Am liebsten wäre Halyna Hliebova länger geblieben. Die sechs Wochen Praktikum in der Stadtbibliothek Stavenhagen sind viel zu schnell vergangen, findet sie. „Ich will mein Deutsch verbessern“, erklärt die 41-jährige Ukrainerin. Sie lernt, wo sie kann, hört viel Radio, um die Sprache zu verstehen. Die Zeit in der Bibliothek hat ihr viel gebracht. Doch bevor die vorbei war, hat sie noch Empfehlungen für lange Sommerabende dagelassen.

Lektüre zum Entspannen

Für eine Ausstellung holte sie die besten Bücher und Hörbücher aus den Regalen, mit denen es sich besonders gut im Urlaub entspannen lässt, dekorierte den Tisch mit Muscheln, Ostseesand und einem Fischernetz mit Fisch. „Es hat Spaß gemacht“, sagt die junge Frau. Wie alles im Praktikum. Sie habe die Ausleihe gemacht, katalogisiert, Lektüre in Regale einsortiert. „Sie war sehr fleißig“, bescheinigen ihr die Bibliothekarinnen Janett Rakow und Katja Böttcher.

Zu letzterer hat Halyna Hliebova eine besondere Verbindung. Als sie nach Ausbruch des Krieges vor drei Jahren mit ihrer Tochter nach Deutschland kam, hat Katja Böttcher sie aufgenommen. Drei Monate hat sie bei ihr in Ritzerow gewohnt. „Katja hat uns viel geholfen, wir sind Freunde geworden“, sagt sie. Die Heimat zu verlassen, sei ihr schwergefallen. Sie kommt aus Dnipro in der Mitte der Ukraine. Raketen flogen über ihren Wald. Sie hörten den Einschlag der Bomben aus drei Kilometer Entfernung.  „Meine Tochter hatte große Angst“, erzählt Halyna Hliebova. Sie wollte sie in Sicherheit bringen.

Hoffnung auf einen guten Job

Ihre Eltern, auch ein Bruder und dessen Kinder seien dortgeblieben. Jeden Tag habe sie Angst um sie und rufe an. In der Ukraine hatte die 41-Jährige Informatik studiert, hat als Rechtsfachangestellte in einem Büro gearbeitet. Jetzt hofft sie, dass sie auch in Deutschland einen guten Job findet. Ihre Tochter geht aufs Gymnasium im Reuterstädter Schulcampus und fühlt sich inzwischen wohl. „Die deutschen Leute sind sehr nett, uns gefällt es hier“, verrät sie.

Wie schwer der Anfang in einem fremden Land war, daran kann sich auch Katja Böttcher erinnern. Sie hatte sich auf einen Aufruf der Freikirche in Malchin gemeldet, die Menschen gesucht hatte, die Flüchtlinge aufnehmen. Eigentlich sollte ihre Familie zwei Personen beherbergen, dann waren es vier. Auch die Schwägerin und ein Bruder von Halyna, die zwei Söhne im Krieg verloren hatten, nahm sie auf. „Die Verständigung war anfangs schwierig, weil keiner Englisch sprach“, sagt Katja Böttcher. Eine ukrainische Verwandte, die Deutsch konnte, habe dann vermittelt.

Sie denkt jeden Tag an die Ukraine

„Halyna war sehr motiviert, Deutsch zu lernen. Heute spricht sie sehr gut, sogar die Fälle beherrscht sie.“ Nach dem bestandenen Deutsch-Kurs wollte sie weiter die Sprache lernen. So sei auch die Idee mit dem Praktikum in der Bibliothek entstanden, so Böttcher. „Stavenhagen ist eine kleine, schöne Stadt“, meint Halyna. Ihre Tochter (12) habe nur fünf Minuten Fußweg zur Schule. In der Reuterstadt leben etwa 100 Ukrainer. Mit einigen trifft sich die 41-Jährige in ihrer Freizeit. „Ich denke oft, eigentlich jeden Tag an die Ukraine“, sagt sie. Aber im Moment wollen sie nicht zurück. „Meiner Tochter gefällt Deutschland“, begründet sie.