Die Medienkünstlerin Lydia Smith aus Columbus im US-Bundesstaat Ohio ist als Artist-in-Residence der Kulturstiftung Sachsen derzeit in Dresden zu Gast. Drei Monate hat sie im Rahmen ihres Stipendiums Zeit, sich von der Stadt inspirieren zu lassen. An Orten der Erinnerung und in lokalen Archiven recherchiert sie für eine neue Arbeit, die sich mit dem Thema Ruinen beschäftigt.
Von Eva Gaeding, MDR Kulturdesk
Lydia Smith hat sich schon ein wenig eingelebt, hat den hellen, freundlichen Atelierraum in der Galerie Raskolnikow zu ihrem Arbeitsmittelpunkt gemacht und von dort aus die örtliche Kunstszene erkundet. In deren solidarischer Zusammenarbeit erkennt sie Gemeinsamkeiten mit der Kunstszene in ihrer Heimatstadt Columbus in Ohio.
Ein Stipendium zum Experimentieren und Ausprobieren
Gerade junge Künstlerinnen und Künstler brauchten die Gemeinschaft, findet sie: „So tauscht man Ideen aus, bekommt Feedback zu seiner Arbeit und knüpft Kontakte.“ Wichtig sei es aber auch, Zeit und Gelegenheit zum Experimentieren und Ausprobieren zu bekommen. Genau das ermöglicht das Stipendium, das vom Greater Columbus Arts Council und dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert wird.
Über das Austauschprogramm (zum Aufklappen)
Einen Sommer lang frei von finanziellem Druck, einfach ins Blaue hinein arbeiten zu können, das hat die Experimentierfreude von Lydia Smith geweckt. „Ich kann Risiken eingehen und vielleicht etwas machen, das nicht funktioniert. Aber das ist okay, weil ich durch diesen Prozess lerne“, beschreibt die junge Künstlerin den Nutzen eines Residenz-Stipendiums. „Diese Zeit zu haben, die Arbeit weiterzuentwickeln, ohne Angst, nicht gleich in eine bestimmte Richtung zu gehen, das ist unbezahlbar.“
Dresden und Columbus sind seit 1992 Partnerstädte. Seit 1994 fördern die Kulturstiftung Sachsen und das Greater Columbus Arts Council ein Austauschprogramm: Jedes Jahr reisen zwei Kunstschaffende aus Sachsen für drei Monate nach Ohio, im Gegenzug kommen zwei amerikanische Künstlerinnen und Künstler nach Dresden.
Ein Blick auf den Arbeitstisch von Lydia Smith
Exkursion zu Dresdner Erinnerungsorten
Auf einem Arbeitstisch liegen ausgedruckte Fotos und Filmstills – die Beute ihrer jüngsten Exkursionen in Dresden. Auf manchen davon sind die Hände der Künstlerin zu sehen – Sinnbild für ihr Vortasten in unbekanntem Terrain. Vielleicht entsteht aus dem Material später eine Collage. Vielleicht auch ein Film oder ein Buch. Die Ausdrucksformen der Medienkünstlerin sind vielfältig.
Orte der Erinnerung, wie Ruinen, Denkmäler und Friedhöfe beschäftigen Smith in ihren Arbeiten. Eines der wichtigsten Themen, über das die Künstlerin immer wieder nachdenke, sei die Wechselwirkung von kulturellem Erbe, Erinnerung und einem bestimmten Ort. „Beeinflusst die Vergangenheit, wie wir einen Ort wahrnehmen? Und spüren wir sie auch an einem Ort, selbst wenn wir vielleicht nicht viel über dessen Vergangenheit wissen?“, fragt sie sich.
Die Medienkünstlerin Lydia Smith stammt aus dem US-Bundesstaat Ohio und lebt für drei Monate als Stipendiatin in Dresden.
Wenn ich diese Trümmerberge ansehe, kann ich nicht anders, als an die neuen Berge von Trümmern zu denken, die gerade an Orten entstehen, die sich gegenseitig bombardieren.
Lydia Smith |
In Dresden hat sie bislang vor allem nach Stellen gesucht, an denen der Zweite Weltkrieg seine mehr oder weniger sichtbaren Spuren hinterließ. Den Sowjetischen Garnisonfriedhof in der Dresdner Heide etwa. Die neu aufgebaute Frauenkirche, die noch bis 1994 eine Ruine war. Oder den Trümmerberg im Stadtteil Friedrichstadt, auf dem sich heute ein öffentlicher Park befindet.
Sie alle beinhalten für Smith das Potenzial, aus der Geschichte zu lernen. Auch wenn der Trümmerberg ein Park sei, berge er die Energie der Vergangenheit. „Wenn ich diese Trümmerberge ansehe, kann ich nicht anders, als an die neuen Berge von Trümmern zu denken, die gerade an Orten entstehen, die sich gegenseitig bombardieren„, konstatiert Smith.
Lydia Smith ist künstlerisch vielseitig interessiert – hier eine ihrer Grafiken.
Kürzungen bei Kultur und Bildung
Mit Sorge betrachtet Smith, die ihren Lebensunterhalt zurzeit als Dozentin an der Ohio State University verdient, die politischen Entwicklungen in ihrem eigenen Land. Immer mehr Förderprogramme für Bildung und für Kunst würden gestrichen, erzählt sie. Als Künstlerin könne man dazu nicht schweigen, ist Smith überzeugt.
Umso wichtiger sei der Zusammenhalt untereinander: „So trifft man Leute, mit denen man sich bei Problemen austauschen kann, die sich untereinander helfen und mit denen man gemeinsam etwas bewirken kann.“ Austausch und Unterstützung – das ermöglicht auch das Artist-in-Residence-Programm zwischen Sachsen und Ohio. Wozu es Lydia Smith inspiriert hat, das wird sich am Ende ihres Aufenthaltes zeigen.
Weitere Informationen
Offenes Atelier und Gespräch mit der Künstlerin Lydia Smith
26. Juli 2025, 15 bis 17 Uhr
Kunsthaus Raskolnikow e. V. / Galerie
Böhmische Straße 34
01099 Dresden
Eintritt frei
Redaktionelle Bearbeitung: hro