Dass die Stromsteuer entgegen der Ankündigung im Koalitionsvertrag nicht für alle gesenkt werden soll, hat breite Kritik ausgelöst. Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) hat die
Entscheidung der schwarz-roten Koalition aus der Nacht gegen eine baldige Senkung der
Stromsteuer für Privatleute verteidigt. „Wir halten gemeinsam an dem
Ziel fest, die Stromkosten für alle deutlich zu senken. Wir wollen aber
eben auch solide Finanzen“, sagte Spahn im
ARD-Morgenmagazin. „Und das ist nach drei Jahren Rezession dann nur in
Schritten möglich.“

Spahn betonte, dass die Koalition einen Teil
der versprochenen Entlastungen durch eine Senkung der Netzentgelte
umsetze. Dies komme auch Privathaushalten zugute. „Und wir haben
miteinander vereinbart, sobald der finanzielle Spielraum da ist,
Wachstum da ist oder wir auch andere Maßnahmen zum Sparen finden, gehen
wir den zweiten Schritt.“

Söder: Senkung 2027 sei „sehr gut möglich“

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ging in einer Rede auf der Bankwirtschaftlichen Tagung der Volksbanken und Raiffeisenbanken nicht direkt auf die Kritik ein, bekräftigte aber das Ziel der Regierung, Energiekosten zu
senken. „Das haben wir gestern Abend noch einmal bestätigt“, sagte er. Er lobte die Zusammenarbeit und die gute Atmosphäre im Ausschuss.  

CSU-Chef Markus Söder sagte, die Stromsteuer soll im übernächsten Jahr auch
für Privatverbraucher gesenkt werden. „Der Wille ist zu 100 Prozent da, das Ergebnis
ist sehr gut möglich“, sagte er nach einem Treffen mit der
Spitze der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. So soll ab dem 1. Januar 2027 die Steuer „für alle“ auf das europäische Mindestmaß
gesenkt werden. Die dafür nötigen finanziellen Spielräume müssten aber
noch erarbeitet werden. Die Kommunikation dazu sei im Vorfeld „unglücklich“ gewesen,
räumte Söder ein.

Wüst macht Klingbeil verantwortlich

Der Bundesvorsitzende der
Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Dennis Radtke (CDU), warf
der eigenen Führung vor, ein zentrales Wahlversprechen nicht
einzulösen. „Die
Stromsteuer-Senkung für alle war ein zentrales Versprechen unserer
Kampagne, von dem ich erwartet hatte, dass wir das auch eins zu eins so
umsetzen“, sagte Radtke der Bild-Zeitung.

© Lea Dohle

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Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik
Wüst (CDU) schob Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) die
Verantwortung dafür zu. Es sei „vor allem der Job des Finanzministers, das möglich
zu machen – und es gibt eine Menge Möglichkeiten“, sagte Wüst dem Nachrichtenmagazin Politico.
„Die muss der Finanzminister noch mal durchrechnen und vorschlagen.“

Klingbeil selbst warb um Akzeptanz. „Weitere Schritte sollen folgen, sobald wir die notwendigen finanziellen Spielräume haben“, sagte der Finanzminister. Die Bundesregierung setze mit all ihren Maßnahmen „auf neues Wachstum, damit die Einnahmen wieder steigen und wir genau diese Spielräume gewinnen.“ Gleichzeitig achte er als Finanzminister darauf, „dass wir solide wirtschaften und verantwortungsvoll mit Steuergeld umgehen“.

Bärbel Bas: Arbeitsplätze sichern, Wirtschaft ankurbeln

Die SPD-Vorsitzende und Arbeitsministerin Bärbel Bas sagte im
ARD-Morgenmagazin, der Koalition sei wichtig gewesen, erst einmal
Arbeitsplätze zu sichern und die Wirtschaft anzukurbeln. Das
Wahlversprechen sei noch nicht gebrochen. „Wir haben das klare Ziel,
auch die Verbraucher noch weiter zu entlasten.“

SPD-Fraktionschef Matthias Miersch betonte im Deutschlandfunk: „Wir haben
augenblicklich das, was wir in dem Koalitionsvertrag in Sachen
Stromsteuer vereinbart haben, noch nicht umgesetzt. Wir haben allerdings
auch in diesem Koalitionsvertrag immer geschrieben, dass alles unter
dem Finanzierungsvorbehalt steht.“

Haßelmann wirft Merz Wortbruch vor

Grünenfraktionschefin Britta Haßelmann warf Bundeskanzler Friedrich
Merz Wortbruch vor. Man habe den Bürgern konkrete
Entlastungen versprochen, sagte sie im ARD-Morgenmagazin. Nun heiße
es, „dafür ist kein Geld da, vielleicht irgendwann“. Dabei habe die Koalition aus Union und SPD mit der Grundgesetzänderung „beste Voraussetzungen“ für mehr Investitionen.

Die Linke attestierte der Bundesregierung mangelnden Willen, Privatleute zu entlasten. „Entlastung nach Kassenlage heißt Entlastung am Sankt-Nimmerleins-Tag“, sagte Parteichefin Ines Schwerdtner in Berlin. „Geld ist für das da, was politisch gewollt ist.“ Ihr zufolge sind das „Unternehmensgeschenke und Waffen, nicht die Entlastung der Mehrheit“. Die AfD nannte die Entscheidung der Koalition „völlig inakzeptabel“.

Kritik aus dem Handwerk und Handel

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat die ausbleibende
Absenkung der Stromsteuer für alle kritisiert und der Koalition
Vertrauensbruch vorgeworfen. „Die Stromsteuer-Senkung für alle Betriebe
war nicht irgendwo angekündigt, sondern mehrfach und verbindlich
schriftlich festgehalten – im Koalitionsvertrag, in Beschlüssen des
vorherigen Koalitionsausschusses und im sogenannten Entlastungspaket der
Bundesregierung“, sagte Verbandspräsident Jörg Dittrich.

Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel,
Dienstleistungen (BGA), sprach von einem „ernüchternden“ Ergebnis des
Koalitionstreffens.

Union und SPD hatten sich in ihrem zweiten Treffen im Koalitionsausschuss
darauf geeinigt, die Stromsteuer weder für alle Betriebe noch für
private Haushalte zu senken, obwohl dies im Koalitionsvertrag versprochen wurde. Die ausgeweitete
Mütterrente soll dagegen bereits zum 1. Januar 2027 kommen und damit ein
Jahr früher als zunächst angenommen
.

Thema

Bundesregierung:
Diese Streitthemen werden im Koalitionsausschuss nachverhandelt

Stromsteuer:
Wie die Koalition sich bei der Stromsteuer verschätzte

Schwarz-Roter Koalitionsvertrag:
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