Zahlen zum Ausmaß von Scam bei Behörden sind allerdings schwer zu finden und nur eine Annäherung. In Deutschland ist nach §123 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) die Bundesnetzagentur beim „Ärger mit Rufnummern“ zuständig. Sie hat im Jahr 2024 154.624 schriftliche Beschwerden dazu erhalten, knapp acht Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Dazu zählen sowohl belästigende Anrufversuche und Rufnummernmanipulation als auch unerwünschter SMS- oder Messenger-Scam, nicht aber unerlaubte Werbeanrufe. Die Bundesnetzagentur kann den Missbrauch von Rufnummern verfolgen und unterbinden und „verbraucherschützende Maßnahmen treffen“, wie sie schreibt, also die Rufnummern abschalten.

Was alle Behörden beschreiben: Die Maschen verändern sich ständig. Seit 2023 hat die Bundesnetzagentur etwa einen starken Anstieg von Beschwerden zu Betrugsversuchen über SMS und Messenger im Zusammenhang mit dem sogenannten Enkeltrick verzeichnet.


Was kann ich bei unerwünschten Anrufen oder Nachrichten tun?

Der „Enkeltrick“ hat sich zunehmend von der Haustür in die digitale Welt verlagert. Das beobachtet auch Michèle Scherer, Juristin und Digitalexpertin der Verbraucherzentrale Brandenburg. Dabei ist die Palette der Maschen sehr groß und vielfältig [polizei.brandenburg.de]: Es geht von Anrufen von vermeintlichen Behörden über Ping- und Phishing-Maschen bis zu nachgeahmten Anbietern wie Paypal oder Amazon. „Bei uns ist das ganze Thema ein Dauerbrenner, es gibt immer mal Spitzen zu bestimmten Maschen, aber tatsächlich ebbt das nie ab.“ Die meisten – vor allem älteren – Menschen würden sich wegen der Dauerbrenner melden, so Scherer.

Was neu ist: „Dass die Abzocker mit automatisierten Gesprächen arbeiten, also dass sie ein Tonband oder eine KI laufen lassen, die Gespräche führen und nicht mehr zwingend eine physische Person“, sagt Scherer. Zuletzt meldeten sich etwa Menschen wegen vermeintlicher Anrufe aus dem Ausland.


„Einfach wieder auflegen, wenn etwas spanisch vorkommt“

Ihre Empfehlung lautet: „Wenn ich angerufen werde und an das Telefon gehe, sollte ich einfach wieder auflegen, wenn mir das spanisch vorkommt. Auf jeden Fall sollte man sich nicht in ein Gespräch verwickeln lassen, wenn da ein besonderer Druck aufgebaut wird, sollte man gelassen und besonnen bleiben und nicht auf Fragen eingehen.“

Lisa Zehmisch von der Verbraucherzentrale Berlin sagt ebenso: „Wenn Versprechungen gemacht werden und etwas zu gut klingt, um wahr zu sein, sollte man das Gespräch direkt beenden. Es geht immer darum, so viele Daten wie möglich aus den Verbrauchern herauszukitzeln.“

Generell sollte man vorsichtig sein, sagen beide Verbraucherschützerinnen, und bei unbekannten Kontaktversuchen am besten gar nicht rangehen oder zurückrufen. „Manchmal stellen die einfache, unverfängliche Fragen, auf die man mit ‚Ja‘ antworten soll, da besteht dann die Gefahr, dass das im Nachhinein noch mal anders zusammengeschnitten wird“, so Zehmisch.

Zudem empfiehlt Scherer, sich über andere Wege zu versichern, dass alles in Ordnung ist, wenn etwa beim sogenannten Schockanruf vorgegeben wird, dass Bekannten oder Verwandten etwas Schlimmes passiert ist.


Betrug wird global auch schwer aufklärbar

Die Verbraucherzentralen beraten skeptische und geschadete Verbraucher und setzen sich für mehr Schutz und Verbesserungen ein, etwa über Gesetzgebung im Bund. Gemeldet beziehungsweise angezeigt werden müssen Betrugsversuche bei der örtlich zuständigen Polizei. Weltweit meldet laut einem Report der GASA nur rund ein Drittel der Opfer den Betrug. Die Aufklärungsquote ist auch gering, zumal die Telefon- und Internet-Betrüger eben global und vernetzt agieren und moderne Technik nutzen. Während laut Bundeskriminalamt im Inland mehr als die Hälfte der Taten aufgeklärt werden können, sind es bei Taten aus dem Ausland nur rund fünf Prozent.

In der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik fallen die Formen von Telefon- und Internet-Scam unter die „Betrugsdelikte“. Die Zahl geht in Berlin und Brandenburg seit Jahren zurück und erreichte 2024 den tiefsten Wert seit 2010 – allerdings nur mit bekanntem Inlandstatort. Betrug mit unbekanntem Tatort, also etwa mit Anrufen oder Kontaktversuchen aus dem Ausland hat dagegen seit Jahren zugenommen und vorerst 2023 seinen Höhepunkt erreicht.

„Bei Betrugsstraftaten handelt es sich um facettenreiche Massendelikte“, heißt es vom Bundeskriminalamt. Die sogenannten Scam-Anrufe stellen dabei in den unterschiedlichsten Ausprägungen einen Schwerpunkt dar. Was in den Berichten der Global Anti-Scam Alliance auffällt: Weltweit holt der Scam mit Messengern auf, liegt aber noch hinter Anrufen und SMS.

In Deutschland rangiert derweil trotz aller technischen Entwicklung noch ein ganz anderer Betrugsweg vorn: die Email.

Sendung: Super.Markt, 23.06.2025, 20:15 Uhr