Kein Luchs hat jemals länger in Baden-Württemberg gelebt als Wilhelm: Seit zehn Jahren fühlt er sich im Tal St. Wilhelm wohl – doch noch fehlt ihm etwas Entscheidendes.

Ein ganzes Jahrzehnt schon streift Luchs Wilhelm durch die Wälder zwischen Oberried und dem Feldberg im Schwarzwald. Das männliche Tier, auch Kuder genannt, scheint sich im Tal St. Wilhelm wohlzufühlen. Das zeigen auch die letzten Aufnahmen einer Fotofalle vom März 2025. Der Kuder sieht gesund und fit aus.

Entdeckung des Luchses war kurios

Förster Iso Schmid erinnert sich noch genau, wie er Wilhelm damals entdeckt hat: Schmid hatte ein Reh geschossen. Als er bei dem Tier ankam, sah er, dass das Tier angefressen war. Iso Schmid war deshalb verärgert. Aber an den Spuren am Reh konnte er schnell erkennen, dass es ein Luchs gewesen sein musste. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg (FVA) fing das Tier noch am selben Tag ein und stattete ihn mit einem Sender aus.

Dann wurde noch ein zweites totes Reh gefunden. Und das war das, welches Förster Schmid geschossen hatte. Der Förster und der Luchs hatten also zeitgleich am selben Ort Rehe gejagt.

Luchs Wilhelm wird 2017 mit einem Sender ausgestattet

2017 wurde der Luchs mit einem Sender ausgestattet. Fotos einer Fotofalle zeigten, dass Wilhelm schon seit mindestens 2015 durch das Tal St. Wilhelm streift.

Revier St. Wilhelm optimal geeignet für den Luchs

Nutztiere hat Wilhelm übrigens in den ganzen zehn Jahren noch nie angegriffen. Das braucht er laut Micha Hertfelder von der FVA Freiburg nicht, denn der Lebensraum um St. Wilhelm bietet dem Luchs ausreichend Gamswild oder Rehwild. Dazu gibt es noch viele Rückzugsräume. Für den Luchsexperten steht fest: St. Wilhelm ist ein optimales Luchsrevier. Denn alles, was der Luchs braucht, gibt es hier in Hülle und Fülle, so Hertfelder.

Luchs Wilhelm nachts im Tal St. Wilhelm.

Luchs Wilhelm im Jahr 2017. Der Luchs streift seit einem Jahrzehnt alleine durch sein Revier am Feldberg. Luchsexperten hoffen, dass in naher Zukunft ein Weibchen im Tal St. Wilhelm ausgesetzt wird.

Einziger Wermutstropfen: Wilhelm ist (noch) alleine

Etwas fehlt aber zum perfekten Luchs-Glück: ein Weibchen. Denn Wilhelm streift seit zehn Jahren alleine durch sein Revier. Das sei außergewöhnlich, sagen die Experten. Denn andere Luchse wären deshalb schon längst abgewandert. Wilhelm bleibt St. Wilhelm aber treu. Vielleicht, weil alles andere hier so gut für ihn passt.

Trotzdem wünscht sich sein Entdecker Förster Iso Schmid, dass in naher Zukunft ein Luchsweibchen bei St. Wilhelm ausgesetzt werden könnte. „Es wäre schön, man könnte es in den nächsten Jahren realisieren, weil Wilhelm bereits im fortgeschrittenen Alter ist. Ich denke, in zwei bis drei Jahren könnte es zu spät sein“, so der Förster.

Nur noch sechs Luchse leben in Baden-Württemberg

Nach Erkenntnissen des Landwirtschaftsministeriums streifen aktuell sechs Luchse durch die baden-württembergischen Wälder. Neu hinzugekommen seien zwei zugewanderte Luchse, die mutmaßlich aus dem Schweizer Jura in den Schwarzwald gezogen sind. Ihr Geschlecht ist nicht bekannt. Außerdem hat das Land nach eigenen Angaben zwei Luchse ausgewildert: Verena und Reinhold. Bis 2027 sollen acht weitere Luchse folgen, um die Population zu stabilisieren.